August 2024: Neuköllns Denkmal des Monats

Friedhofsmauer mit schwarzen Grabplatten

BÖHMISCHER GOTTESACKER

Der etwa 5.600 m² große Böhmische Gottesacker wurde 1751 angelegt und ist der zweitälteste Friedhof Berlins, der noch genutzt wird.

Aufbau

Er ist von Häusern und Mauern umschlossen und über zwei Eingangstore im Norden (Karl-Marx-Platz 10) und Süden (Kirchhofstraße) ist ein Zugang möglich. Zwischen den Eingängen verläuft eine mit Linden und Kastanien bestandene Allee. Im westlichen Teil des Friedhofs und im Norden befinden sich überwiegend individuell gestaltete, senkrecht stehenden Grabsteine, Wandgräber und Urnenfelder. Im Osten findet sich eine einheitliche Gestaltung aus schlichten, in Reihen liegenden Grabsteinen.

Geschichte

Der Friedhof beherbergt zahlreiche historische Grabsteine von böhmischen Exulanten. Exulanten sind Menschen, die in der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wegen ihres religiösen Glaubens aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Aufgrund des protestantischen Glaubens wurden viele Menschen aus Böhmen zu Beginn des 18. Jahrhunderts verfolgt. Auf Anfrage des böhmischen Predigers Johann Liberda (1700-1742) wurden ab 1737 etwa 350 böhmische Menschen, die aufgrund ihres Glaubens fliehen mussten, vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. in Rixdorf aufgenommen. Neben der heutigen Bethlehemskirche am Richardplatz begruben die Böhmer*innen zunächst ihre Toten. Aufgrund der sprunghaft angestiegenen Bevölkerung erwies sich der Friedhof in kurzer Zeit als zu klein. Am 3. September 1751 erhielten die drei böhmischen Gemeinden (lutherisch, reformiert und brüderisch) einen gemeinsamen Friedhof, der nach den Grundsätzen der Herrnhuter Brüdergemeine angelegt wurde.

Gestaltung

Der Böhmische Gottesacker war schlicht und einfach gestaltet. Einfachheit und Schlichtheit verkörpern für die Brüdergemeine die Gleichheit vor dem Tod. Die Gräber besaßen gleichförmige und gleichgroße Grabsteine und traten nicht auffällig hervor. Die Tafeln waren überwiegend aus Sandstein gefertigt und wurden bei der Beerdigung auf den mit Efeu bepflanzten Grabhügel gelegt. Die Inschriften der Tafeln waren reglementiert, sie beinhalteten den Namen des Verstorbenen, das Geburts– und Sterbedatum sowie den Geburtsort. Bis 1800 wurde die Beschriftung der Grabsteine in Tschechisch verfasst, danach überwiegend auf Deutsch.

Aufteilung

1898 wurde am Eingang vom Karl-Marx-Platz an Stelle eines Holzzaunes ein schmiedeeisernes Gittertor, errichtet. Es enthielt den Schriftzug „Böhmischer Gottesacker“, „Ich weiß, dass / mein Erlöser lebt“. 1903 wurden aufgrund von Unstimmigkeiten der drei böhmischen Gemeinden die Flächen auf dem Gottesacker neu verteilt. Östlich des Mittelweges wurde eine Fläche für die Bestattungen der Brüdergemeine festgelegt. Die Evangelische-Böhmisch-Lutherische Gemeinde bekam die westliche Seite des Weges zugesprochen. Der nördliche Teil zum Ausgang des Karl-Marx-Platzes wurde der Evangelisch-Reformierten Gemeinde zugesprochen. Die Aufteilung ist aufgrund der unterschiedlichen Erscheinungsbilder noch heute auf dem Gottesacker erkennbar. Der Teil der Brüdergemeine ist durch die einheitliche und schlichte Grabgestaltung deutlich von den anderen beiden Gemeinden unterscheidbar.

Zweiter Zugang

Aufgrund der Neuordnung wurde ein zweiter Zugang, in Form eines Tores mit Eisenblechplatten, mittig der neuen Mauer in der Kirchhofstraße errichtet. Über dem Eingang erhielt es den Schriftzug „Christus ist mein Leben / Sterben mein Gewinn“.
An der östlichen Mauer wurden 104 alte Grabtafeln angebracht, die vermutlich aufgrund der Neuverteilung des Gottesackers ihren Standort wechseln mussten.

Gedenktafel für Johann Liberda

2017 wurde zum 275. Todestag von Johann Liberda (1700-1742) eine Gedenktafel an der Brandwand zur Karl-Marx-Straße errichtet und eingeweiht. Auf dem Böhmischen Gottesacker befinden sich noch weitere Steinplatten bedeutender Persönlichkeiten: Jan Gilek (1707/09-1780), Mitbegründer der böhmischen Geflohenensiedlung Böhmisch-Rixdorf und Fluchthelfer, Andreas Grasmann (1704-1783), Prediger der Brüdergemeine und späterer Bischof. Viele Angehörige alteingesessener Familien, deren Mitglieder zu den frühesten Exulanten gehörten, beispielsweise die Familien Krystek, Motel, Maresch, Jansa, Wanzlik, Sponar, Matschat und Zoufall, sind zudem hier beigesetzt worden.

Verweilen und Nachdenken

Mit seinen historischen Grabsteinen, der einzigartigen Gestaltung und der ruhigen Atmosphäre ist der Böhmische Gottesacker ein Ort, der zum Verweilen und Nachdenken einlädt.

Weitere Informationen:

  • Öffnungszeiten: 8:00 bis 18:00 Uhr
  • Führungen: nach Voranmeldung
  • Veranstaltungen: Konzerte, Lesungen, Gottesdienste
  • Website des evangelischen Friedhofsverbands Berlin Stadtmitte : https://evfbs.de
Zugangtor zum Friedhof mit historischem Torbogen (Böhmischer Gottesacker) und Graffiti an den Torseiten
Zugangstor zum Böhmischen Gottesacker mit historischem Torbogen und Graffiti auf dem Tor
Gräber an einer Mauer
Friedhof mit Gräbern und Bäumen