Mit Susanne Torka verabrede ich mich zum Spaziergang. Unser Treffpunkt ist die Gartenkolonie in der Lehrter Straße. Obwohl ich seit vielen Jahren in Moabit lebe und dort mit Entdeckerfreude meine Runden drehe, ist dies eine mir völlig unbekannte Ecke. An der Straße gelegen, zwischen dem Geschichtspark Zellengefängnis und Häuserblocks, wirkt die Kolonie eher unauffällig und klein. Kein Ort, der das Interesse für mein Moabit bisher gelockt hatte. Ich bin gespannt.
Gartenkolonie Lehrter Straße
Mit Eintritt durch eins der grünen Tore werde ich von einer unerwarteten Weite und Farbenvielfalt überrascht. Liebevoll gestaltete Gärten, blühende Hecken, Sträucher und der Blick auf die entstehende Europacity erwarten mich. Der Weg durch die Gärten führt zu einem verwilderten Friedhof. Verwitterte Grabplatten, manche aus dem wuchernden Gestrüpp befreit, liegen dort rund um ein paar Bäume und erinnern an die Mitarbeiter der ehemaligen Haftanstalt. Im Hintergrund entsteht die Zukunft. Die ersten fertigen Gebäude des neuen Quartiers am Hauptbahnhof sind durch die Baumkronen zu sehen.
Zwischenraum
Wir biegen nach rechts ab. Vorbei an den Wärterwohnungen führt der Fußweg zum hinteren Eingang des Zellengefängnisparks. Linker Hand der Busbahnhof, Baustellen, Verkehrslärm, ein Komposthaufen und eine Wildblumenwiese. Rechter Hand die Gefängnismauer. Die Autos stauen sich neben uns auf ihrem Weg in den Tiergartentunnel. Es ist plötzlich sehr laut.
Ruhe im Zellenpark
Nur ein paar Meter und wir sind schon im Park. Sofort verstummt das geschäftige Treiben. Innerhalb der Mauern bleibt die Stadt draußen. Wenige Menschen halten sich hier auf. Eine weite Rasenfläche ist nur durch ein paar wenige Birken und Betonelemente durchbrochen. Sie vermitteln einen Eindruck des Gefängnisalltages. Ein dreieckiger Auslauf für einen Gefangenen, eine Zelle, Gitterstäbe. Gemeinsam schlendern wir durch den Park, genießen die Ruhe und das frühlingswarme Wetter. Kurz vorm Ausgang zur Lehrter Straße lerne ich noch etwas über Wildkräuter in der Stadt. Wir ernten Knoblauchrauke, die mich später am Tag auf einem Butterbrot nochmal an die Tour erinnert.
von Esther Klobe-Weihmann