Wissenstransfer im Bereich EU-Angelegenheiten
Bild: Sara Lühmann
Im Europa-Bereich des Bezirksamtes steht aktuell ein Personalwechsel bevor. Der langjährige EU-Beauftragte Friedrichshain-Kreuzbergs, Martin Kesting, geht zum Ende des Jahres in Rente. Neue EU-Beauftragte wird dann Carlotta Duken. Seit Oktober läuft der Wissenstransfer zwischen den beiden.
Martin Kesting ist seit 2009 als EU-Beauftragter tätig. Seit 1990 arbeitet er im Bezirksamt. Viele Jahre war er in der Jugendfreizeiteinrichtung Naunynritze in Kreuzberg beschäftigt, erst als Erzieher, später viele Jahre als Leiter. Die Entkommunalisierung zahlreicher Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen 2009 brachte für den studierten Sozialpädagogen eine Veränderung im Berufsweg mit sich. Gemeinsam mit anderen Kolleg*innen orientierte er sich innerhalb des Bezirksamtes neu. Die damalige Leiterin der Jugendförderung machte Martin Kesting auf die freie Stelle des EU-Beauftragten aufmerksam und sagte: „Das ist doch was für dich.“ Denn schon als Leiter der Jugendeinrichtung mit knappem Budget hatte der gebürtige Niedersachse regelmäßig Projektmittel aus EU-Geldern beantragt und war daher mit der Materie vertraut. Im Nachhinein stellt der 61-Jährige fest: „Die Entkommunalisierung hat gut in meine Biografie gepasst. Der Veränderungswille war da.“ Nach fast 20 Jahren in der Jugendarbeit in Kreuzberg 36 passte der Wechsel zu einem Schreibtischjob mit weniger Wirbel als in der Naunynritze gut. Voraussetzung für die Übernahme des neuen Postens war das berufsbegleitende Studium „European Public Management“ an der Hochschule für Wirtschaft und Recht. Auch Martin Kestings Sprachkenntnisse kamen ihm für den Europa-Job zugute. Er spricht fünf europäische Sprachen.
Zu seinen liebsten Projekten gehörten die seit dem Vorjahr laufende Solidaritätspartnerschaft mit dem Kiewer Bezirk Darnyzja. Ein weiteres Highlight ist für Martin Kesting das Verwaltungsaustauschprogramm „LoGo Europe“. Im Rahmen des Programms können jedes Jahr einige Mitarbeiter*innen des Bezirkes vier Wochen in einer Behörde im europäischen Ausland mitarbeiten, um dort einen Blick über den Tellerrand zu werfen und neuen Ideen für ihren Arbeitsbereich zu sammeln. In diesem Jahr waren fünf Kolleg*innen zum Austausch in Lissabon, London, Palermo und Wie. Das Austauschprogramm haben Martin Kesting und seine EU-Kolleg*innen aus den anderen Bezirken vor einigen Jahren selbst entwickelt und erfolgreich etabliert. Zum Aufgabenbereich gehörten auch zahlreiche Projekte, die der EU-Beauftragte gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung des Bezirksamtes umgesetzt hat, etwa das Programm „Lokal leben“ zur Förderung des nachhaltigen Tourismus in den Kiezen im Bezirk und zum Erhalt des lokalen Gewerbes oder „Schule –Betriebe interaktiv“ mit dem Friedrichshain-Kreuzberger Unternehmerverein. Im Projekt wurden Unternehmen mit Schülerinnen und Schülern in Kontakt gebracht, um diese für eine duale Ausbildung zu begeistern und den Fachkräftebedarf der kleinen und mittleren Unternehmen zu sichern.
Mit Langeweile im Ruhestand rechnet Martin Kesting nicht. „Ich bin künstlerisch aktiv, fotografiere, mache Skulpturen und Schmuck, betreibe gemeinsam mit Freunden eine Galerie und reise viel.“ Mittelfristig plant er, nach Tschechien umzusiedeln, von wo seine Frau stammt.
Seit vier Wochen ist nun Martin Kestings Nachfolgerin im Bezirksamt, in deren Biografie Europa seit jeher eine große Rolle spielt. Carlotta Duken hat in Bremen eine staatliche Europaschule besucht, in der Fachunterricht wie Geschichte oder Biologie in englischer Sprache unterrichtet wurden. Nach dem Abitur war sie im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes ein Jahr lang in Madrid, wo sie in einer Stiftung mitgearbeitet hat. „Das war damals ziemlich chaotisch und vieles bei dem Arbeitgeber lief überhaupt nicht so, wie es hätte sein sollen. Aber dennoch war das Jahr eine wichtige Erfahrung, bei der ich viel gelernt habe.“ Ihr Bachelor-Studium im Fach „International Studies“ absolvierte sie in Den Haag in den Niederlanden. Während ihres Masterstudiums verbrachte Carlotta Duken ein Erasmus-Auslandssemester in Frankreich. Nachdem sie ihren Master in „Internationale Beziehungen“ in Berlin und Potsdam abschlossen hatte, blieb sie dem Thema Europa in ihren Jobs weiterhin treu. Zuletzt war sie anderthalb Jahre in einer Werbeagentur beschäftigt, in der sie für die Europäische Kommission als Kundin arbeitete. Mit der Kampagne „Europa in meiner Region“ sollte die Europäische Union mehr ins Bewusstsein der Bürger*innen rücken und gezeigt werden, welche Projekte im Alltag und unmittelbaren Umgebung von der EU unterstützt, finanziert oder umgesetzt werden. „Dabei hatte ich aber das Gefühl, immer erst dazuzukommen, wenn schon alles erledigt ist. Mir fehlte die Möglichkeit mitzugestalten und manchmal auch die Sinnhaftigkeit des Jobs.“ Also schaute sich die 28-Jährige nach anderen Jobs um, fand die Stellenausschreibung des Bezirksamtes und bewarb sich: „Gerade für Kommunen mit ihren knapp bemessenen Haushalten ist die EU mit ihren Förderungen ein wichtiges Vehikel.“ Im Bezirksamt fühlte sich die neue Kollegin sehr herzlich aufgenommen und schwärmt: „Wir sind in unserer Organisationseinheit ein sehr dynamisches Team mit vielen großen Projekten.“
Aktuell sind die beiden EU-Beauftragten dabei, das Wissen, das Martin Kesting in der Funktion in über 14 Jahren angesammelt hat, zu übergeben, damit Carlotta Duken das Aufgabengebiet ab Dezember leiten kann. Der Bereich der EU-Beauftragten gehört seit Sommer dieses Jahres zur neu geschaffenen Organisationseinheit „Klima und Internationales“. „Der Bereich Internationales hat damit im Bezirk gerade eine Aufwertung bekommen, für die ich mich lange eingesetzt habe“; sagt Martin Kesting. Damit werden künftig klimarelevante EU-Projekte eine größere Rolle spielen.
Das nächste große EU-Thema steht im Juni 2024 an. Dann findet die Europawahl statt. Erstmals dürfen dann auch Jugendlich ab 16 Jahren wählen. Um diese neue Zielgruppe zu erreichen, möchte Carlotta Duken sich mit den EU-Beauftragten der elf anderen Bezirke zusammenschließen, um breit über diese Neuerung zu informieren.