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Rundschreiben Nr. 03 / 2013

Rundschreiben Nr. 03-2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

12.000 Mitglieder von ver.di sind auf die Strasse gegangen und haben für mehr Lohn und mehr Urlaub gekämpft. Mit gutem Erfolg! Die Tabellenentgelte steigen wie folgt: Rückwirkend zum 1. Januar 2013 um 2,65 von Hundert (v.H.) und ab 1. Januar 2014 um 2,95 v.H. Auch der Urlaub beträgt für alle Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes 30 Tage.
Die ver.di-Bundestarifkommission hat jetzt eine anstehende Mitgliederbefragung zum vorliegenden Ergebnis empfohlen. Wir können gespannt sein, wie sich die ver.di-Mitglieder zum Abschluss, der bis zum 31.12.2014 läuft, äußern werden.

Themen im Rundschreiben Nr. 03-2013

  • Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Arbeitsfreistellung
    Für die Gewährung einer vollständigen Freistellung der Vertrauensperson der schwerbe-hinderten Menschen von der Arbeitsleistung, die bei einer Beschäftigung von in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderten Menschen zu gewähren ist, zählen auch die von ei-nem Amt an eine andere, gemeinsam mit der Agentur für Arbeit geführte Einrichtung zu-gewiesenen Schwerbehinderten. Allerdings darf die Zuweisung lediglich befristet sein.
  • Schwerbehindertenvertreter dürfen nicht mitbestimmen
    Das heimliche Aufzeichnen von Personalgesprächen ist ein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Betrifft diese einen Schwerbehinderten, braucht keine Zustimmung der zuständigen Vertrauensperson eingeholt zu werden. So eine Entscheidung des BAG.
  • Schwerbehinderung – Benachteiligung im Bewerbungsverfahren
    Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleich-behandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür v0rtragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist.
  • Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers
    Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters.
  • Hubert Hüppe: Contergan Betroffene erhalten 120 Mio. Euro
    Die Regierungskoalition hat sich im Koalitionsausschuss darauf geeinigt, 120 Mio. Euro für die Versorgung von Contergangeschädigten bereitzustellen. Eine Anhörung im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend befasst sich heute mit den Ergebnissen der Längsschnittstudie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg über die Lebenssituation Contergangeschädigter.
  • Dies und Das
    • Arbeitshilfe für Betriebsräte: „Anti-Stress-Paket“ gegen psychische Belastungen
    • BMAS: Neue Broschüren zum BEM
    • Goldener Rollstuhl“ 2013 für Magazin „Brandenburg für alle“
    • Textsammlung zum Thema Gleichstellung
    • PDF / UA – Zugang zu Dokumenten für alle
    • Pilotprojekt: Berlin entwickelt Smartphone-Navi für Blinde
    • Brandenburg hat ein neues Behindertengleichstellungsgesetz

Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und die Arbeitsfreistellung

Für die Gewährung einer vollständigen Freistellung der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen von der Arbeitsleistung, die bei einer Beschäftigung von in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderten Menschen zu gewähren ist, zählen auch die von einem Amt an eine andere, gemeinsam mit der Agentur für Arbeit geführte Einrichtung zugewiesenen Schwerbehinderten. Allerdings darf die Zuweisung lediglich befristet sein.

So die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin in dem hier vorliegenden Fall der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im Bezirksamt Neukölln, deren Freistellung von der Arbeitsleistung vom Bezirksamt verweigert worden ist. Das Bezirksamt Neukölln von Berlin führt gemeinsam mit der Agentur für Arbeit ein Jobcenter als gemeinsame Einrichtung nach § 44 b SGB 2, bei der nach § 44 g SGB 2 zugewiesene schwerbehinderte Beschäftigte des Bezirksamts tätig sind. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im Bezirksamt Neukölln beantragte eine vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung, die nach § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB 9 bei einer Beschäftigung von in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderten Menschen zu gewähren ist. Das Bezirksamt verweigerte die Freistellung, weil ohne die zugewiesenen Beschäftigten die genannte Anzahl schwerbehinderter Menschen nicht erreicht wurde. Dagegen hat die Vertrauensperson Klage erhoben.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin erfolgt die Zuweisung an eine gemeinsame Einrichtung lediglich befristet und kann zudem vorfristig beendet werden. Die zugewiesenen Beschäftigten scheiden deshalb nicht endgültig aus den Diensten des Bezirksamtes aus und sind weiterhin mitzuzählen. Etwas anderes gilt nur bei einem endgültigen Ausscheiden aus der Arbeitsorganisation der Dienststelle, z. B. durch Eintritt in die Freistellungsphase einer Altersteilzeit. Daher hat das Arbeitsgericht den Freistellungsantrag für begründet gehalten.

Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 7. März 2013 – 33 BV 14898/12

Beamte haben bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf Abgeltung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub

BVerwG konkretisiert Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Anspruchs

Beamte haben nach den Maßgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einen Anspruch auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs, den sie krankheitsbedingt bis zum Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen konnten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und zugleich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Anspruchs konkretisiert.

Beamter hat bei Krankheit Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub

Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, der so genannten Arbeitszeitrichtlinie. Er ist beschränkt auf den nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr, erfasst also weder einen über 20 Tage im Jahr hinaus reichenden Erholungsurlaub noch Arbeitszeitverkürzungstage oder einen Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 SGB IX. Soweit ein Beamter diesen Mindesturlaub wegen Krankheit und anschließenden Ausscheidens aus dem aktiven Dienst nicht nehmen kann, hat er einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, also auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.2013 – BVerwG 2 C 10.12

Vorbildliche Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen in der Berliner Verwaltung

_Aus der Sitzung des Senats am 29. Januar 2013:_

In der Berliner Verwaltung waren im Jahr 2010 im Durchschnitt auf 8,11 % und im Jahr 2011 auf 8,18 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Das geht aus dem „Bericht über die Erfüllung der Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen in der Berliner Verwaltung 2012“ hervor, den der Senat auf Vorlage von Innen- und Sportsenator Frank Henkel beschlossen hat.
Damit wurden im Jahr 2010 3.785 und im Jahr 2011 3.841 schwerbehinderte Menschen mehr beschäftigt als gesetzlich vorgeschrieben (5 % gemäß § 71 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch SGB IX).
2010 waren rund 64 % der schwerbehinderten Beschäftigten in den Berliner Behörden Frauen, rund 65 % waren es im Jahr 2011.

Der Senat ist sich seiner Verantwortung gegenüber schwerbehinderten Menschen bewusst und setzt die Anstrengungen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation für Menschen mit Behinderungen in der Berliner Verwaltung fort. Im Mittelpunkt stehen dabei Maßnahmen für die Ausbildung von jungen Menschen mit Behinderung.

Arbeitgeber Land Berlin Zu zählende Arbeitsplätze (Jahresdurchschnitt) Zahl der Pflichtplätze – 5% Soll Mit Schwerbehinderten besetzte Arbeitsplätze Ist Beschäftigungsquote
2008 136.574 6.828 9.499 6,95%
2009 123.291 6.164 9.739 7,89%
2010 121.733 6.086 9.871 8,11%
2011 120.913 / 6.044 9.885

Schwerbehindertenvertreter dürfen nicht mitbestimmen

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese ist schwerbehindert und wurde bei einer Bewerbung nicht berücksichtigt. Sie war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle.

Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese – nicht namentlich bezeichnete – Beschäftigte dort eingesetzt werden könne.

Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/ Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung. Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, ua. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt. Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen. Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Klägerin hat keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar hat die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Das hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen stellen keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen ist. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lässt diesen Schluss nicht zu.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Februar 2013 – 8 AZR 180/12 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2011
- 3 Sa 1505/11

Arbeitszeugnis - kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Dank und gute Wünsche

Der Arbeitgeber ist gesetzlich nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt, dessen Ausscheiden bedauert oder ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Das einfache Zeugnis muss nach § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Der Arbeitnehmer kann gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören damit nicht zum notwendigen Zeugnisinhalt. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen.

Der Kläger leitete einen Baumarkt der Beklagten. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte ihm die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Das Zeugnis endet mit den Sätzen: „Herr K scheidet zum 28.02.2009 aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“ Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Schlusssatz sei unzureichend und entwerte sein gutes Zeugnis. Er habe Anspruch auf die Formulierung: „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gute.“ Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Schlusssätze in Zeugnissen, mit denen Arbeitgeber in der Praxis oft persönliche Empfindungen wie Dank oder gute Wünsche zum Ausdruck bringen, sind nicht„beurteilungsneutral“, sondern geeignet, die objektiven Zeugnisaussagen zu Führung und Leistung des Arbeitnehmers zu bestätigen oder zu relativieren. Wenn ein Arbeitgeber solche Schlusssätze formuliert und diese nach Auffassung des Arbeitnehmers mit dem übrigen Zeugnisinhalt nicht in Einklang stehen, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, ein Zeugnis ohne Schlussformel zu erteilen. Auch wenn in der Praxis, insbesondere in Zeugnissen mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbeurteilung, häufig dem Arbeitnehmer für seine Arbeit gedankt wird, kann daraus mangels einer gesetzlichen Grundlage kein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Dankesformel abgeleitet werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2012 – 9 AZR 227/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Februar 2011 – 21 Sa 74/10

