Gemeinsam handeln, Femizide verhindern: Senat beschließt Maßnahmenpaket zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen
Pressemitteilung vom 30.08.2022
Aus der Sitzung des Senats am 30. August 2022:
Der Berliner Senat hat heute ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verhinderung von Femiziden beschlossen. Geschlechtsspezifische Gewalt ist für viele Frauen alltäglich. Die extremste Form dieser Gewalt ist der Femizid: die Tötung einer Frau als Hassverbrechen und als extreme Manifestation männlicher Dominanz und Sexismus. Ziel des Senats ist es, Berlin zu einem sicheren Ort für alle Frauen und Mädchen zu machen.
Der Fall von Zohra G., die im April dieses Jahres in Pankow von ihrem Ehemann auf offener Straße niedergestochen und tödlich verletzt wurde und sechs minderjährige Kinder hinterlässt, hat erneut gezeigt, dass die Verhütung von Femiziden mehr Aufmerksamkeit und ressortübergreifende Abstimmungen braucht. Dabei begreift der Senat Femizide als ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches sich nicht auf ein bestimmtes Milieu oder auf eine Personengruppe reduzieren lässt.
Das Maßnahmenpaket des Senats konzentriert sich daher auf die Verbesserung der Situation gewaltbetroffener Frauen. Die Unterstützungsstrukturen sollen berlinweit ausgebaut werden, Schutz- und Hilfeangebote sollen bedarfsgerecht ausgestattet werden und für alle gewaltbetroffenen Frauen zugänglich sein. Der Aus- und Fortbildung unterschiedlicher Berufsgruppen kommt eine zentrale Bedeutung zu, ebenso dem Ausbau und der Verstetigung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit unter Einbeziehung von nichtstaatlichen Institutionen, insbesondere auch im Hinblick auf hochgefährdete Frauen. Hier sind multiinstitutionelle, interdisziplinäre Fallkonferenzen unter Leitung der Polizei nötig.
Gleichstellungssenatorin Ulrike Gote: „Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir zusammen bekämpfen müssen. Gefährdete Frauen brauchen schnelle, unbürokratische Hilfe und Unterstützung. Dafür ist neben effektiven Schutzangeboten wie Frauenhausplätzen ganz entscheidend, dass Behörden sowohl untereinander gut zusammenarbeiten als auch mit nichtstaatlichen Institutionen kooperieren. Hier kommen wir durch den Senatsbeschluss deutlich weiter. Bei der Umsetzung der Istanbul Konvention prüfen wir die Handlungsabläufe verschiedener Behörden und erarbeiten Handreichungen zum Umgang mit gefährdeten Personen.“
Sozialsenatorin Katja Kipping: „Es ist ein trauriger, schrecklicher Anlass, aus dem sich der Senat heute mit dem Schutz von Frauen vor patriarchaler Gewalt beschäftigen musste. Umso entscheidender, dass wir gehandelt und konkrete Maßnahmen beschlossen haben. Zwei Punkte sind mir dabei besonders wichtig: Das Schaffen von zusätzlichen Schutzräumen für Frauen, auch mit vielen Kindern und auch mit Söhnen, und das Schaffen von passgenauen Hilfen für die Betroffenen. Unser Ziel muss lauten: Ni una Menos! Keine Weitere mehr!“
Innensenatorin Iris Spranger: „Wir müssen Gewalt gegen Frauen auf allen Ebenen bekämpfen. Frauen und Mädchen müssen ohne Angst vor Gewalt ein selbstbestimmtes Leben führen können. Direkte und unmittelbare Hilfe ist dabei wichtig: Mit dem Innovationsvorhaben „Gewaltfrei in die Zukunft“ unterstützen wir beispielsweise ein digitales Angebot in Form einer geschützten App für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Die Pilotierung der App des Trägervereins Gewaltfrei in die Zukunft e.V. in Berlin ist für Anfang 2023 geplant. Perspektivisch soll die App als langfristiges und dauerhaftes Hilfsmittel in bestehende Präventionsstrukturen integriert werden.“
Familiensenatorin Astrid-Sabine Busse: „Frauen, die von Gewalt betroffen sind, brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe sowie kompetente Beratung und Unterstützung. Das leisten wir mit dem umfangreichen Maßnahmepaket, das der Senat heute beschlossen hat. Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen, auch Bedrohungen, Beschimpfungen oder männlicher Kontrollwahn sind bereits Formen von Gewalt. Das kann ganze Familien zerstören, und das wollen wir nicht zulassen.“
Um die Aufnahme von akut gefährdeten Frauen jederzeit und ohne zeitliche Verzögerung sicherstellen zu können, ist der Ausbau der Frauenschutzplätze in Frauenhäusern notwendig. Anfang 2023 wird das achte Frauenhaus mit weiteren 40 Schutzplätzen für Frauen und ihre Kinder, auch für ihre älteren Söhne bis 18 Jahre, in Betrieb genommen werden können, sowie 15 Schutzplätze in der Clearingstelle. Derzeit stehen für Akutaufnahmen für Frauen und ihre Kinder 422 Schutzplätze in Frauenhäusern zur Verfügung, sowie zusätzlich 30 Schutzplätze in den drei temporären Frauen-Not-Wohnungen. Daneben verfügt Berlin über weitere rund 450 Schutzplätze in Zufluchts- und Zweite-Stufe-Wohnungen.
Derzeit entwickelt der Senat unter Federführung der für Frauen und Gleichstellung zuständigen Senatsverwaltung und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft sowie der Bezirke einen Landesaktionsplan zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der sogenannten Istanbul Konvention. Die Maßnahmen zur Verhinderung von Femiziden als extremste Gewaltform gegen Frauen werden Bestandteil dieses Landesaktionsplans sein.
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Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege