Rede der Preisträgerin 2024

Dankesrede zur Verleihung des Berliner Frauenpreises 2024

Ich bedanke mich sehr herzlich für diese Ehrung, die ich sehr bewusst als Mitglied im Deutschen Juristinnenbund entgegennehme, einem Frauenverband, in dem ich so viele kluge Frauen als Kämpferinnen für Frauenrechte und Unterstützerinnen erlebt habe. Ich danke dem Land Berlin und insbesondere der Senatorin und der Jury für diesen Preis. Susanne, danke dafür, dass du mich in gewohnter liebenswürdiger Pointierung schrecklich verlegen gemacht hast. Ich danke Suli Puschban und dem Mädchenchor, dass sie mit ihrer Musik den heutigen Abend zu einem Fest machen.
Ich möchte nun diese Gelegenheit nutzen, um endlich öffentlich zu bekennen:
Ja, es stimmt: gendern bedeutet den Untergang des Abendlandes. Und das ist gut so.
Der Untergang des Abendlandes wurde schon in der Debatte um das widernatürliche Frauenwahlrecht prophezeit. Von sehr alten und sehr weißen Männern. Aber damals zündete das nicht so recht. Denn eigentlich passierte erst mal gar nichts, schon deshalb, weil die Frauen hübsch konservativ wählten. Auch der Gleichberechtigungsartikel in der Verfassung, 30 Jahre später, den wir den tapferen Müttern des Grundge-setzes verdanken, führte nicht zu grundstürzenden Veränderungen.
Die übergroße Mehrheit der Frauen erduldete weiterhin klaglos festgeschriebene Geschlechterrollen, die Hausfrauenehe, geringeren Lohn und zahlreiche Ungleichbehandlungen. Sie wählten immer wieder brav die Parteien, die eben dies im Abendland für ganz und gar unentbehrlich hielten. Erst später, so nach so 20 Jahren, tat sich dann was. Aufmüpfige Frauen wurden sichtbar bei den Demonstrationen gegen den § 218. Die Familienrechtsreform beendete die gesetzliche Absicherung der Dominanz des Ehemannes über Frau und Kinder und damit die so notwendige Ordnung in der Keimzelle der Gesellschaft. Das merkten dann nicht nur ein paar alte weiße Männer und es blieb nicht mehr bei folgenlosem Gezeter über den drohenden Untergang des Abendlandes. Die ersten Bünde entrechteter Väter bildeten sich. Doch es ging ja seither immer weiter: gesetzliche Diskriminierungsverbote, Frauenförderung! Die Wirtschaft wankt. Quoten! Abertausende Männer verloren Posten und Karriere nur wegen einer Frau. Sexuelle Selbstbestimmung nicht nur für Männer!
All diese Fortschritte in der Gleichstellung waren mühselig erkämpft. Von Frauen, Frauengruppen und Frauenverbänden, die nicht lockerließen und lassen. Es gibt viele Personen im Raum, die dabei waren und sind. Noch mal danke dafür!
Und dann noch: gendern.Vordergründig wollen da eigentlich nur Personen, die nicht Männer sind, in der Sprache wahrgenommen werden. Schluss mit der Dominanz des männlichen Geschlechts in der Rede. Darum die ganze Aufregung, geradezu so lautstark wie die zur Vergewaltigung in der Ehe? „Genderwahn“ hat Priorität in Programmen erschreckend erfolgreicher Parteien. Ist das eine erstaunliche Hellsicht der Männer für die Macht der Sprache? Gewiss nicht. Gendern steht bei ihnen für mehr. Der Begriff steht für alles, was die Frauenbewegung will: Gleichstellung. Vielfalt, Geschlechtergerechtigkeit.
Mehr und mehr Männer haben Veränderungen im Verhältnis der Geschlechter erfahren. Die eigentlich je zu kleinen, aber eben vielen Schritte zur Gleichberechtigung haben offensichtlich doch die Geschlechterordnung infrage gestellt. Gendern war einfach der eine Tropfen zuviel, der das Fass voll von Verunsicherung und
Frauenmißachtung überlaufen lässt. Das Herrschaftsversprechen des Patriarchats bröckelt. Den Männern schwant: Wenn den Feministinnen und ihren männlichen Kollaborateuren nicht Einhalt geboten wird, dann tritt das ein, was die alten weißen Männer schon beim Frauenwahlrecht prophezeit hatten:
Gefährdung von Familie und rechter Ordnung, vor allem Gefährdung des Wichtigsten: wahrer Männlichkeit.
Bedroht ist damit auch das Abendland. Dieses Phantasma ist doch durch und durch durchdrungen vom Herrschaftsverhältnis des einen, männlichen Geschlechts über die anderen. Und das schon ein paar 1000 Jahre. Abendland ohne Patriarchat? Unmöglich!
Wer inklusiv gendert, bejaht all die Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter, will Hierarchien aufbrechen und eine geschlechtergerechte, menschliche Gesellschaft. Die eine oder andere Kulturleistung des Abendlandes kann dabei durchaus bestehen bleiben, ja sogar erfreulich und dienlich sein. Aber: Wer gendert, bekennt sich zum Umsturz. Auch in den Medien, gar in Behörden: Umsturz! Da sehen sich viele Frauen überfordert und wahre Männer enteignet und bedroht. Deren Widerstand zeigt sich vielfältig, gerne in Verboten und allzu oft in Frauenhass und Hetze, auch Gewalt.
Das ist furchtbar und macht auch Angst. Aber so geht es zu in einer Revolution gegen ein männliches Abendland. Da müssen wir durch, widerborstig, kämpferisch, gemeinsam, unterstützend.
Also lasst uns öffentlich bekennen: Gendern bedeutet den Untergang des Abendlandes, eines männlich dominierten Abendlandes.
Und das ist gut so.
Das ist keine Dystopie, sondern Hoffnung und Ziel.
Gendern!