Kammergericht gedenkt seines vor 50 Jahren ermordeten Präsidenten Günter von Drenkmann (PM 36/2024)

Pressemitteilung vom 11.11.2024

Am 10. November 1974, einen Tag nach seinem 64. Geburtstag, ermordeten Mitglieder der „Bewegung 2. Juni“ den Präsidenten des Kammergerichts Günter von Drenkmann, Berlins ranghöchsten Richter. Sein Tod markiert den Anfangspunkt des politischen Extremismus in der Geschichte der Bundesrepublik, der in den sog. „Deutschen Herbst“ mündete. Als Blumenboten getarnt, verschafften sich die Täter am Abend des Tattages Zutritt zu der Privatwohnung des Kammergerichtspräsidenten und seiner Ehefrau im Berliner Stadtteil Westend. Bei dem Versuch, von Drenkmann zu entführen, fielen Schüsse, von Drenkmann wurde getroffen und erlag binnen Minuten seinen schweren Verletzungen. In einem Bekennerschreiben nahm die „Bewegung 2. Juni“, die sich nach dem gewaltsamen Tod des Studenten Benno Ohnesorg während der Schah-Proteste am 2. Juni 1967 in Berlin gegründet hatte, Bezug auf den Tod des RAF-Mitglieds Holger Meins am Tag zuvor und rechtfertigte von Drenkmanns Tötung mit den „unmenschlichen Haftbedingungen in den Gefängnissen der BRD und Westberlins“. Dabei trug von Drenkmann für die kritisierten Verhältnisse keinerlei Verantwortung. Er, der Enkel des ehemaligen Präsidenten des Kammergerichts Edwin von Drenkmann, galt vielmehr als liberaler und unbelasteter Jurist, der sich den Nationalsozialisten verweigert hatte und bewusst erst nach dem Zweiten Weltkrieg in die Berliner Justiz gegangen war. Ihm zu Ehren wurde am 21. November 1974 vor dem Rathaus Schöneberg ein Staatsakt abgehalten, bei der auch der damalige Bundespräsident Walter Scheel eine Rede hielt, in der er die gesamte Bevölkerung zum Zusammenstehen für den Rechtsstaat aufrief.

Die Ermordung von Drenkmanns blieb ungesühnt, weil den diesbezüglich angeklagten Mitgliedern der „Bewegung 2. Juni“ vor Gericht keine einzelnen Tatbeiträge zugeordnet werden konnten.

Das Kammergericht wird am Montag, den 11. November 2024, in einer internen Veranstaltung gemeinsam mit Angehörigen des Verstorbenen seines ehemaligen Präsidenten gedenken.

Dr. Svenja Schröder-Lomb, Vizepräsidentin des Kammergerichts:

„Der Aufruf von Walter Scheel vor 50 Jahren ist weiterhin aktuell. Unser Rechtsstaat ist nicht selbstverständlich – wir alle müssen immer wieder für ihn einstehen, gerade auch und erst recht in unsicheren Zeiten, in denen wir uns heute – mitten in Europa – befinden. Der Rechtsstaat ist der Garant für ein Leben in Frieden und Freiheit. Und für einen funktionierenden Rechtsstaat bedarf es einer unabhängigen und stabilen Dritten Gewalt. Wir als Angehörige der Berliner Justiz tragen mit unserer Arbeit jeden Tag dazu bei, dass dieser wichtige Pfeiler des Rechtsstaats gestärkt wird – so wie es auch Günter von Drenkmann in seinem Amt als Präsident des Kammergerichts getan hat.“

Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte

Quelle: Michael Bienert, Das Kammergericht in Berlin – Orte, Prozesse, Ereignisse, 1. Aufl. 2018