Zugangszahlen 2020 gesunken – neue Wohnformen für Geflüchtete in Entwicklung
Auch eine Pandemie bringt Flucht nicht zum Erliegen – dies ist eine der Erkenntnisse des vergangenen Jahres. Trotz zeitweise geschlossener Grenzen wurden 2020 insgesamt 4.589 Asylsuchende neu in Berlin aufgenommen. Das ist ein Rückgang des Zugangs von rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2019: 6.316 Personen), aber es kamen mehr Menschen an als zu Beginn der Pandemie vermutet. Das Coronavirus hat das LAF insgesamt vor große Herausforderungen gestellt. Darüber hinaus haben uns auch andere Themen beschäftigt, etwa die Entwicklung von neuen Unterkunftsformaten. Diese spielen auch in diesem Jahr eine wichtige Rolle.
LAF Präsident Alexander Straßmeir: „Das vergangene Jahr stand auch für uns im Zeichen der Bewältigung der Pandemie – sowohl in den Unterkünften als auch in unseren Publikumsbereichen. Es ging darum, als Sozialbehörde die Existenz der geflüchteten Menschen weiterhin verlässlich zu sichern und dabei allen Beteiligten den größtmöglichen Schutz vor Ansteckung zu bieten. Anders als zu Beginn der Pandemie von manchen befürchtet, konnten wir das Infektionsgeschehen bislang weitgehend unter Kontrolle halten. Dies gelang vor allem durch die umfassende Testung von Neuankommenden, ein gutes Quarantäne-Management in Unterkünften, eine mehrsprachige Kommunikation mit der Bewohnerschaft und eine enge Zusammenarbeit mit unseren Betreibern und den Gesundheitsämtern der Bezirke.“
Zugangsentwicklung in Zeiten der Pandemie
Insgesamt gab es in Berlin 7.147 Erstmeldungen (2019: 9.999), der Zugang lag bei 4.589 Personen (2019: 6.316 Personen). Dabei gab es in der monatlichen Betrachtung der Zugangszahlen deutliche Schwankungen. Durch die Schließung der Grenzen ging der Zugang im Frühjahr zwischenzeitlich auf rund 250 bis 300 Personen monatlich zurück. Im Juli wurde wieder ein Niveau von fast 1.000 Erstmeldungen erreicht (Zugang: 449). Bei den Herkunftsländern ergeben sich leichte Veränderungen: Erstmals hat Moldau (541) Syrien (535) auf Jahressicht an der Spitze verdrängt, gefolgt von Afghanistan (530), der Türkei (380), Irak (155) und Iran (108).
Zusätzliche Plätze im Ankunftsbereich geschaffen
Durch die pandemiebedingten Hygiene- und Abstandsregelungen waren die Unterbringungs-kapazitäten im Ankunftszentrum in Reinickendorf zum Jahresende stark ausgelastet. Deshalb musste im November zusätzlich das Tempohome auf dem Gelände zur Aufnahme von Neuankömmlingen hinzugezogen werden. Darüber hinaus wurde der Neubau (MUF) des Ankunftszentrums früher als geplant bereits im Dezember 2020 in Betrieb genommen.
Das MUF-Neubauprogramm kommt voran
2020 sind in Steglitz-Zehlendorf und Marzahn zwei Unterkunfts-Neubauten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen neu eröffnet worden. Der Neubau am Murtzaner Ring in Marzahn mit modernen Wohnungen ist besonders für Familien geeignet und beherbergt eine öffentliche Kita. Insgesamt sind 2020 knapp 1.500 Unterkunftsplätze in Neubauten und sanierten Bestandsgebäuden entstanden, dazu kommen mehr als 400 Kurzzeit-Plätze im Neubau des Ankunftszentrums. 2021 werden weitere MUF eröffnet, beginnend mit der neuen Wohnanlage in der Falkenberger Straße in Pankow, der ersten Gemeinschaftsunterkunft, die weitgehend eigenständiges Wohnen in Wohnungen ermöglicht, auf Security und Zaun verzichtet und ein Begegnungscafé für die Nachbarschaft integriert.
Neue Unterbringungskonzepte in Erprobung
Im neuen Jahr wird in der Unterkunftsverwaltung des LAF weiter an der Entwicklung und Etablierung neuer, zielgruppengerechter Unterbringungskonzepte gearbeitet. Mit dem Bezirk Treptow-Köpenick wird das LAF in der Unterkunft Fürstenwalder Allee in Treptow-Köpenick erstmals die gemeinsame Unterbringung von geflüchteten und anderen wohnungslosen Familien erproben.
Im Bezirk Mitte ist geplant, ein Kinder- und Jugendparlament in einer Unterkunft zu etablieren. Das LAF unterstützt diese Empowerment-Maßnahme und möchte die Erfahrungen und Methoden so aufbereiten lassen, dass alle Unterkünfte diese nachnutzen können.
