Jeder hat das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln

Demonstration

Mehr als 5.000 Versammlungen werden jährlich in Berlin durchgeführt – im Mittel also circa 14 pro Tag. Auch wenn die Verantwortung für den Verlauf grundsätzlich bei der Versammlungsleitung liegt, macht die Vielzahl der Versammlungen unterstützende Maßnahmen erforderlich. Im Bewusstsein ihrer Verantwortung als (Mit-)Garantin der Versammlungsfreiheit werden diese durch die Polizei Berlin getroffen. Hierunter fallen vor allem Sperrungen für den Fahrzeugverkehr, um den Versammlungsort oder die -strecke zu sichern, aber auch der allgemeine Schutz, um einen störungsfreien Verlauf zu gewährleisten.

Versammlungslagen im Spannungsfeld

Versammlungen sind ein elementarer Bestandteil eines demokratischen Gemeinwesens und dienen klassisch der Kundgabe und Bildung von Meinungen. Der Dialog oder Diskurs soll – zumeist zu (gesamt-)gesellschaftlichen Themen – angeregt werden. Gerade der Diskurs, die Konfrontation widerstreitender Meinungen, führt bei Versammlungslagen regelmäßig zu einem Spannungsfeld, was ebenso unabdingbares Element einer Demokratie ist. Seine Grenzen findet dieses Element jedoch dort, wo Meinungen unfriedlich durchgesetzt werden sollen.

Neutralität: Schutz der Versammlungsfreiheit und nicht des Themas

Wird eine solche Eskalation erreicht, ist die Polizei Berlin angehalten, einzuschreiten, zu mahnen und als letztes Mittel körperliche Gewalt anzuwenden. Die Ziele sind hierbei stets, die Versammlungsfreiheit der Beteiligten als neutrale Garantin weiterhin zu gewährleisten und Gefahren abzuwehren. Eine Motivation aus Parteilichkeit heraus ist der Polizei Berlin fremd. Sie schützt die Ausübung der Versammlungsfreiheit und nicht das einzelne Thema.

Dialog, Deeskalation, Differenzierung

Bereits vor der Entwicklung zu einer unfriedlichen Konfrontation sucht die Polizei Berlin den Dialog, um kommunikativ einen Interessensausgleich zu erzielen. Eine Einsatztaktik, die sich seit Jahren bewährt und auch einem potenziellen Aggressor die Möglichkeit lässt, sich zu besinnen und von womöglich geplanten Straftaten abzusehen. Dem Dialog kann jedoch nur solange Vorrang eingeräumt werden, bis Straftaten begangen werden. In diesem Fall hat die Polizei Berlin keinen Ermessensspielraum mehr. Gefahren werden unverzüglich unterbunden und Straftaten konsequent verfolgt.

(Sitz-)Blockaden: Straftat oder friedlicher Protest?

Friedlicher Gegenprotest setzt die Achtung der Rechte und Freiheiten der Anderen voraus und kann sich ebenfalls auf die Versammlungsfreiheit berufen. Auch wenn Letztgenannte weit auszulegen ist, findet sie doch dort ihre Grenzen, wo z. B. lediglich auf die Störung oder Verhinderung einer Versammlung abgezielt wird. Eine (Sitz-)Blockade, die genau diesen Charakter aufweist, ist kein friedliches Instrument des gesellschaftlichen Diskurses und macht ein unmittelbares, abgestuftes und differenziertes Einschreiten der Polizei Berlin erforderlich. In solchen Fällen steht insbesondere der mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bewährte Straftatbestand der groben Störung einer nicht verbotenen Versammlung gemäß § 21 Versammlungsgesetz im Raume.

Unparteiisch und kooperativ

Wird der Gegenprotest friedlich und mit kommunikativen Mitteln geführt, wird die Polizei Berlin stets, unparteiisch und kooperativ versuchen, den widerstreitenden Versammlungen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Hierunter fällt allerdings auch eine mögliche Zuweisung eines neuen, möglichst nahegelegenen Versammlungsortes für den (sitzenden) Gegenprotest. Eine solche Auflage entfaltet bindenden Charakter und ist bei Nichtbefolgen strafbewehrt.

„Aussitzen“: Eskalation bis zur Straftat

Niemand hat das Recht, die Durchführung einer (nicht verbotenen) Versammlung zu stören! Folgen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gegenprotestes der polizeilichen Aufforderung zur Räumung der Versammlungsstrecke nicht – sie sitzen die Situation also im wahrsten Sinne des Wortes aus –, liegt eine grobe Störung und somit strafbares Handeln vor. Von strafprozessualen Maßnahmen (z. B. Identitätsfeststellungen) abgesehen, wird die Polizei Berlin auch dann eine kommunikative Lösung anstreben, bis ihr letztlich nur noch die Auflösung der Versammlung und Platzverweise oder gar unmittelbarer Zwang bleiben.

Geheimhaltung der Strecken von Versammlungen

Gerade konkurrierende Versammlungen machen eine Abstimmung der Versammlungsorte und -strecken erforderlich. Selbstverständlich wird die Polizei stets versuchen, jeder Versammlungsleitung den gewünschten friedlichen Protest dort, wo sie es möchte, zu ermöglichen. Grundlage hierfür ist dann eine Rechtsgüterabwägung, die eventuell eine Abweichung von den geplanten Strecken und/oder Orten erforderlich machen kann. Bereits im Vorfeld hierzu wird in Teilen versucht, durch eine sehr frühzeitige Anmeldung zu verhindern, dass die „Gegen-Versammlung“ bestimmte Örtlichkeiten für sich beanspruchen kann.

Die Polizei Berlin hat nun die schwierige Aufgabe, in Kooperationsgesprächen mit allen Versammlungsleitungen, diese unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen in Einklang mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit zu bringen. Neben der Gewährleistung eines möglichst störungsfreien Verlaufs sämtlicher Versammlungen sind jedoch auch Rechte Dritter zu berücksichtigen. Nach meist aufwendigen Verhandlungen ist „eine Lösung für alle“ nicht selten nur unter Auflagen durch die Versammlungsbehörde hinsichtlich der Versammlungsorte oder -strecken möglich. Klagt eine „Partei“ gegen diese beschränkende Verfügung, verzögert dies zusätzlich eine zeitgerechte Bekanntgabe. Erst nach Abschluss dieses (Gesamt-)Verfahrens kann die Polizei Berlin gesichert, umfangreich und differenziert über Versammlungsort oder -strecke informieren.