Zunächst scheint es so zu sein, dass eine gesunde Lebensweise – mit hinreichend Bewegung, gesunder Ernährung, ausreichendem Schlaf und der Vermeidung von Alkohol, Rauchen, Drogen und Stress – die konkreteste, preiswerteste und einfachste Möglichkeit ist, für die eigene Gesundheit zu sorgen. Das kann nicht hoch genug geschätzt werden. Andere Faktoren lassen sich nur begrenzt beeinflussen, sind bisher in ihren Auswirkungen auf die Gesundheit nicht hinreichend erforscht oder werden erst nach Ausbruch einer Krankheit als mögliche Ursache für sie wahrgenommen.
Die Erkenntnis, dass auch geschlechtsbezogene Unterschiede Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf von Erkrankungen haben, hat erst in den vergangenen 10-15 Jahren verstärkt Eingang in die krankheitsbezogene Forschung gefunden. So haben Männer und Frauen nicht nur eine unterschiedliche Lebenserwartung. Sie sind von anderen Krankheiten betroffen oder von den gleichen Krankheiten in unterschiedlicher Ausprägung und Weise. Frauen und Männer gehen verschieden mit ihrem Körper um und weisen Unterschiede im Gesundheitsverhalten bis hin zur Inanspruchnahme medizinischer Angebote auf. So ist neben Alter, Größe und Gewicht das Geschlecht ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor auf das Krankheitsgeschehen. An einigen signifikanten Beispielen soll das verdeutlicht werden.
Mädchen sind in Ihrer Suche nach Orientierung einer Flut medialer Informationen ausgesetzt, die ihnen suggerieren, dass es „toll“ ist, superschlank zu sein und sich Schönheitsoperationen unterziehen zu lassen. Oder aber es wird von ihnen aufgrund religiös-kultureller Traditionen erwartet, ihre Sexualität zu verbergen. Mit der Verinnerlichung solcher Wertstellungen kann bereits der Grundstein für eine frauenspezifische Erkrankung gelegt sein. Essstörungen, Sexualitätsstörungen, aber auch Depressionen oder Suchtverhalten können hier eine Ursache haben. Ein weiteres großes Gesundheitsrisiko für Mädchen und Frauen sind Gewalterfahrungen.
Krankheitsrisiken, die im Laufe des Lebens speziell oder in besonderem Maße Frauen betreffen oder bei Frauen eine spezifische Ausprägung erfahren, sind z. B. Brust- und Gebärmutterhalskrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Diabetes mellitus, Endometriose, Angststörungen und psychische Störungen mit körperlichen Beschwerden.
Zunehmend geraten auch die geschlechtsspezifischen Fähigkeiten und Merkmale von Frauen in die Nähe risikobelasteter Vorgänge: im Umfeld von Schwangerschaft und Geburt werden Frauen mit Risikoeinstufungen, Untersuchungen und Angeboten konfrontiert, die an Ängsten anknüpfen – vor Schmerzen, vor unberechenbaren Situationen im Umfeld der Geburt, vor Gesundheitsbeeinträchtigungen des Kindes.
In den Wechseljahren stehen wesentlich stärker Beeinträchtigungen Wohlbefindens und deren Behandlung im Blickfeld als eine Bestärkung der Frauen, diese Lebensphase für sich anzunehmen und ihr Positives abzugewinnen.