„Ich gehöre zu den Dienstältesten hier“, sagt Neriman Kurt Seit 1990 ist sie Teil des Teams. Angefangen hat die Pädagogin damals im Schülerladen. „Dort habe ich bis 1996 die erste Generation an Schüler*innen betreut und habe danach in die Leitung des Familiengartens gewechselt.“ Sie selbst zog 1978 mit ihren Eltern nach Berlin und wohnte in der Kohlfurter Straße. „Wir kamen aus Aachen. Da war Kreuzberg im Schatten der Mauer schon eine große Umstellung und ziemlich befremdlich – und die Wohnumstände waren miserabel. Anfangs habe ich es gehasst“, erzählt sie. Aber es war auch eine bewegte politische Zeit, die sie prägte und dazu führte, dass sie bewusst immer bei freien Trägern in der Nachbarschaft gearbeitet hat, um Kreuzberg mit zu gestalten.
Seitdem hat sich der Kiez massiv verändert. Die Mauer fiel, die Gentrifizierung veränderte die Bevölkerung und das Gewerbe. Viele der Alteingesessenen sind inzwischen weggezogen. „Gefühlt wird jede freiwerdende Wohnung zu einer WG. Aber es kommt auch zu einer Verdichtung in den Wohnungen, weil es sich junge Erwachsene nicht leisten können, auszuziehen. Sie bleiben also bei ihren Eltern wohnen und gründen dort ihre eigene Familie.“ Viele der Entwicklungen bereiten Neriman Kurt Sorge: „Was Kreuzberg zu Kreuzberg macht, das sind die Leute. Wenn sie von den Monokulturen – von Hostels und Cafés verdrängt werden, was macht Kreuzberg dann noch aus? Wir müssen der Gentrifizierung etwas entgegensetzen.“
Außerhalb der Pandemie bietet das Stadtteilzentrum ein umfangreiches Kulturprogramm mit Ausstellungen, Lesungen, Vorträgen, mehrsprachigen Poetry Slams und Straßenfesten. „Die Ausstellungsflächen bei uns sind in der Regel zwei Jahre im Voraus ausgebucht. Das ist für viele ein Sprungbrett und einige Künstler*innen haben von hier aus schon Karriere gemacht“, erklärt die Leiterin. Die Räumlichkeiten des Familiengartens werden außerdem von Gruppen, Vereinen und Initiativen für ihre Treffen genutzt.
„Wir leisten in den Stadtteilzentren wichtige Gemeinwesenarbeit. Wir sind für viele die erste Anlaufstelle im Kiez und geben Informationen an die Anwohner*innen weiter. Wir kennen die Menschen hier vor Ort und verstehen uns als ihr Sprachrohr. Durch die tägliche Arbeit und das Netzwerken in der Nachbarschaft erkennen wir frühzeitig Bedarfe, die entstehen.“ Dabei schauen Neriman Kurt und ihre Kolleg*innen genau hin, welche Gruppen welche Bedarfe haben und gehen gezielt darauf ein. „Als Stadtteilzentrum und als Mitglied im Migrationsbeirat des Bezirksamtes schalten wir uns in aktuelle Debatten ein. Wir fragen nach, wir hinterfragen und wir geben Denkanstöße. Damit sind wir nicht immer bequem. Aber das sehe ich als unsere Aufgabe.“
Eine andere wichtige Säule ist Information und Beratung. Bei den Inhalten orientiert sich das Team an den Bedarfen der Menschen vor Ort. Es gibt Informationsabende zum Gesundheits- und Pflegesystem, weil viele derer, die in den 70ern und 80ern hier herzogen nun pflegebedürftig werden, aber auch Veranstaltungen, bei denen das Berliner Schulsystem erklärt wird. Auch der Bereich Umwelt und Ökologie spielt eine große Rolle. „Wir haben schon vor Jahrzehnten gemeinsam Hinterhöfe begrünt und die Kreuzberger*innen beraten, wie sie ihre Balkons ökologisch bepflanzen können.“ In den letzten Jahren spielten die Sensibilisierung für Plastik- oder Stromverbrauch eine große Rolle. „Viele unserer regelmäßigen Gäste verzichtet inzwischen auf Plastik im Alltag“, erklärt Neriman Kurt stolz.