Geschichtlicher Überblick

Kammergerichtsordnung

Anfänge

1468 wird als das Gründungsjahr des Kammergerichts angenommen. In diesem Jahr wurde es erstmals urkundlich erwähnt und gilt somit heute als ältestes durchgängig bestehendes Gericht in Deutschland (mehr zur Geschichte des Kammergerichts). Es war, wie zu der Zeit üblich, eng mit dem königlichen Hof verbunden. Ob es von Beginn an eine Gerichtsbibliothek, also eine organisierte Büchersammlung speziell für die Belange der Rechtsprechung, gab, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen.

Im Jahr 1703 kam es zur Gründung des Ober-Appellationsgerichts unter König Friedrich I., das ab 1748 Königliches Obertribunal hieß. Auch dieses verfügte über eine Büchersammlung, die u.a. auch dadurch rasch an Umfang gewann, dass neu berufene Mitglieder zur Stiftung von Büchern verpflichtet wurden.

Im Jahr 1861 wurden die Bibliotheken des Königlich Preußischen Obertribunals und des Revisions- und Kassationshofs in Berlin mit der Kammergerichtsbibliothek vereinigt. Dadurch entstand eine ungemein wertvolle, umfangreiche juristische Spezialbibliothek mit bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Beständen. Für die neu entstandene Bibliothek wurde 1862 ein neuer Katalog – nach bereits einigen vorangegangenen Katalogen seit 1792 – erstellt, der jedoch heute nicht mehr erhalten ist. Weitere Übernahmen von Beständen folgten.

Umzug an den Kleistpark

Als die Räume des Kollegienhauses in der Lindenstraße (heute Teil des Jüdischen Museums) für das Gericht zu eng geworden waren und ein Neubau am Kleistpark errichtet und 1913 bezogen wurde, erhielt die Bibliothek einen eigenen, 4 geschossigen Magazinbereich für bis zu 300.000 Bände. Zu diesem Anlass wurde ein neuer, von einem Bibliothekar der Königlichen Bibliothek – der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin – erstellter Katalog in zwei Bänden an der Justizvollzugsanstalt in Tegel gedruckt.

Bis Mitte der 1940er Jahre galt die Kammergerichtsbibliothek, nach der Staatsbibliothek, als zweitgrößte Bibliothek Berlins. Die Bestandsangaben schwanken zwischen 130.000 und 190.000 Bänden.

Im 2. Weltkrieg wurde der historisch besonders wertvolle Teil der Bibliothek mit ca. 60.000 Bänden ausgelagert, um ihn vor Kriegseinwirkungen zu schützen. Die Bücher galten in der Bundesrepublik bis zu ihrer Wiederauffindung nach der deutschen Wiedervereinigung als verschollen.

Nachkriegszeit

Der im Gebäude am Kleistpark verbliebene Bibliotheksbestand überstand den Krieg weitgehend unversehrt. Zwar war vieles durcheinandergeraten und es gab einige mehr oder weniger große Schäden. Aber die Bücher standen doch relativ schnell wieder zur Benutzung zur Verfügung. Allerdings musste das Gebäude am Kleistpark bereits im Juli 1945 für den Alliierten Kontrollrat freigezogen werden und blieb bis zur Wiedervereinigung im Besitz der Besatzungsmächte. Die Bibliothek wurde zunächst in ein früheres SPD-Parteigebäude in der Ziethenstraße und später in die Ruhmestr. 30 in Zehlendorf gebracht.

Das Kammergericht und die Bibliothek mit dem verbliebenen Restbestand wurden ab 1951 in das Gebäude des ehemaligen Reichsmilitärgerichts in der Witzlebenstraße am Lietzensee in Charlottenburg verlagert. In Ermangelung von ausreichend großen Bibliotheks- und Magazinräumen wurde der – trotz der Kriegsverlagerungen – immer noch umfangreiche Bestand in verschiedenen Leseräumen untergebracht. Immer wieder kam es zur Auslagerung von Teilbeständen aufgrund von Platzmangel.

Wiedervereinigung

Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde der verloren geglaubte kriegsbedingt ausgelagerte Altbestand an das Kammergericht zurückgegeben. Ausführliche Informationen zur Geschichte des historischen Bestandes der Kammergerichtsbibliothek finden Sie hier.

Nachdem das Gebäude am Kleistpark vollständig saniert wurde, konnte das Kammergericht 1997 aus der Witzlebenstraße zurück in sein altes Refugium ziehen. Auch die Bibliothek hat wieder die vier Magazinetagen bezogen und darüber hinaus einen attraktiven Lesesaal für die aktuelle juristische Fachliteratur für die ca. 150 Richterinnen und Richter des Kammergerichts und andere juristisch ausgebildete Personen eingerichtet.

Seit 2010 wird die Bibliothek in der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz in der Salzburger Straße als Zweigstellenbibliothek des Kammergerichts geführt, steht jedoch ausschließlich den Mitarbeitenden vor Ort zur Verfügung.

Literatur:

Bienert, Michael: Das Kammergericht in Berlin: Orte, Prozesse, Ereignisse. Berlin: Verl. f. Berlin-Brandenburg, 2018. (S. 152 – 155)

Holtze, Friedrich: Lokalgeschichte des königlichen Kammergerichts. Berlin: Vahlen, 1896. (S. 72 – 76)

Scholz, Friedrich: Berlin und seine Justiz: die Geschichte des Kammergerichtsbezirks 1945 bis 1980. Berlin, New York: de Gruyter, 1982. (S. 37 – 38)

Schoener, Gustav Adolf: Kammergericht (Stand: März 1995). In: Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Hrsg.: Bernhard Fabian. https://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Kammergericht (letzter Aufruf: 17.08.2021)

Sonnenschmidt, Friedrich Hermann: Geschichte des königlichen Ober-Tribunals zu Berlin. Berlin: Heymann, 1879. (S. 474 – 482)