Otto Suhr wurde am 17. August 1894 in Oldenburg geboren. Er wuchs in einem bürgerlich-liberalen Elternhaus auf, der Vater war Beamter. Wegen des Ersten Weltkrieges, den er fast vollständig im Fronteinsatz verbrachte, musste Otto Suhr sein Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Zeitungswissenschaft unterbrechen. Noch während des Krieges trat er der SPD bei, danach schloss er in Leipzig die Universitätsausbildung ab und engagierte sich gleichzeitig im Sozialistischen Studentenbund.
Otto Suhr arbeitete zunächst als Pressereferent in einer Bildungseinrichtung und wurde 1921 Arbeitersekretär beim “Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund” in Kassel. Hier gehörte er auch dem örtlichen Vorstand der SPD unter Oberbürgermeister Philipp Scheidemann an. 1925 übte er eine Lehrtätigkeit an der Universität Jena im Bereich Wirtschaftswissenschaften aus. 1926 wurde er Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung des “Allgemeinen freien Angestelltenbundes” (AfA) in Berlin. Aus der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zog Suhr die Konsequenzen und betrieb die Auflösung des AfA. Ab 1935 schrieb er als freier Mitarbeiter für den Wirtschaftsteil der “Frankfurter Zeitung”. Aus politischen Gründen und wegen seiner jüdischen Ehefrau geriet Otto Suhr wiederholt ins Fadenkreuz der Gestapo. Er gehörte dem gewerkschaftlichen Untergrund und dem Widerstandskreis um Adolf Grimme an. Als ihm gegen Ende des Krieges die Verhaftung unmittelbar drohte, gelang ihm die Flucht.
Nach Kriegsende beteiligte sich Suhr am Wiederaufbau der SPD, wurde erster Generalsekretär und später Vorsitzender des Berliner Landesverbandes und war vorübergehend bei der “Zentralverwaltung für Industrie” in der Sowjetischen Besatzungszone tätig. Schon 1946 zog er als Abgeordneter in die Stadtverordnetenversammlung ein und wurde zu deren Vorsteher gewählt. Dieses Amt behielt Suhr, der sich der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone widersetzte, auch nach der Spaltung in West-Berlin, seit 1951 als Präsident des Abgeordnetenhauses. 1948/49 gehörte er dem Parlamentarischen Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes an, auch gilt er als einer der Väter der Ende 1950 in Kraft getretenen West-Berliner Verfassung. Von 1949 bis 1951 war er Mitglied des Bundestages. Neben seiner politischen Arbeit war Suhr seit 1952 als Honorarprofessor für Theorie der Politik an der Freien Universität Berlin tätig, von 1948 bis 1955 wirkte er als Direktor der Deutschen Hochschule für Politik, die 1958 als Otto-Suhr-Institut in die Freie Universität eingegliedert wurde. Mit Louise Schroeder gab Suhr die Zeitschrift “Das sozialistische Jahrhundert” heraus.
Nach dem Wahlsieg der SPD und erheblichen Stimmenverlusten der FDP bei den Berliner Wahlen vom Dezember 1954 bildete Otto Suhr – obwohl die SPD mit einer Stimme Mehrheit auch alleine hätte regieren können – eine Koalition mit der CDU. Am 11. Januar 1955 wählte ihn das Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister. Bei der Bewältigung der kommunalen und verwaltungsreformerischen Aufgaben agierte Suhr eher als Wissenschaftler und Verwaltungsfachmann denn als Parteipolitiker. Im April 1955 wurde vom Wirtschaftsministerium in Bonn sein Konzept für ein Berliner “Aufbauprogramm” beschlossen. Mit der Internationalen Bauausstellung 1957 gelang es, das zerstörte Hansa-Viertel neu zu errichten. Otto Suhr erreichte es, dass die Regierenden Bürgermeister in den turnusmäßigen Wechsel als Bundesratspräsidenten einbezogen wurden. Am 19. Juli 1957 wurde er einstimmig in dieses Amt gewählt. Zu der für den 1. Oktober vorgesehenen Amtsübernahme kam es jedoch nicht mehr. Otto Suhr starb am 30. August 1957 in Berlin an Leukämie.
Übersicht der Regierenden Bürgermeister von Berlin seit 1949