Debattenbeitrag zum Schutz grüner Innenhöfe – Joachimsthaler Straße

Pressemitteilung vom 10.10.2024

Das Bezirksamt Lichtenberg erachtet die Nachverdichtung und die Versiegelung grüner Innenhöfe in Großsiedlungen grundsätzlich als kontraproduktiv und für die Anwohner:innen als nicht zumutbar. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE möchte in der Joachimsthaler Straße 1, 3, 5, 7 ein Wohnungsbauprojekt mit zwei Wohngebäuden errichten, das in Summe 105 Wohneinheiten mit einer Geschossfläche von 9.316 qm (Wohnfläche 7.032qm) umfasst.

Aus den Plänen wird ersichtlich, dass die HOWOGE die notwendigen Flächen wie das Vorhalten von Parkplätzen nicht allein auf ihrem eigenen Grundstück abbilden kann. Die HOWOGE plant, mit dem Wohnungsbauprojekt auf ihrem eigenen Grundstück eine per Dienstbarkeit ggü. dem Land Berlin gesicherte Teilfläche eines Spielplatzes zu überbauen. Die Dienstbarkeit ermöglicht eine kostenfreie öffentliche Mitbenutzung der Spielplatzfläche.

Das Bezirksamt wird aufgrund der Nutzungsdichte im Umfeld nicht auf die Spielplatzflächen verzichten. Aus diesem Grund hat sich die HOWOGE an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gewandt. Die Senatsverwaltung für Finanzen teilte dem Bezirksamt mit, „dass die Löschung der oben näher bezeichneten Dienstbarkeit im Grundbuch zu erfolgen hat.“ Das Bezirksamt ist dieser Aufforderung nicht gefolgt. Nun hat der Senat gegenüber dem Bezirksamt angekündigt, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport auf Basis des § 13a Allgemeines Zuständigkeitsgesetz weitere Schritte zur Löschung der Dienstbarkeit selbst veranlassen wird.

Filiz Keküllüoğlu, Bezirksstadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung, Umwelt und Naturschutz (Bündnis 90/Die Grünen): „Das Bezirksamt unterstützt die HOWOGE beim Wohnungsbau in Lichtenberg mit aller Kraft. Dank der guten Zusammenarbeit sind in unserem Bezirk so viele Wohnungen entstanden, wie in keinem anderen Bezirk; diese Wohnungen werden ohne Frage dringend benötigt. Trotz unserer großen Unterstützung ist es für mich nicht nachvollziehbar, weshalb der Senat nicht wenigstens bei einem einzigen Wohnbauvorhaben der HOWOGE sich auch mal auf das Bezirksamt zubewegt und unsere Hinweise ernst nimmt. Nicht jeder Standort ist für den Wohnungsbau geeignet – dazu gehört ganz gewiss auch der Standort in der Joachimsthaler Straße; bereits heute ist die soziale und verkehrliche Infrastruktur in dem Quartier ausgelastet. Neben der hohen Versiegelung ist dieses Quartier durch geringe Grünflächen geprägt. So kann ich den Widerstand der Anwohner:innen vor Ort sehr gut nachvollziehen. Leider haben die zuständigen Senator:innen bisher selbst nicht das Gespräch mit den Betroffenen gesucht. Im Gegensatz dazu sind wir Bezirksamtsmitglieder im regen Austausch mit den Menschen vor Ort und kennen den wunderschönen Gemeinschaftsgarten. Ich bedauere die Entscheidung des Senats, über den Kopf des Bezirksamtes und der Bürger:innen hinweg den grünen Hof zu bebauen. Das ist ein absolut falsches Signal! Wir legen einen großen Wert auf gesunde Wohnverhältnisse; und wenn der Senat unsere Maxime ignoriert, dann muss er selbst den Menschen in Alt-Hohenschönhausen Rede und Antwort stehen. Die Rot-Schwarz-Rote Koalition hatte eine Politik des Miteinanders und auf Augenhöhe mit den Bezirken versprochen. Dieses Versprechen scheint an dieser Stelle in Vergessenheit geraten zu sein.“

Camilla Schuler, Bezirksstadträtin fürJugend und Familie, Stadtentwicklung, Bauen und Facility Management (Die Linke): „Der Senat begründet bei dem Wohnprojekt in der Joachimsthaler Straße das gesamtstädtische Interesse mit rund 100 Wohneinheiten. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und zeigt, dass hier eher die Statistik, als die Qualität vor Ort zählt. Falls der Senat auch hier das Bezirksamt übergeht, muss er seine Entscheidung vor Ort den Menschen selbst begründen. Der Senat will im gesamten Wohnungsbauvorhaben in der Joachimsthaler Straße eine Belegungsquote von 30 Prozent mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum erzielen, 70 Prozent sind als freifinanzierbarer Wohnraum festgelegt. Das ist ein Freischein für Verdrängung, was ich als eine fatale Entwicklung erachte. Zum wiederholten Male missachtet der Senat die Belange und Empfehlungen des Bezirkes, der Menschen vor Ort. Selbst der Senat sollte begriffen haben, dass mit seinem Vorgehen wie bei den Ilsehöfen oder dem Vorhaben Barther Straße die rote Linie überschritten ist. Wir haben an uns den Anspruch, Wohnraum für die Menschen zu schaffen, Quartiere zu entwickeln, die den Bedarfen gerecht werden. Auch die Howoge sollte sich dieser Verantwortung bewusst sein und als fairer Partner dem Bezirk zur Seite stehen.“

Gemeinsam erklären die Bezirksstadträtinnen weiter: „Das Land Berlin ist gemäß Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz gesetzlich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Die EU hat kürzlich die Veordnung über die Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) verabschiedet und somit ist das Land Berlin aus Sicht der Bezirksstadträtinnen verpflichtet sicherstellen, dass keine Grünflächen mehr verloren gehen und angehalten, den Anteil von Grünflächen zu erhöhen. Gerade gegrünte Höfe und Freiflächen sorgen für ein gutes Klima in der Stadt – nicht nur im meteorologischen, sondern auch im sozialen Sinne. Sie bilden neben den öffentlichen Grünflächen das wesentliche Rückgrat grüner Infrastruktur. Das Klima in der Region Berlin, nicht nur in Lichtenberg, wird in den nächsten Jahren heißer und trockener. Damit verbunden werden auch Extremwetterereignisse wie starke Regenfälle, Stürme, Trocken- und Hitzeperioden zunehmen. Hier können begrünte Innenhöfe wesentlich gegensteuern und ihren besonderen Beitrag zur Wahrung gesunder Wohn- und Lebensbedingungen leisten. So ist der begrünte Hof in der Joachimsthaler Straße aus Sicht des Bezirksamtes zu schützen.“

Weitere Informationen:
Geschäftsbereichs Verkehr, Grünflächen, Ordnung, Umwelt und Naturschutz
Bezirksstadträtin Filiz Keküllüoğlu
Telefon: (030) 90296-4200
E-Mail: BzStRinOrdUmVer@lichtenberg.berlin.de

Geschäftsbereich Bauen, Stadtentwicklung und Facility Management
Bezirksstadträtin Camilla Schuler
Telefon: (030) 90296-4000
E-Mail: Camilla.Schuler@lichtenberg.berlin.de