„Es ist unsere Aufgabe in der Gemeinwesenarbeit, hinauszugehen in die Kieze und dort mit den Leuten zu sprechen. So erfahren wir, welche Themen die Menschen in der Nachbarschaft beschäftigen“, erzählt Bettina Bofinger, die im Nachbarschaftshaus Urbanstraße e.V. die Öffentlichkeitsarbeit betreut. Die gelernte Bibliothekarin ist 2012 über die FreiwilligenAgentur Willma zum Nachbarschaftshaus gekommen.
Durch die räumliche Nähe zu einer temporären Geflüchtetennotunterkunft in einer Turnhalle in der Geibelstraße arbeitet das Nachbarschaftshaus seit 2015 viel mit geflüchteten Menschen zusammen. „Wir haben viel von den Bedürfnissen und Sorgen dieser Menschen erfahren und so sind einige neue Angebote und Projekte entstanden“, sagt Bettina Bofinger. Auf diese Weise entstand 2018 etwa das Projekt Wohnscouting, das Geflüchtete bei der Wohnungssuche unterstützt.
Ganz neu ist das EmpowermentCafé für Frauen aus Westafrika , das an diesem Nachmittag im Mai pandemiebedingt im Garten stattfindet. „Die Idee für dieses neue Angebot ist aus unserem Eritreischen FrauenCafé heraus entstanden, das es schon einige Jahre gibt. Dabei kristallisierte sich heraus, dass auch Menschen aus den westafrikanischen Staaten das Bedürfnis nach gemeinsamem Austausch mit anderen haben, die aus der gleichen Region stammen. Wie man sieht, wird das neue Angebot gut angenommen – auch weil es parallel eine Betreuung für die Kinder gibt“, erläutert Markus Runge.
Die Zielgruppen der Angebote im Nachbarschaftshaus sind heute vor allem Erwachsene und ältere Menschen. Außerhalb der Pandemie gibt es Chöre und Singkreise, intergenerative Theatergruppen, Nähkurse und Gruppen für biografisches Schreiben. Außerdem zeigt das Nachbarschaftshaus regemäßig Ausstellungen. „Vor allem Künstler*innen aus den umliegenden Kiezen bekommen hier die Möglichkeit, erstmals ihre Werke zu präsentieren“, erzählt Bettina Bofinger. Dienstagnachmittags gibt es eine Selbsthilfefahrradwerkstatt, die von einem Mann geleitet wird, der als Geflüchteter nach Berlin kam. Auch eine niedrigschwellige Sozialberatung gibt es im Haus. Viele der Angebote und Projekte sind seit einem Jahr wegen der Infektionsschutzbestimmungen kaum oder gar nicht möglich. „Corona ist für uns eine echte Zäsur und wird unser Programm sichernachhaltig verändern. Wir werden danach schauen, was weitergeführt wird und was Neues entsteht“, stellt Markus Runge fest.
Da der Trägerverein auch Eigenmittel in die Finanzierung einbringen muss, kann der ehrwürdige Saal des ehemaligen Offizierscasinos, sofern gerade keine Pandemie herrscht, auch für private Feiern wie Geburtstage, Trauerfeiern, Weihnachtsfeiern, Hochzeiten oder Henna-Abende gemietet werden.
Das Nachbarschaftshaus wird aber auch von vielen anderen Initiativen, Vereinen und Gruppen für Vernetzungstreffen oder als Proberaum genutzt. Eine langjährige Nutzerin ist im Vorjahr ausgezogen: die Tanzschule Taktlos. „Generationen von Kreuzberger*innen aus den umliegenden Kiezen haben diese Tanzschule besucht und kannten das Nachbarschaftshaus vor allem über ihren Tanzunterricht!“, erinnern sich Bettina Bofinger und Markus Runge. Ein trauriger Abschied, aber auch Raum für Neues.
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Mehr über die Nachbarschaftszentren im Bezirk erfahren Sie auch in unseren Porträts des RuDi im Friedrichshainer Rudolfkiez und des Stadtteilzentrums Familiengarten in Kreuzberg.