Argumente des Senats zum Volksbegehren über einen Beschluss für ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Grund und Boden (Rekommunalisierung) der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“
Pressemitteilung vom 20.07.2021
Aus der Sitzung des Senats am 20. Julib 2021:
Auf Vorlage von Sebastian Scheel, Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, hat der Senat Argumente zum Volksentscheid über die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen (Vergesellschaftungsgesetz) im Hinblick auf die zu erstellende amtliche Mitteilung der Landesabstimmungsleiterin an die Wählerinnen und Wähler beschlossen.
Zur Umsetzung der geforderten Maßnahmen wären zum Stand September 2020 mehr als 226.000 Wohnungen aus Privateigentum in öffentliches Eigentum zu überführen. Dies kann nur durch ein politisch und juristisch umstrittenes Vergesellschaftungsgesetz erreicht werden, hätte weitreichende Bedeutung und wäre juristisches Neuland. In den Details bedarf es ausführlicher Debatten und umfangreicher Recherchen. Das Volksbegehren hat keinen konkreten Gesetzentwurf zum Gegenstand. Es ist daher im Erfolgsfalle für den Senat rechtlich unverbindlich und die Entscheidung über den Erlass eines Vergesellschaftungsgesetzes obläge dem Abgeordnetenhaus.
Der Senat geht in seiner Kostenschätzung von September 2020 von Entschädigungskosten von 29 bis 39 Mrd. Euro aus und nimmt an, dass Berlin bei einer Kreditfinanzierung aus dem Landeshaushalt etwa 6 bis 9 Mrd. Euro bezuschussen müsste. Hinzu kämen voraussichtlich die Grunderwerbsteuer und andere einmalige Kosten Die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes bestimmen, dass die Entschädigungshöhe unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist. Je nachdem, ob das Gesetzgebungsverfahren eine Entschädigung zum Verkehrswert oder darunter vorsieht und wie sich die Zinsbedingungen entwickeln, ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass eine gesetzliche Regelung zur Entschädigungshöhe einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden würde.
Das grundsätzliche Ziel, den gemeinwirtschaftlichen Anteil an Wohnungen zu erhöhen, unterstützen Senat und Land Berlin. Aktuell erfolgt das durch Ankäufe und Neubau von Wohnungen durch städtische Wohnungsbaugesellschaften sowie die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und von Genossenschaften. Es werden rechtliche und städtebauliche Instrumente zur Dämpfung der Mietenentwicklung genutzt, deren Auswirkungen den Mietenden zugutekommen.
Mit der Kappungsgrenzenverordnung wird die maximal erlaubte Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete in drei Jahren von 20 Prozent auf 15 Prozent abgesenkt. Hinzu kommt der größtmögliche Kündigungsschutzzeitraum bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Das Zweckentfremdungsverbot verhindert, dass Wohnungen anders genutzt werden als zum Wohnen; Wohnungen dürfen nicht leer stehen oder als Ferienwohnungen genutzt werden. Die Mietpreisbremse des Bundes begrenzt die Miete bei Neuvermietungen, die Umwandlungsverordnung verhindert, dass Mietwohnungen ungehindert in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
Berlin nutzt auch die möglichen städtebaulichen Instrumente: Mit den Bezirken sind 65 soziale Erhaltungsgebiete geschaffen worden, in denen die Wohnbevölkerung vor Luxusmodernisierung, Eigenbedarfskündigung, Abbruch und Umnutzung von Wohnungen geschützt wird.
Beim Neubau wird mit dem „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ festgelegt, dass mindestens 30 Prozent der gebauten Wohnungen mietpreisgebunden für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen errichtet werden müssen. Der Senat forciert die Bereitstellung von Bauland und die Verfahrensbeschleunigung von Bauvorhaben. In den 16 neu entstehenden Stadtquartieren werden jeweils 500 bis 5000 neue Wohnungen gebaut.
Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus wurde wiedereingeführt und ausgebaut. Seit 2018 werden Wohnungsgenossenschaften besonders gefördert, um den gemeinwohlorientierten Sektor zu stärken. Die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften wurden zur besonderen Versorgung von Haushalten mit Wohnberechtigungsschein und zur reduzierten Mietpreisentwicklung verpflichtet. Die Mieten der städtischen Wohnungen lagen laut IBB Wohnungsmarktbericht 2019 (vor Einführung des „Mietendeckels“) mit 7,13 Euro/m² deutlich unter dem berlinweiten Durchschnitt von 10,45 Euro/m², während sich private Wohnungsunternehmen mit einer mittleren Angebotsmiete von 11,18 Euro/m² klar überdurchschnittlich positionierten.
Der Berliner Wohnungsmarkt ist trotz dieser umfassenden Maßnahmen stark angespannt. Dies ist insbesondere Folge der Nachfrage durch eine wachsende Bevölkerung, die über dem Wachstum des Wohnungsangebots lag. Diese Verknappung führt zu stark steigenden Neuvermietungspreisen.
Insbesondere für Bevölkerungsgruppen mit geringen und mittleren Einkommen verfolgt der Senat das Ziel, den Bestand kommunaler Wohnungen durch Neubau und Ankauf auf mindestens 400.000 zu erhöhen. Der Senat verfolgt – ähnlich wie die Initiatoren – ein sehr anspruchsvolles Wachstumsziel für den kommunalen Wohnungsbestand.
Eine weitergehende Gesetzgebungskompetenz der Länder, mithin die Möglichkeit Berlins, Mietpreise zusätzlich zu den vorhandenen Möglichkeiten zu begrenzen, besteht aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „Mietendeckel“ vom 25. März 2021 derzeit nicht, da die mietrechtlichen Regelungen im bürgerlichen Recht des Bundes abschließend geregelt sind.
Kontakt
Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen