Kinderwunsch, Schwangerschaft und Geburt

Schwangerschaft - auch jenseits der 30

Eine Vielzahl medizinischer Untersuchungen wird gesunden Frauen im Verlauf ihrer Schwangerschaft angeboten und empfohlen. Viele Frauen reagieren verunsichert. Was davon ist sinnvoll, um Risiken während der Schwangerschaft und Beeinträchtigungen beim Fötus rechtzeitig zu erkennen?

Kinderwunsch und seine Realisierung

Obwohl Frauen in Deutschland noch nie so gesund und gebildet waren wie heute, werden beinahe 75 % der Schwangeren – vor allem aufgrund ihres Alters – als Risikogruppe eingestuft – unter anderem alle Frauen ab 35 Jahren. Das hat Konsequenzen für ihr Erleben der Schwangerschaft. Angesichts einer Fülle von medizinisch-technischen Vorsorgeuntersuchungen, die darauf zielen, potenzielle Gesundheitsrisiken für Mutter oder Kind herauszufinden, ist es schwer für Frauen, Schwangerschaft und Geburt als eine positive Erfahrung wahrzunehmen. Dieses von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Schwangerenvorsorge auch angestrebte Ziel wird in Deutschland unverhältnismäßig überlagert von dem Ziel, Risiken für Mutter und Kind zu erkennen.

Da ab einem Alter von 30 Jahren allmählich das Risiko steigt, von Beschwerden wie Schwangerschaftsdiabetes oder Bluthochdruck betroffen zu sein oder von einer Chromosomenstörung des Fötus bzw. einer Fehlgeburt, setzen Untersuchungen auch bei gesunden Frauen mit unauffälligem Schwangerschaftsverlauf bereits hier an. So werden pränataldiagnostische Angebote allen Risikoschwangeren unterbreitet, auch wenn ein signifikant steigendes Risiko, zum Beispiel ein Kind mit %[en]Down%-Syndrom zu gebären, erst ab einem Alter von über 40 Jahren zu verzeichnen ist. Unter bestimmten Umständen werden diese Leistungen von den Kassen übernommen.

Künstliche Befruchtung

Die Wahrscheinlichkeit überhaupt natürlich schwanger zu werden, sinkt mit steigendem Alter. Damit treten diverse Untersuchungen und gegebenenfalls Behandlungen mit dem Ziel, eine Schwangerschaft zu ermöglichen, ins Blickfeld der Betroffenen. Sollten Methoden wie hormonelle Stimulation des Eisprungs oder Spermienübertragung, die Insemination, nicht erfolgreich sein, bleibt die künstliche Befruchtung, insbesondere die der In-Vitro-Fertilisation (IVF). Die Befruchtung der Eizelle erfolgt außerhalb des Körpers und die befruchtete Eizelle wird in die Gebärmutter transferiert. Seit 1992 wird in den meisten Fällen in Deutschland diese Methode mit einer intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) kombiniert, das heißt eine ausgewählte Samenzelle wird direkt in die Eizelle eingebracht. Für IVF-Behandlungen wird seit 2004 eine Eigenbeteiligung an 50 % der Kosten erhoben. Auf Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt das Land Berlin diese Kosten für Ehepaare und Paare, die in einer nichtehelichen Gemeinschaft leben.