Auch für die ehemals unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die nach erreichter Volljährigkeit aus Einrichtungen der Jugendhilfe in die Zuständigkeit des LAF wechseln, entwickelt das LAF gemeinsam mit Betreibern und der bezirklichen Jugendhilfe bedarfsgerechte Unterkunfts-Angebote, die den jungen Erwachsenen mehr Begleitung und Unterstützung ermöglichen.
Ein weiteres Ziel für 2021 ist, pflegebedürftigen Geflüchtete bis zur Feststellung ihres Pflegegrades ein angemessenes Unterbringungsangebot zu machen und die Integration in die Regelsysteme der Gesundheitsversorgung gezielt zu begleiten.
Pilotphase der gesamtstädtischen Unterbringung startet
Das LAF ist Kooperationspartner der Pilotphase für die kommende „Gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung“ (GStU), ein Konzept, das die berlinweite Platz-Vergabe für Wohnungslose auf völlig neue Füße stellt („Ein Bett auf Knopfdruck“). Unsere Aufnahmeeinrichtung Eschenallee im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird eine der GStU™-Pilotunterkünfte, in der die neue Belegungssoftware getestet wird.
Qualitätssicherung (QS) in Unterkünften
Die Abteilung QS kontrolliert die Sicherheit und Qualität der landeseigenen Unterkünfte. Dazu hat das Team im Jahr 2020 rund 200 Vor-Ort Kontrollen durchgeführt und neben Hygiene-Bedingungen und andere Qualitätskriterien überprüft. 2021 werden die Prüfinstrumente für Unterkünfte weiterentwickelt und ergänzt.
Mietsachgebiet – Vermittlung in eigenen Wohnraum
Trotz der angespannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt konnten 2020 insgesamt 2.097 Personen (1.232 Familien und Alleinstehende) noch während des laufenden Asylverfahrens eine eigene Wohnung beziehen. Die durchschnittliche Dauer der Wohnungssuche betrug 55 Wochen. Im Vorjahr konnten 1.984 Personen (1.219 Familien und Alleinstehende) im Leistungsbezug des LAF in eine Wohnung vermittelt werden.
Förderung ehrenamtlicher Projekte
2020 hat das LAF eine Reihe von ehrenamtlichen Projekten und Maßnahmen gefördert, ein Teil der Zuwendungsempfänger wird in 2021 weiter gefördert. Der größte Mittelempfänger ist das Beratungsforum Engagement für Geflüchtete (BFE), das die Ehrenamtskoordinator*innen der Unterkünfte schult und berät. Auch kleine und mittlere Projekte erhielten Fördermittel, zum Beispiel die „Lernbegleiter*innen“ für geflüchtete Kinder. Diese Maßnahme bewährte sich während des Lockdowns, wo viele Kinder in den Unterkünften (digitale) Unterstützung beim Lernen besonders brauchten. Insgesamt betrachtet hat die Pandemie das Engagement der Ehrenamtlichen deutlich erschwert, besonders wenn diese selbst zu Risikogruppen gehörten. Projekte, die sich – auch in dieser schwierigen Gesamtsituation – bewährt haben, will das LAF erstmals im September 2021 als „Good Practice“-Beispiele auf einem großen Ehrenamtstag vorstellen.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Pressestelle des LAF hat ab Sommer 2020 wieder Tage der offenen Tür in neu errichteten oder nach Sanierung wieder eröffneten Unterkünften durchgeführt. Dabei wurden neue pandemie-taugliche Formate entwickelt, etwa der „Espresso-Tag der offenen Tür“. Virtuelle Rundgänge, Fotos und FAQ stehen auf der Internetseite des LAF online zur Verfügung unter https://www.berlin.de/laf/wohnen/informationen-fuer-anwohner.
In Zeiten der Pandemie ist auch eine gute Information der Bewohnerschaft in Unterkünften wichtig. Die Pressestelle hat mit Unterstützung der Sprachmittler*innen im LAF mehrsprachige Informationskampagnen durchgeführt. Besonders zu erwähnen sind Audio-Podcasts zum Download mit Informationen rund um Covid-19 in 14 Sprachen, die nicht nur von von Menschen in Unterkünften, sondern weltweit abgerufen wurden.
Über das LAF
Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verantwortet alle Aufgaben rund um die Registrierung, Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in Berlin. Im Ankunftszentrum, im Registrierungs- und Leistungsbereich sowie in der Unterkunftsverwaltung sind aktuell rund 540 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. In den Unterkünften des LAF leben zum Jahreswechsel knapp 19.000 Menschen. Rund die Hälfte von ihnen haben das Asylverfahren bereits abgeschlossen.
Haben Sie Rückfragen zu einem der genannten Punkte? Dann kontaktieren Sie uns!
Sascha Langenbach, Pressesprecher
Tel. 20225-2008 oder E-Mail