Schwerbehinderung – Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese ist schwerbehindert und wurde bei einer Bewerbung nicht berücksichtigt. Sie war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die eschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese – nicht namentlich bezeichnete – Beschäftigte dort eingesetzt werden könne. Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages
aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung. Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, ua. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt. Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Klägerin hat keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar hat die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der
Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9
SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von
schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen
wäre. Das hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten
Tatsachen stellen keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung
bei der Bewerbung unterlegen ist. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lässt
diesen Schluss nicht zu.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Februar 2013 – 8 AZR 180/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2011

Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist.

Die Beklagte – eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin – hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es ua. heißt: „Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“

Der damals 36jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Zurückzuverweisen.

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 429/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2011- 9 Sa 1771/10

Hubert Hüppe: Contergan Betroffene erhalten 120 Mio. Euro

Pressemitteilung, Erscheinungsdatum 01.02.2013

Die Regierungskoalition hat sich im Koalitionsausschuss darauf geeinigt, 120 Millionen Euro für die Versorgung von Contergangeschädigten bereitzustellen. Eine Anhörung im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend befasst sich heute mit den Ergebnissen der Längsschnittstudie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg über die Lebenssituation Contergangeschädigter.
Dazu erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe:

„Ich begrüße, dass die Bundesregierung massiv und schnell den Contergangeschädigten hilft. Offensichtlich ist man bereit, die Contergan-Renten deutlich zu erhöhen und sogar zu vervielfachen. Der gestrige Beschluss macht deutlich, dass die Bundesregierung die Situation der betroffenen Menschen sehr ernst nimmt und nicht auf Zeit spielt, sondern sofort helfen will. Wichtig ist, dass die Hilfen nun unbürokratisch gewährt werden. Der gerade fertig gestellte Forschungsbericht, der von einer großen Mehrheit der Bundestagsfraktionen in Auftrag gegeben worden war, zeigt sehr deutlich, dass die Betroffenen wesentlich stärkere Folgeschäden haben, als bisher angenommen. Das Leben der Betroffenen ist durch die Folgen von Contergan immer mehr eingeschränkt, je älter sie werden. Daher muss der Bundestag nach der Anhörung die nötigen Schritte unternehmen und die zusätzliche Unterstützung auf den Weg bringen.

Die Betroffenen benötigen einen Ausgleich für den Einkommensausfall, denn viele konnten nie berufstätig sein oder nur Teilzeit arbeiten. Auch brauchen sie bessere medizinische und therapeutische Versorgung und Rehabilitationsleistungen sowie eine zahnärztliche und kieferchirurgische Behandlung. Mit zunehmendem Alter werden contergangeschädigte Menschen immer häufiger auf Pflege und Unterstützung angewiesen sein.“

Die Studie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg finden Sie hier:
www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Downloads/DE/Conterganstudie.pdf;jsessionid=0BF8E4E8BF3817ED4E40BDE5CE187D6E.2_cid345?__blob=publicationFile

