Das Thema Zwangsheirat bewegt viele Menschen. Die aktuelle Erhebung für das Jahr 2022 des Berliner AK gegen Zwangsverheiratungen der Gleichstellungsbeauftragten Friedrichshain/Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung zeigt auf, wie hoch der Bedarf an Prävention und Aufklärung ist. Allein in Berlin gab es 496 Fälle von (drohender) Zwangsverheiratungen. 88 % der vollzogenen Zwangsverheiratungen fanden im Ausland statt, größtenteils während der Ferien.
Hier muss aber berücksichtigt werden, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt, da der größte Teil der Betroffenen keine Unterstützung bei Hilfseinrichtungen sucht, sondern aus Angst vor Konsequenzen und zum Teil auch aus Unwissenheit über mögliche Hilfsangebote die Unterdrückung und Gewalt erträgt.
Jedes Mädchen und jeder Junge hat das Recht, auf Liebe und selbst zu entscheiden, wen sie oder er heiratet. Dies gilt für Mädchen wie für Jungen, ganz unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe und Alter!
Seit 1. Juli 2011 ist Zwangsheirat ein Straftatbestand, der in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird. Das Gesetz dient zur Bekämpfung von Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften.
Der Artikel 16 (2) der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 besagt: „Die Ehe darf nur aufgrund der freien und vollen Willenserklärung der zukünftigen Ehegatten geschlossen werden“.
Bekämpfung von Frühehen
Um die besonders vulnerable Gruppe der Minderjährigen zu schützen, hat der Bundestag im Juni 2017 das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen verabschiedet, das seit 22. Juli 2017 in Kraft ist. Das Mindestheiratsalter liegt in Deutschland nun ausnahmslos bei 18 Jahren und gilt sowohl für Personen mit deutscher als auch Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Zusätzlich verbietet das Gesetz die Verheiratung oder gar Verlobung von Minderjährigen in einer traditionellen oder religiösen Zeremonie.
Ehen, die nach ausländischem Recht zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sind, in dem einer der Ehepartner*in 16 bis 17 Jahre alt war, sind aufhebbar (ausgenommen sind „Härtefälle“, diese sind z. B: schwere Krankheit, Suizidgefahr der/des Minderjährigen oder EU-Staatsangehörigkeit). Das Auf-hebungsverfahren wird bei den Familiengerichten auf Antrag eingeleitet, entweder auf Antrag der /des Minderjährigen oder auf Antrag der als zuständig bestimmten Behörde (in Berlin sind dies die Standes- und Rechtsämter in den Bezirken). Die Rechtsfolgen einer Aufhebung sind im Wesentlichen mit den Rechtsfolgen einer Scheidung vergleichbar. In den Fällen, in denen ein Ehepartner oder eine Ehepartnerin bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, gilt die Ehe als Nichtehe, d. h. als nicht geschlossen, sofern sie noch minderjährig nach Deutschland einreist.
Das Gesetz sieht auch vor, dass den betroffenen Minderjährigen – in aller Regel sind dies junge Frauen* – keine aufenthaltsrechtlichen Nachteile entstehen. Die minderjährigen Geflüchteten gelten als unbegleitet, wenn sie ohne ihre Sorgeberechtigen mit einem Ehepartner*in einreisen. Sie werden von den Jugendämtern in Obhut genommen und von den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe begleitet. Auch nach der Auflösung der Ehen bleiben die Jugendämter für diese jungen Menschen zuständig.