Der historische Altbestand der Kammergerichtsbibliothek

Kammergerichtsordnung

Der Bibliotheksbestand des Kammergerichts reicht bis in das 15. Jahrhundert zurück. In den wechselvollen Jahren, die geprägt waren von Umbrüchen, Zusammenschlüssen, Umbenennungen und Umzügen, begleitete ein stetig wachsender Bücherbestand die Arbeit des Gerichts.

Beim historischen Altbestand nehmen Schriften und Quellen zur deutschen und römischen Rechtsgeschichte des 16. – 19. Jahrhunderts einen breiten Raum ein. Einen Schwerpunkt bildet eine große Sammlung von Büchern zum preußischen Recht, dem Recht der preußischen Provinzen und zum ausländischen Recht. Ein weiteres Kernstück bildet eine umfassende Sammlung von alten Gesetz-, Verordnungs-, Amts-, Regierungs- und Ministerialblättern, außerdem alte Zeitschriften aller juristischen Fachgebiete.

Der große Umfang nichtjuristischer Literatur, aus Geisteswissenschaften wie Geschichte (hier besonders die Geschichte Brandenburg-Preußens, der außerpreußischen und außerdeutschen Territorien), Philosophie, Theologie und Kirchengeschichte, Sprachwissenschaft und Bücherkunde sowie aus den Sozialwissenschaften, der Geographie u.a., dokumentiert den breitaufgestellten Sammelauftrag, dem die Bibliothek bis zum Ersten Weltkrieg gefolgt ist.

Kriegsbedingte Auslagerung

Nach fünf Jahrhunderten des intensiven Bestandsaufbaus begann ab Winter 1944 eine Odyssee für diese ungemein wertvolle und hoch geschätzte juristische Spezialsammlung, von deren Auswirkungen die Kammergerichtsbibliothek bis heute betroffen ist.

Der historisch besonders wertvolle Teil der Bibliothek mit ca. 60.000 Bänden wurde ausgelagert, um ihn vor Kriegseinwirkungen zu schützen. Diese Bücher waren zunächst teils ins Amtsgericht Märkisch Buchholz und teils ins Amtsgericht Lübben gebracht worden. Später wurden sie in einer Scheune im brandenburgischen Lindenberg unter sehr schlechten klimatischen und hygienischen Bedingungen gelagert – wovon jedoch die Verantwortlichen im Kammergericht – aufgrund des Eisernen Vorhangs – jahrzehntelang nichts ahnten.

Nach dem Krieg: Platzbedingte Auslagerungen

Nachdem das Gebäude am Kleistpark von den Besatzungsmächten für den Alliierten Kontrollrat beansprucht wurde, zog das Kammergericht mit seiner Bibliothek (nach einigen Zwischenlösungen) 1951 in das Gebäude des ehemaligen Reichsmilitärgerichts in der Witzlebenstraße am Lietzensee in seiner Funktion als Oberlandesgericht für den Westteil Berlins.

In dem Gebäude am Lietzensee herrschte von Anfang an große Raumnot. Deshalb wurden Teile des verbliebenen historischen Bestandes, der für die tägliche Gerichtspraxis nicht zwingend benötigt wurde, ausgelagert und mehrfach umgezogen, ab 1988 in klimatisch ungeeignete Räume des ehemaligen Frauengefängnisses in der Kantstraße.

Rückkehr der „verlorenen Bücher“

Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde der lange Jahre verloren geglaubte kriegsbedingt ausgelagerte Altbestand überraschend wieder aufgefunden und an das Kammergericht zurückgegeben. Die Sammlung war völlig ungeordnet und stark verschmutzt, wies Wasserschäden und Insektenfraß auf. Auch fehlten etliche, insbesondere wertvolle Bücher. Da im Gebäude in der Witzlebenstraße kein Platz mehr für sie vorhanden war, wurden die wiederaufgefundenen Bücher nun ebenfalls im Gebäude in der Kantstraße untergebracht.

Beim Wiedereinzug in das Kammergerichtsgebäude am Kleistpark 1997 blieben diese Bücher – also der zu Mauerzeiten platzbedingt ausgelagerte wie auch der kriegsbedingt verlagerte Bestand – zunächst in den Räumen an der Kantstraße, da sie nicht mehr vollständig in das Magazin gepasst hätten. Als 2006 aufgrund anderweitiger Nutzungspläne die Räumlichkeiten in der Kantstraße geräumt und der Bestand erneut umgelagert werden musste, wurde in der Folge in 2007 bei den Büchern eine Kontaminierung mit Schimmelpilzen festgestellt, bedingt durch die vorangegangene jahrzehntelange unsachgemäße Aufbewahrung.

2013 gelang es, mit Hilfe einer großzügigen Unterstützung durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin, die Bücher beim Zentrum für Bestandserhaltung in Leipzig einer Gammabestrahlung und anschließender Trockenreinigung zu unterziehen. Teile dieses schimmelsanierten Bestands befinden sich nun separiert in einem eigenen Geschoss im Magazin der Kammergerichtsbibliothek. Ein anderer Teil wurde zwischenzeitlich im Bibliotheksmagazin des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) aufgestellt. Bis heute ist es nicht gelungen, den völlig durcheinandergeworfenen kriegsverlagerten Bestand wieder in Gänze zu ordnen.

Ausblick

Seit 2019 wird daran gearbeitet, den kriegsbedingt verlagerten Bestand an beiden Standorten nach den alten Signaturen zu sortieren und systematisch geordnet aufzustellen. Dadurch werden zumindest die im gedruckten Bandkatalog von 1913 verzeichneten Bücher wieder auffindbar.

Eine Unterabteilung innerhalb des Bestandes im OVG bildet mit 72 m der Bestand, der zwischen 1913 und 1945 erworben worden wurde und der somit nicht mehr im gedruckten Bandkatalog von 1913 verzeichnet ist. Es handelt sich dabei um eine zeithistorisch interessante Sammlung juristischer Fachliteratur aus der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus mit dem regionalen Schwerpunkt Preußen/Berlin. Für diese separat systematisch aufgestellten Bücher aus allen juristischen Fachgebieten existiert derzeit kein Katalognachweis. Sie sind aber, aufgrund der recht detaillierten Fachsystematik, zumindest inhaltlich grob erschlossen.

Hinweise zur Nutzung des Altbestands

Der historische Bestand kann, abhängig vom Erhaltungszustand, zu Forschungszwecken vor Ort eingesehen werden.
Dies ist jedoch nur nach Genehmigung durch das Bibliothekspersonal und vorheriger Terminabsprache möglich.
Fotokopien und Fotographien können nach Rücksprache angefertigt werden. Ein Scangerät steht derzeit nicht zur Verfügung.