Dies und Das

  • Arbeitshilfe für Betriebsräte: “Anti-Stress-Paket” gegen psychische Belastungen
    In Werkshallen und Büros steigt der Leistungsdruck, Burnout und psychische Erkrankungen nehmen zu. Doch ArbeitnehmervertreterInnen können gegensteuern – mit dem „Anti-Stress-Paket“ der IG Metall.
    Das Anti-Stress-Paket ist eine Sammlung von Arbeitshilfen zu den Themen psychische Belastungen, Stress und gesundheitsverträgliche Arbeitszeiten. Die IG Metall beschreibt es als „Werkzeugkoffer für Betriebe und betriebliche Interessenvertretungen“. Ausgeliefert wird der virtuelle Instrumentenkoffer auf einem USB-Stick.
    Thematisch aufbereitete Powerpoint-Präsentationen liefern anschauliches Material. Sie können für Betriebsversammlungen und Vorträge zum Thema angepasst werden. Mit StressBarometer, StressBürometer und Arbeitszeit-TÜV erhalten die ArbeitnehmervertreterInnen zudem Werkzeuge, um die Arbeitsbelastungen im Betrieb zu erfassen und auszuwerten. Die umfangreiche Bedienungsanleitung erklärt, wie sich die Fragebögen im Excelformat optimal nutzen lassen.
    Das Anti-Stress-Paket kostet sechs Euro und kann im Internet-Shop der IG Metall bestellt werden:
    www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/view_shop_einzel.htm?prd_id=35451&shop_einprd_aufrufende=/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/view_shop_suche.htm?suche=22247-35451
    Bestellnummer 22247-35451, Preis 6,00 Euro (Zuzüglich MwSt. und Versandkosten)
  • BMAS: Neue Broschüre zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement
    REHADAT-Newsletter 1/2013
    Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat eine Broschüre zum Betrieblichen Eingliederungsmanagment (BEM) unter dem Titel “Schritt für Schritt zurück in den Job” veröffentlicht.
    Die Broschüre wendet sich direkt an Arbeitnehmer, die länger erkrankt sind. Sie bietet ihnen einen Überblick über das Verfahren des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX und zum “Hamburger Modell”. Kompakt und mit einem praktischen Frage-Antwort-Teil versehen vermittelt sie einen einfachen Zugang zu dem Thema und nennt Rechte und Pflichten im Verfahren. Konkrete Fallbeispiele erleichtern das Verständnis.
    Den kostenlosen Download finden Sie hier: www.bmas.de
    Im REHADAT-Informationssystem finden Sie ebenfalls zahlreiche Informationen zum BEM: u.a. mehr als 30 Praxisbeispiele, 420 Literaturhinweise, knapp 50 Forschungsprojekte und 65 Adressen. Besonders interessant sind auch die 130 Gerichtsurteile, die REHADAT zum Thema BEM gesammelt hat.
    Einen guten Einstieg ins Thema finden Sie auch im Portal REHADAT-talentplus: www.talentplus.de
  • „Goldener Rollstuhl“ 2013 für Magazin „Brandenburg für alle“
    Der „Goldene Rollstuhl“ in der Kategorie Reisebroschüren ging am Donnerstag an das Magazin „Brandenburg für alle. Barrierefrei reisen“, das vom Berlin/Potsdamer Verlag terra press in Kooperation mit der Tourismus Marketing Brandenburg (TMB) herausgegeben wird. Die vom ABS Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen Stuttgart e. V. seit 1998 verliehene Auszeichnung wird auf der jährlich stattfindenden Stuttgarter Urlaubsmesse für Caravan, Motor und Tourismus (CMT) vergeben.
    Die selbst nach den strengen Kriterien der Barrierefreiheit gestaltete Broschüre offeriert Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen – von Mobilitäts- und Sinneseinschränkungen bis hin zu Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten – eine Vielzahl von Angeboten für Reisen im Land Brandenburg. Einfache Texte, große Schrift, klare Bilder und übersichtliche Karten laden zu barrierefreien Stadtführungen, zum Besuch von besonders geeigneten Ferieneinrichtungen, zu Schiffsfahrten usw. ein.
    Auch sehbehinderten und blinden Menschen ist das Magazin mit seinen umfangreichen Reiseangeboten zugänglich: Sie können sich mit der barrierefreien PDF-Datei, die nach der neuen PDF/UA-Norm erstellt wurde, und entsprechender Technik die Broschüre vorlesen lassen.
    Zusammen mit dem Internetauftritt www.brandenburg-barrierefrei.de der TMB öffnet das nun preisgekrönte Magazin die Brandenburger Reiseregionen noch stärker als bisher all jenen, die für ihre Reisen besondere Vorkehrungen treffen müssen. Die Zugänglichkeit der Angebote wurde bei allen Anbietern vor Ort geprüft.
    Die Broschüre ist zum Preis von 2,80 Euro im Buch- und Zeitschriftenhandel in Berlin-Brandenburg erhältlich oder kann beim Verlag terra press unter www.terra-press.de/barrierefrei erworben werden.
  • Textsammlung zum Thema Gleichstellung
