Ein erweitertes Schöffengericht am Amtsgericht Tiergarten hat heute den 53-jährigen Polizeibeamten Peter G. aus Berlin wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Gerichts (in diesem Fall bestehend aus zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen) hat der Angeklagte am 29. Januar 2018 während einer Einsatzfahrt mit einem Polizeifahrzeug in Berlin-Mitte durch sein sorgfaltswidriges Verhalten einen Unfall verursacht, bei dem eine 21-jährige Frau gestorben war. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h – und damit viel zu schnell – sei der Angeklagte aus einer Tunnelausfahrt am Alexanderplatz in den Biegungsbereich der Grunerstraße eingefahren, obwohl er damit hätte rechnen müssen, dass sich dort Fahrzeuge befinden, deren Fahrer auf der Suche nach Parkplätzen waren. Auch die Geschädigte habe sich dort auf Parkplatzsuche befunden und sei zu diesem Zweck hinter der Tunnelausfahrt von einem der rechten Fahrstreifen nach links zur Mittelinsel gefahren, wo sich die Parkplätze befunden hätten. Aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit habe der Angeklagte beim Einfahren in diesen Bereich eine Kollision mit dem Auto der Geschädigten trotz eingeleiteter Bremsung nicht mehr verhindern können und so ihren Tod verschuldet.
Fahrlässig im Sinne des Strafrechts handelt, wer objektiv eine Sorgfaltspflicht verletzt und dadurch ein Rechtsgut verletzt. Diese Folge muss für den Täter bzw. die Täterin subjektiv vorhersehbar und vermeidbar gewesen sein.
Der Vorsitzende des Schöffengerichts sagte in seiner heutigen Urteilsbegründung, den Angeklagten treffe hier eine besonders erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung. Er sei wie „ein Geschoss aus einem Gewehrlauf“ aus dem Tunnel gefahren. Die sog. Inanspruchnahme von Sonder- und Wegerechten (Blaulicht und Martinshorn) hätte ihn nicht von der Pflicht entbunden, sein Fahrverhalten an die Gegebenheiten des Straßenverkehrs anzupassen. Auch der der Fahrt zugrundeliegende Einsatzbefehl rechtfertige nicht alles – insbesondere nicht die Gefährdung des Lebens anderer. Angesichts der Örtlichkeit, der Tageszeit und des Verkehrsaufkommens hätte der Angeklagte das Tempo seines Einsatzfahrzeuges nach dem Tunnel auf etwa 60 km/h drosseln müssen.
Soweit die Staatsanwaltschaft tateinheitlich zu diesem Vorwurf der fahrlässigen Tötung ursprünglich auch noch vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung infolge der Einnahme alkoholischer Getränke angeklagt hatte, so hatte das Gericht die Anklage diesbezüglich bereits nicht zur Hauptverhandlung zugelassen, weil die Beschlagnahme der zum Nachweis erforderlichen Dokumente entgegen einem gesetzlichen Beschlagnahmeverbot erfolgt sei und deshalb nach Auffassung des zuständigen Gerichts zu einem Beweisverwertungsverbot führte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Berufung oder der Revision angefochten werden.
Die schriftlichen Urteilsgründe werden frühestens in zwei Monaten zur Verfügung stehen.
Az.: 216 Ls 5/20
Lisa Jani
Sprecherin der Berliner Strafgerichte