Beschäftigte im Gesundheitssystem nehmen eine zentrale Rolle ein im Erkennen von gewaltbedingten Verletzungen und Beschwerden. Ihre Reaktion kann bedeutend sein für weitere Schritte, die Frauen unternehmen. Im Ergebnis eines Kooperationsprojekts zwischen den für Frauen und für Gesundheit zuständigen Berliner Senatsverwaltungen unter Einbindung von Fachkräften aus Anti-Gewalt-Einrichtungen und dem Gesundheitswesen wurde 2007eine umfassende Bestandsaufnahme der bestehenden Versorgungssituation, bestehender Versorgungslücken, -defizite und dringender Bedarfe im ambulanten, komplementären und klinischen psychiatrischen Bereich sowie bei den Anti-Gewalt-Einrichtungen in Berlin veröffentlicht. Der Bericht formuliert erste Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen. Diese Arbeit erfolgte vor dem Hintergrund, dass viele von häuslicher und sexueller Gewalt betroffene Frauen im Verlauf ihres Lebens psychische bzw. psychosomatische Krankheiten entwickeln. Der Anteil an
Migrantinnen unter den Betroffenen ist hoch. Eine Zusammenarbeit zwischen den Anti-Gewalt-Einrichtungen Berlins und dem psychiatrischen Versorgungssystem wurde auf der Basis des Berichts angebahnt.
Als ein Modell für weitere Kooperationen dient die 2009 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen der Zufluchtswohnung im Bezirk Tempelhof/Schöneberg und dem Sozial-Psychiatrischen Dienst des Bezirks, der sich inzwischen weitere in dem Feld tätige Einrichtungen angeschlossen haben.
Das Angebot eines FrauenNachtCafès des Vereins Wildwasser e.V. für Frauen, die insbesondere nachts bei der Bewältigung von Ängsten und traumatischen Erlebnissen besondere Unterstützung benötigen, wurde deutlich erweitert. Die Gesundheitsverwaltung fördert seit 2010 eine „Koordinierungs- und Interventionsstelle zur Förderung und Weiterentwicklung der Prävention und Intervention in der gesundheitlichen Versorgung bei häuslicher und sexualisierter Gewalt“. Ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit besteht in der Sensibilisierung von Fachkräften des Gesundheitswesens. In Berliner Kliniken, für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in Kooperation mit der Berliner Ärztekammer Fortbildungen zum Erkennen von und zum Umgang mit gesundheitlichen Folgen
einer Gewalterfahrung durchgeführt.
Der Verein S.I.G.N.A.L.- Intervention im Gesundheitsbereich gegen häusliche und sexuelle Gewalt hat die Veröffentlichung des Staatenberichts der Bundesregierung zur “Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt” (sog. Istanbul-Konvention) am 01.09.2020 zum Anlass genommen, einen 3-minütigen Erklärfilm mit dem Titel „Signale wahrnehmen – statt wegschauen“ online zu stellen. Er wendet sich direkt an die Gesundheitsfachkräfte und stellt die zentralen Handlungsschritte für eine sensible gesundheitliche Versorgung von Betroffenen häuslicher und sexueller Gewalt vor.