Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und Blindenwerkstätten, Barrierefreiheit

Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und Blindenwerkstätten

Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigten Menschen mit Behinderung, die wegen der Art und Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Die Blindenwerkstätten sind den WfbM gleichgestellt. Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes und bieten Qualifizierungsmöglichkeiten und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse für Menschen mit Behinderungen an, deren berufliche Teilhabe besonders erschwert ist.

Inklusionsbetriebe, Blindenwerkstätten und WfbM bieten ein breites Spektrum an Fertigungsbereichen für Auftragsarbeiten und Eigenproduktionen sowie für Dienstleistungen an. Das Spektrum reicht von Holz- und Metallarbeiten über die Aktenvernichtung und Digitalisierung von Akten, Buchbinderei und Druckerei bis hin zum Garten- und Landschaftsbau, der Grünanlagenpflege, Catering und den Hauswirtschaft- und Malerarbeiten.

Nähere Informationen erhält man in den Internetportalen der Landesarbeitsgemeinschaften Werkstätten für behinderte Menschen einschließlich der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Berlin e.V. .

Bestehende vergaberechtliche Regelungen

Das Vergaberecht enthält folgende Regelungen im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen und Inklusionsbetriebe sowie Barrierefreiheit:

Beschränkung des Wettbewerbs auf Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Inklusionsbetriebe

Oberhalb der EU-Schwellenwerte können öffentliche Auftraggeber das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind. Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind (§ 118 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Gleiches gilt für die Vergabe von Konzessionen (§ 154 Nr. 1 GWB). Öffentlichen Auftraggebern und Konzessionsgebern wird damit die Möglichkeit eröffnet, Vergabeverfahren von vornherein auf Behindertenwerkstätten und Sozialunternehmen zu beschränken. Ein Vergabewettbewerb findet in diesen Fällen nur noch zwischen diesen Einrichtungen statt. Strukturellen Nachteile gegenüber regulär im Wettbewerb stehenden Unternehmen werden damit eliminiert.
Auch im Unterschwellenbereich können Liefer- und Dienstleistungsaufträge unter bestimmten Voraussetzungen der Vergabe an WfbM, Inklusionsunternehmen und Blindenwerkstätten vorbehalten werden (§ 1 Absatz 3 Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)).

Hieran anknüpfend kann dann als Vergabeart die Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden (§ 8 Absatz 4 Nr. 16 lit. a Unterschwellenvergabe (UVgO)). Das heißt, dass die Auftraggeber bis zu den EU-Schwellenwerten in einem vereinfachten Vergabeverfahren den Wettbewerb in einem nicht-öffentlichen Verfahren auf drei Inklusionsbetriebe, Blindenwerkstätten oder WfbM einschränken dürfen.

Die für die Vergabe von Bauleistungen anzuwendende Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) enthält keine entsprechenden Regelungen; daher wurden in der Allgemeine Anweisung für die Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben Berlins (Anweisung Bau – ABau) vergleichbare Regelungen für Werkstätten für behinderte Menschen aufgenommen.

Barrierefreiheit

Bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen (§ 121 Absatz 2 GWB).

Für sämtliche Beschaffungen, die zur Nutzung durch Personen vorgesehen sind, muss der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen zur Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufnehmen. Der Bundesgesetzgeber hat damit das Ermessen der öffentlichen Auftraggeber im Hinblick auf das sogenannte Leistungsbestimmungsrecht eingeschränkt; die Umsetzung erfolgt eigenverantwortlich durch die Fachbereiche der Landeseinrichtungen.

Soziale Aspekte bei der Vergabe von Aufträgen

Soziale Belange dürfen in unterschiedliche Phasen eines Vergabeverfahrens (Leistungsbeschreibung, Zuschlag, Vorgaben für die Auftragsausführung) einfließen (§ 97 Absatz 3 GWB bzw. § 2 Absatz 3 UVgO).

Leistungsbeschreibung, Zuschlagskriterien und die Vorgaben für die Auftragserfüllung müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Zuschlagskriterien, die sich auf bestimmte Eigenschaften eines Unternehmens beziehen, stehen nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung. Damit ist eine Bevorzugung von bestimmten Unternehmen, auch von Werkstätten für behinderte Menschen bzw. Inklusionsbetrieben vergaberechtlich unzulässig. Dies betrifft insbesondere folgende Zuschlagskriterien:

  • Bevorzugung von Unternehmen, die eine bestimmte Quote von Menschen mit Behinderungen beschäftigen oder einstellen,
  • Bevorzugung von Unternehmen oder Produktionsstätten mit Sitz in einer bestimmten Region,
  • Besserstellung von Unternehmen dahingehend, dass die Angebote noch als
    wirtschaftlich im Sinne des Vergaberechts gelten, wenn diese bis zu einem bestimmten Prozentsatz oberhalb des ansonsten preisgünstigsten Angebots lägen (Mehrpreisregelung). Siehe hierzu auch die Entscheidung der Vergabekammer Westfalen .

Vergaberechtlich zulässig wäre die Vergabe eines öffentlichen Auftrags auf der Grundlage einer (vertraglichen) Ausführungsbedingung, Menschen mit Behinderung bei der Leistungserbringung einzusetzen, die dem Auftragnehmer – durch den öffentlichen Auftraggeber oder eine andere Einrichtung – für den jeweiligen Leistungszeitraum zugewiesen werden. Der Auftragnehmer darf jedoch nicht zur Weiterbeschäftigung der behinderten Beschäftigten verpflichtet werden. Siehe hierzu auch die Beentjes-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes .

Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG)

Im BerlAVG ist die Verpflichtung enthalten, bei Beschränkten Ausschreibungen und Verhandlungsvergaben in angemessenem Umfang kleine und mittlere Unternehmen zur Angebotsaufgabe aufzufordern (§ 5 Absatz 2 BerlAVG). Sofern es sich bei Werkstatt für Menschen mit Behinderungen bzw. Inklusionsbetrieben um kleine und mittlere Unternehmen handelt, könnten auch sie von dieser Regelung profitieren.

Noch nicht in Kraft getretene Bestimmungen

Eine Bevorzugung der vorgenannten Betriebe bei den Zuschlagskriterien oder beim Zuschlag, wie durch die Spezialregelungen des § 224 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorgesehen, wird erst nach Maßgabe einer von der Bundesregierung zu erlassenden Verwaltungsvorschrift möglich sein; noch existiert diese aber nicht. Das Land Berlin ist wegen dieser gesetzlichen Zuweisung gehindert, eigene Regelungen zu erlassen. Ohne Spezialregelung bleibt es bei der Rechtslage, dass die Zuschlagskriterien oder Angebotswertungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen und sich nicht auf bestimmte Eigenschaften eines Unternehmens, in diesem Fall die Unternehmenseigenschaft einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen bzw. eines Inklusionsbetriebs, beziehen dürfen. Die Bevorzugten-Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 10. Mai 2001 (BAnZ. Nr. 109 S. 11773), die bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung nach § 224 SGB IX weiter anzuwenden sind, gelten ausschließlich für den Bund und seine Einrichtungen.