Steinerne Chronik
Bild: Landesarchiv Berlin
Auf Anregung des Baumeisters Waesemann erhielt das Rote Rathaus einen zusätzlichen Fassadenschmuck, der die Geschichte der Stadt seit ihrer Gründung im 13. Jahrhundert anschaulich dokumentiert. An den Balkonen des ersten Obergeschosses ist zwischen 1877 und 1879 ein umlaufender Fries aus 36 Terrakotta-Tafeln der Bildhauer Brodwolf, Calandrelli, Geyer und Schweinitz angebracht worden, der unter dem Namen “Steinerne Chronik” bekannt wurde. Die Herausstellung der städtischen Interessen ist unverkennbar; ungefähr die Hälfte aller Tafeln zeigt das urbane Leben im Mittelalter: Markttreiben und Fernhandel, Gewerbefleiß, Gerichtsbarkeit und Alltagsleben der Bevölkerung. Die übrigen geben Auskunft über die Verdienste der preußischen Könige und den rasanten Aufstieg der Stadt im letzten Jahrhundert. Sie zeigen sowohl das Ende der städtischen Eigenständigkeit im 15. Jahrhundert wie auch deren Wiedererlangung Anfang des 19. Jahrhunderts. Mehrere Tafeln präsentieren Berlin als Wirkungsort bedeutender Wissenschaftler und Künstler sowie als Zentrum des liberalen Geistes im vorigen Jahrhundert.
Die Abbildungen sind voller Details und bildhafter Anspielungen. Wer der Chronik folgen will, beginnt an der Gustav-Böß-Straße (Ecke Spandauer Straße) und geht entgegen dem Uhrzeigersinn in Richtung Jüdenstraße. Die meisten Tafeln befinden sich als langes Band an der Vorderfront in der Rathausstraße, sonst an den Gebäudeecken und über den Portalen. Die wichtigsten Stationen:
Rathausseite | Inhalt der Tafeln |
Gustav-Böß-Straße | Urbarmachung des Landes und Erbauung der Stadt |
Jüdenstraße | Häusliches Leben im Mittelalter (Fischer, Handwerker und Bürger) |
Über dem Hauptportal | Rechtspflege (Schandpfahl, Gerichtslaube und Raubmordszene) |
2. Tafel links vom Hauptportal in der Rathausstraße | Anerkennung der kurfürstlichen Hoheit, daneben: Schloßbau der Hohenzollern |
7. Tafel rechts vom Hauptportal | Verleihung der Städteordnung durch Friedrich Wilhelm III. |
Spandauer Straße | Industrieller Aufschwung |
Ecke zur Gustav-Böß-Straße | Begeisterung über Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches |
Bei den Bombenangriffen sind am 18. März 1945 große Teile des Rathauses mit seinem Fries zerstört worden. Da die Entwürfe nur sehr unvollständig archiviert waren, bereitete die Rekonstruktion der Steinernen Chronik große Probleme. Beim Wiederaufbau des Rathauses ab 1951 stellte die Bevölkerung Fotos und Zeichnungen aus Privatbesitz zur Verfügung.
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