In jedem Jahr findet ein Austausch zwischen Schüler*innen des Konservatoriums in Kiriat Yam (Israel) und Schüler*innen unserer Musikschule statt. Begegnungen in Israel wechseln sich mit Begegnungen in Berlin ab. Lesen Sie im Folgenden einen Erfahrungsbericht dieser Begegnungen.
Analog zu dem Sprichwort „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“, könnte man auch sagen: „Wenn einer mit Reisenden zu tun hat, dann kann er was erzählen.“
Wir hatten als Familie das Glück, einige der jungen Menschen aus den vielfältigen internationalen Austauschprogrammen von Schulen, Musikschulen und Sportvereinen bei uns zu Gast zu haben; ob aus Heidelberg oder Würzburg, Kiew, Oslo oder Kopenhagen, Japan, Honduras oder Malaysia. Die Anlässe waren verschieden, die Gäste auch. Wir haben tolle Geschichten erzählt bekommen, waren eingeladen zu interessanten Informationsveranstaltungen, durften an Kulturprogrammen teilnehmen und haben großartige Konzerte gehört.
Anstrengend ist das schon manchmal. Der Lebensrhythmus ändert sich für eine Zeit, der Kühlschrank platzt aus allen Nähten, es müssen „Badpläne“ gemacht werden und die Dinge wechseln ihre Plätze so schnell wie sonst nie. Auf vieles kann man sich vorbereiten, auf manches nicht. Besonders ist mir der erste Besuch von Musiker*innen des Konservatoriums aus KiriatYam/ Israel im Austausch mit der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg in Erinnerung geblieben. In der Vorbereitung haben wir uns mit den jüdischen Speisegesetzen beschäftigt. Unter anderem darf „Milchiges“ und „Fleischiges“ nicht vom selben Teller gegessen werden. Wir haben uns also für vegetarisches Essen entschieden – und dann doch noch Pappteller gekauft, weil wir nicht daran gedacht hatten, dass auf unserem Geschirr ja schon beides zusammen gegessen wurde, und dieses also nicht mehr koscher war.
Am zweiten Tag des Besuchs, einem Samstag, war ein Ausflug mit Führung im Friedrichshainer Park geplant. Da strenggläubige Juden am Sabbat keine Fahrzeuge benutzen, sind wir von unserer Wohnung in Kreuzberg dorthin gelaufen und haben auch die anschließende Parkführung tapfer mitgemacht. Zwei Tage später gingen wir mit den jungen Musiker*innen am Lausitzer Platz abends etwas trinken. Zwei von ihnen waren mit einem Begleiter in einer Wohnung in der Nähe des Südsterns untergebracht. Wir brachten die drei zum Bus. Etwa eine halbe Stunde später riefen uns die Jungs an, sie seien immer noch im Bus, dieser würde immer weiter fahren und überhaupt nicht halten. Wir hatten vergessen zu erwähnen, dass man die Stoptaste drücken muss, um dem Fahrer zu signalisieren, dass man aussteigen möchte.
Letzes Jahr war ich die Reisende. Das Musikkonservatorium in Tel Aviv hatte Musiker*innen der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg eingeladen. Jürgen Kupke, der Klarinettenlehrer unserer Musikschule, hatte die musikalische Leitung übernommen und ich fuhr als Begleiterin mit.
In der Vorbereitung gab es viele Proben, Gastgeschenke wurden besorgt und Pässe verlängert. Einen Tag vor Beginn der Herbstferien ging es los. Mehr oder minder aufgeregt trafen sich alle am Flughafen. Glücklicherweise hatten wir genug Zeit eingeplant: Die sorgfältig ausgewählten Mitbringsel kosteten uns bei den Sicherheitskontrollen viel Zeit und einige Nerven. Ab dann war alles einfach.
Wir wurden sehr herzlich von den Gasteltern und Gastgeschwistern empfangen und durch die Mitarbeiter* innendes Konservatoriums über die gesamte Zeit sehr engagiert betreut. Wir besuchten interessante Seminare und Workshops und das tolle Wetter ließ nichts zu wünschen übrig. Wir haben gemeinsam Jerusalem besucht, im Toten Meer gebadet und an einer berührenden Führung in Yad Vashem teilgenommen. Die Proben und Konzerte in unterschiedlichsten Besetzungen ließen die Beziehungen in dieser Zeit enger und vertrauter werden.
Mit einzelnen Teilnehmer*innen sind wir zu dieser Reise aufgebrochen, als Gruppe sind wir zurückgekehrt. Oft gibt es, auch wenn es nur um einen Tag geht, erhebliche Schwierigkeiten, eine Schulbefreiung für diese Art von Reisen zu bekommen. Ich denke, dass die interkulturellen Erfahrungen, das politische und geschichtliche Wissen, die musikalischen Erlebnisse und persönlichen Begegnungen vielleicht wichtiger sind, als das, was Schule je vermitteln könnte. Vielleicht sollten gerade Schulleiter*innen Gäste aus aller Welt aufnehmen, um dies zu verstehen.
Text: Kathrin Freund (Schülermutter)