    Im Auftrag des Bundeskompetenzzentrums Barrierefreiheit e.V. und mit Unterstützung des BMAS ist im Nomos-Verlag eine Textsammlung zum Behindertengleichstellungsrecht erschienen. Diese systematisch gegliederte Publikation von Horst Frehe und Prof. Felix Welti umfasst die in Bund und Ländern geltenden Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet. Sie stellt damit ein gutes Arbeitsinstrument und Nachschlagewerk für Menschen mit Behinderung und ihre Vertretungen dar.
    2. Auflage 2013, Mit CD-ROM, 1332 Seiten, Broschiert, ISBN 978-3-8329-7458-9, 29,- Euro inklusive MwSt, versandkostenfrei.
  • PDF / UA – Zugang zu Dokumenten für alle
    Mit PDF / UA (Universal Accessibility ) soll sichergestellt werden, dass für Menschen mit Einschränkungen Inhalte in PDF-Dokumenten zugänglich sind. Dafür ist es notwendig, die inhaltliche Struktur und Lesereihenfolge über so genannte „Tags“ zu hinterlegen. Obwohl dies technisch bereits seit 2001 möglich ist, waren die Regeln für ein korrekt mit Tags ausgezeichnetes PDF bislang nicht eindeutig. Mit dem klaren Regelwerk, das durch PDF / UA nun verfügbar ist, kann diese Lücke geschlossen und auch eine optimale Nutzung barrierefreier PDF-Dokumente erreicht werden. PDF/UA wird derzeit von Screenreadern noch nicht speziell unterstützt.
    Die PDF Association hat deshalb zusammen mit der Schweizer Stiftung Zugang für alle das Projekt NVDA goes PDF/UA lanciert, um den Open Source Screenreader NVDA dahingehend weiterzuentwickeln, dass er vollständig dem PDF/UA-Standard entspricht.
    Sie wollen mehr zur Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente erfahren? Schauen Sie doch einfach mal in das Schulungsprogramm der Verwaltungsakademie Berlin rein. Hier werden auch Kurse zu diesem Thema angeboten (nur für die Kolleginnen und Kollegen vom Land Berlin).
  • Pilotprojekt: Berlin entwickelt Smartphone-Navi für Blinde
    Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung leitet ein Pilotprojekt, das Blinden und Sehbehinderten die Orientierung in der Stadt erheblich erleichtern soll. Berlin wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ausgewählt, um ein neuartiges Navigationssystem („m4guide“ genannt), zu entwickeln. Das Ziel: Blinde und Sehbehinderte sollen zu Fuß und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit Hilfe eines Smartphones sicher zu ihren Zielen geführt werden.
    Neu sind insbesondere die punktgenaue Ortung im Blindenstockradius, eine Navigation auch innerhalb von Bahnhöfen und öffentlichen Gebäuden und die Berücksichtigung von Hindernissen und Gefahrstellen. Beteiligt an der Entwicklung sind der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband. Das Projekt hat ein Volumen von 5,6 Millionen Euro und wird mit vier Millionen Euro vom BMWi im Rahmen der Forschungsinitiative „Von Tür zu Tür – ohne Mobilitätsinitiative für den Öffentlichen Personalverkehr der Zukunft“ gefördert. In drei Jahren soll das System voll einsatzfähig sein.
  • Brandenburg hat ein neues Behindertengleichstellungsgesetz
    Am 13.02.2013 ist in Brandenburg das neue Behindertengleichstellungsgesetz des Landes in Kraft getreten. Knapp eine halbe Million Menschen mit Behinderungen in Brandenburg sollen davon profitieren. Davon ist Jürgen Dusel, Beauftragter der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen überzeugt. Der Landtag hatte das Gesetz am 23. Januar ohne Gegenstimmen verabschiedet. „Diese Einigkeit im Landtag hat den Menschen mit Behinderung Kraft und Zuversicht gegeben, so der Behindertenbeauftragte. Nur die FDP hatte sich der Stimme enthalten.
    Jürgen Dusel ist durch eine Augenerkrankung selbst schwer behindert und sagt: „Dadurch kann ich die Situation aus eigenen Erleben beurteilen. Das Gesetz stärkt die Rechte der Menschen mit Behinderung und schützt sie besser vor Diskriminierung. Es hilft, die UN-Behindertenrechtskonvention im Land umzusetzen. Ich freue mich besonders, dass sich an der Erarbeitung des Gesetzes so viele Betroffene beteiligt hatten und sie in ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ernst genommen werden, aber auch sich engagiert und vernehmlich einbringen.
    Der Anwendungsbereich des neuen Gesetzes erstreckt sich auch auf die Komunen. Der Behindertenbeauftragte weist besonders darauf hin, dass in Brandenburg künftig gehörlose Menschen einen Anspruch auf Kommunikation mit Behörden durch Gebärdensprachdolmetscherinnen und –dolmetscher haben oder dass Verbände der Selbsthilfe bei vermuteten Rechtsverletzungen für die Betroffenen Klage erheben können. Jürgen Dusel: „Das neue Gesetz bringt einen Gewinn für alle Menschen in Brandenburg, egal ob mit oder ohne Behinderung. Denn von einer offenen, dem Gedanken der Inklusion verpflichteten Gesellschaft, profitieren alle Menschen.“