Welche Gefährdungsmomente und Risikofaktoren gibt es?
Kinder und Jugendliche benötigen für eine gesunde Entwicklung die richtige Ernährung, körperliche Pflege, gesundheitliche Versorgung, emotionale Zuwendung, Aufsicht und Schutz sowie Anregung durch ihre Erziehungspersonen. Eine Kindeswohlgefährdung besteht immer dann, wenn diese Grundbedürfnisse gar nicht, beziehungsweise nicht ausreichend erfüllt werden.
Kindeswohlgefährdung
Die Kindeswohlgefährdung ist ein das Wohl und die Rechte eines Kindes (nach Maßgabe gesellschaftlich geltender Normen und begründeter professioneller Einschätzung) beeinträchtigendes Verhalten oder Handeln bzw. ein Unterlassen einer angemessenen Sorge durch Eltern oder andere Personen in Familien oder Institutionen (wie z.B. Heimen, Kindertagesstätten, Schulen, Kliniken oder in bestimmten Thearpien). Sie kann zu nicht-zufälligen Verletzungen, zu körperlichen und seelischen Schädigungen und / oder Entwicklungsgefährdungen bei einem Kind führen. Im Interesse der Sicherung der Bedürfnisse und des Wohls eines Kindes wird daher die Hilfe und eventuell das Eingreifen von Jugendhilfe-Einrichtungen und Familiengerichten in die Rechte der Inhaber der elterlichen Sorge notwendig.
Säuglinge und Kleinkinder sind in besonderem Maße betroffen. Vernachlässigung, körperliche Gewalt, seelische und sexuelle Misshandlungen von Kindern oder Jugendlichen sind in unserer Gesellschaft Probleme ersten Ranges. Häusliche Gewalt ist die am weitesten verbreitete Form von Gewalt überhaupt.
Vernachlässigung
Der Begriff der Vernachlässigung bezeichnet das gesamte Spektrum relevanter Unterlassungen. Bei der Vernachlässigung erhalten die Kinder oder Jugendlichen, die für ihr Überleben und Wohlergehen erforderlichen Maßnahmen (Ernährung, Bekleidung, Körperpflege, medizinische Versorgung, ungestörter Schlaf, altersgemäße emotionale Zuwendung, Schutz und Aufsicht durch Eltern oder Bezugsperson, Betreuung) nicht oder nicht ausreichend und werden dadurch beeinträchtigt und geschädigt.
Körperliche Gewalt
Körperliche Misshandlung ist gekennzeichnet durch die direkte Gewalteinwirkung auf das Kind oder den Jugendlichen, insbesondere Schlagen, Treten, Schütteln, Verbrennen, Würgen, Verätzen, Stichverletzungen zufügen, der Kälte aussetzen etc.. Die Mehrzahl der körperlichen Misshandlungen hinterlässt dabei sichtbare Spuren auf der Haut.
Seelische Misshandlung
Seelische oder psychische Gewalt sind Haltungen, Gefühle und Aktionen, die zu einer schweren Beeinträchtigung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Bezugspersonen und Kind bzw. Jugendlichen führen und dessen geistig-seelische Entwicklung zu einer autonomen und lebensbejahenden Persönlichkeit behindern , wie etwa Androhung von Gewalt und Vernachlässigung, Anschreien, Beschimpfen, Verspotten, Entwerten, Ausdruck von Hassgefühlen, Ausübung von Gewalt, Aufforderung an das Kind oder den Jugendlichen, andere zu vernachlässigen oder zu misshandeln.
Häusliche Gewalt
Gewaltsame Interaktionen im Elternhaus stehen in enger Beziehung zu psychosozialen Störungen, zum Auftreten von sozialabweichendem Verhalten und Kriminalität im Kindes- und Jugendalter, insbesondere durch das Miterleben von gewalttätigen Auseinandersetzungen (emotionale, körperliche und sexuelle Gewalthandlungen) zwischen den Eltern (Schlagen, Treten, Stoßen, Beschimpfen, Beleidigen, Demütigen, Verhöhnen, Entwerten, Vergewaltigen der Mutter).
Sexueller Missbrauch
Sexuelle Gewalttaten gegen Kinder oder Jugendliche sind alle sexuellen Handlungen mit, an oder vor einem Kind oder Jugendlichen, die dazu dienen, die eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Intimität, nach Macht und Kontrolle, nach Sex zu befriedigen , insbesondere das Einbeziehen des Kindes oder Jugendliche in eigene sexuelle Handlungen, Nötigung des Kindes oder Jugendlichen, sexuelle Handlungen vor den eigenen Augen durchzuführen, Aufforderung an das Kind oder Jugendlichen, sich mit und/oder vor anderen sexuell zu betätigen.
Risikofaktoren
Die wichtigsten Faktoren, die die Risiken erklären, finden sich in der Lebenslage der Eltern und machen deren Kinder besonders verletzbar: Arbeitslosigkeit, geringe formale Bildung, alleinerziehende Eltern, Migrationshintergrund, mehrere Kinder, psychische Erkrankung der Eltern – jeweils in Verbindung mit materieller Armut. Ein besonderes Problem liegt darin, dass die Risikofaktoren selten isoliert, vielmehr in der Regel kumuliert auftreten, etwa in der Kombination von geringem Einkommen, schlechten Wohnverhältnissen, unerwünschter Schwangerschaft und anderen Beeinträchtigungen.
Risikofaktoren sind insbesondere Sucht, psychische Krankheit, geistige Behinderung, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Kinderreichtum, angespannte finanzielle Situation, Schulden, Analphabetismus, Arbeitslosigkeit, Eltern- oder Partnerkonflikte, unerwünschte Elternschaft, kulturell bedingte Konflikte, mangelnde Integration in eigene Familie oder soziales Umfeld.
Folglich müssen Familien und Lebensgemeinschaften in schwierigen Lebenslagen früh identifiziert werden, um die Wahrscheinlichkeit einer Kindeswohlgefährdung und die hieraus folgenden Entwicklungsschäden zu senken. Bereits hier können präventive und unterstützende Angebote helfen.
Liegen bereits Anhaltspunkte einer Kindeswohlgefährdung vor, ist es erforderlich, unverzüglich tätig zu werden, insbesondere durch:
- Nachgehen von Hinweisen über Kindeswohlgefährdungen, Inaugenscheinnahme des gefährdeten Kindes oder Jugendlichen
- Einschätzung von Gefährdungssituationen
- Gespräche mit der Familie und allen Kooperationspartnern
- Aktivierung von Familienressourcen
Darüber hinaus ist das Jugendamt verpflichtet zur:
- Entwicklung eines Hilfe- und Schutzkonzeptes
- Ggf. Anrufung des Familiengerichtes
- Einleitung medizinischer oder sozialpädagogischer Diagnostik
- Hilfe zur Erziehung zur Unterstützung der Familie