Medikalisierung von Schwangerschaft und Geburt und ihre Folgen

Beinahe die Hälfte der Schwangeren erhalten mehr als die großzügig konzipierten 11 Vorsorgeuntersuchungen und 2/3 erhalten mehr als die vorgesehenen 3 Ultraschall-Untersuchungen, um das Risiko einer unerkannten Fehlbildung oder Behinderung zu reduzieren.
Mit Hilfe zusätzlicher zum Teil invasiver Angebote der Pränataldiagnostik (PND) als sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL) – zum Beispiel Fruchtwasseruntersuchungen, die auch eine Fehlgeburt auslösen können –, kann man bestimmte genetische Störungen beim Fötus feststellen, die zu Behinderungen führen. Für besonders schwere Störungsformen sowie bei einem hohen Risiko für die Gesundheit der Mutter wird ihr die Möglichkeit zur Abtreibung auch nach der 24. Woche eingeräumt.
Auch die Geburt selbst ist begleitet von medizinischen Interventionen. Bei klinischen Geburten erleben weniger als 10 % der Gebärenden eine normale Geburt ohne medizinische Eingriffe. Wehenmittel, Dammschnitte und schmerzlindernde Mittel werden häufig eingesetzt.
Ca. 1/3 der Frauen entbinden durch einen Kaiserschnitt.
1990 betrug der Anteil in Deutschland noch 15,7 %.
Lediglich ca. 10 % der Kaiserschnitte sind durch eine Gefährdung für Mutter und/oder Kind begründet. Die enorme Steigerung lässt den Schluss zu, dass ein Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe erfolgt ist: es erfolgt eine Abwägung geburtsmedizinischer Risiken von vaginaler Geburt und Kaiserschnitt – bezogen auf Mutter und Kind(er). Dabei führen die gesunkenen Risiken einer Kaiserschnittentbindung für die Mutter, die sogenannte „sanfte Sectio“, genauso zu ihrer höheren Akzeptanz wie die Angst vor Schmerzen bei einer vaginalen Entbindung, aber auch vor Inkontinenz oder vor dem Verlust des sexuellen Erlebens bzw. der Wunsch nach Planbarkeit und Kontrolle. Die beschriebenen Vorteile überlagern bisweilen den Blick auf die Risiken und Nachteile der Sectio. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz des bundesweit organisierten Ausschusses gesundheitsziele.de für die Etablierung der „Gesundheit rund um die Geburt“ als eigenständiges Gesundheitsziel, ein wichtiger Schritt, um die Zielprozesse und prioritären Handlungsfelder in diesem Bereich konzeptionell weiterzuentwickeln und die natürliche Geburt zu stärken.

Ein nicht gewolltes Kind wird geboren

Immer wieder wird in den Medien über tot aufgefundene Säuglinge und damit im Zusammenhang eingeleitete Ermittlungsverfahren berichtet. Frauen, die sich dazu entschließen, ihr Neugeborenes zu töten, sehen darin den einzigen Ausweg aus einer ansonsten scheinbar ausweglosen Situation. Die vielfältigen Angebote zur rechtzeitigen Beratung und Unterstützung im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft haben sie in der Regel nicht erreicht. Aus dem Wunsch, diese Frauen vor solch einer gravierenden Verzweiflungstat zu bewahren, sind von Berliner Kliniken zwei Angebote ermöglicht worden – anonyme Geburten und „Babyklappen“. Fünf Berliner Kliniken haben für extreme Notlagen von Müttern die Möglichkeit geschaffen, den ungewollten Säugling anonym in ein an ihre Klinik angegliedertes Wärmebettchen zu legen. Mit der Möglichkeit zur anonymen Entbindung, das heißt ohne Angaben zu ihrer Person machen zu müssen, wird Mutter und Säugling eine Alternative zu einer unbegleiteten Geburt unter gefährdenden Bedingungen angeboten.

Seit 2014 gibt es darüber hinaus die gesetzlich verankerte Möglichkeit zur vertraulichen Geburt in einer Entbindungseinrichtung unter Wahrung des Wunsches nach Anonymität der Mutter. Im Unterschied zur anonymen Geburt erfolgt eine psychosoziale Begleitung der Mutter. Ihre persönlichen Daten werden vertraulich z.B. im Rahmen der Schwangerenberatung aufgenommen und bei der dafür zuständigen Bundesbehörde hinterlegt, so dass das Kind ab dem vollendeten 16. Lebensjahr die Möglichkeit hat, seine Herkunft zu erfahren, sofern die Mutter dem nicht gerichtlich widerspricht.

Links-Tipps/Literaturtipps/ Materialtipps

Informationen zum Anspruch auf PND-Kassenleistungen bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Pro Familia bietet Informationen, Hilfe und Unterstützung bei Fragen zu Sexualität und Partnerschaft, Schwangerschaft und Familienplanung.
Der Berliner Hebammenverband bietet werdenden Eltern umfassende Informationen.
Das feministische Frauengesundheitszentrum berät bei unerfülltem Kinderwunsch.