Erinnerung an den Mauerfall von Reinhard Höfer
- September 2019
Am Abend des 9. November saß ich über einer Abrechnung – zu Hause in Berlin-Lichtenberg in meinem Arbeitszimmer.
Als meine damalige Lebensgefährtin hereinkam und etwas vom Mauerfall erzählte, erwiderte ich nur: „Lass mich in Ruhe arbeiten.“ Es war ja auch nicht zu glauben. Es war nicht zu fassen. Es konnte eigentlich gar nicht sein. Aber: Es geschah doch. Und so ist mir diese historische Nacht entgangen.
Am nächsten Morgen fuhr ich mit dem Auto zur Arbeit und hörte dabei im Radio die neusten Nachrichten, stürmte ins Büro zu Siegfried, meinem befreundeten Kollegen, und rief: „Ich fahre jetzt sofort nach West-Berlin, diese Chance kommt vielleicht nie wieder. Kommst Du mit?“
Er kam mit. Denn wenn ich dieses historische Ereignis verpasst hätte, würde ich mir heute noch Vorwürfe machen. Auf der Fahrt zum Grenzübergang an der Baumschulenstraße war mir nicht ganz geheuer. Erst einmal mussten wir anstehen. Das waren wir als DDR-Bürger gewöhnt.
Dann der große Augenblick: Wir fuhren über die Grenze. Noch immer standen West-Berliner Spalier und klopften auf die Wagendächer der langsam vorbeifahrenden Autos. Es war überwältigend. Es war ein seltsames, bis heute fast unbeschreibliches Gefühl: Schauer liefen mir den Rücken hinunter. Ich war den Tränen nahe. Und noch Jahre danach versagte mir beim Erzählen an dieser Stelle fast immer die Stimme.