Die grüne Metropolregion in und um Berlin bietet für viele Tierarten einen adäquaten und sicheren Lebensraum. Das Zusammenleben von Mensch und Wildtieren führt zwar oft zu Konflikten, aber die Akzeptanz für ein „Leben miteinander“ nimmt bei den Bürgerinnen und Bürger stetig zu. Sie sorgen sich um ihre „wilden“ Mitbewohner und nehmen sich ihrer in tatsächlichen und vermeintlichen Notsituationen an. Leider finden sie sich dann oft allein gelassen und wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. In den vergangenen Jahren zeigte das NABU-Wildtiertelefon bis zu 4000 Anrufe (Beratung und Fundtieranzeigen) jährlich an und zwischen 1500 und 2000 Wildtiere wurden in der Kleintierklinik Düppel vorgestellt, darunter bis zu 400 Säugetiere. Es ist nicht bekannt, wie häufig verletzte Fundtiere bei niedergelassenen Tierärztinnen und Tierärzten behandelt oder abgewiesen werden und wie häufig Bürgerinnen und Bürger auf eine Vorstellung verzichteten, weil Anlaufstellen
(Kleintierklinik Düppel oder Zitadelle Spandau) zu weit entfernt sind. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung setzt sich seit langem für einen evidenz-gestützten Tier- und Naturschutz ein und ist der Überzeugung, dass auch Wildtiere das Recht auf eine angemessene tierärztliche Untersuchung, Behandlung und Pflege haben und dies nicht in der Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger liegen kann. Dazu wurde ein Konzept entwickelt, das einen breit angelegten Ansatz verfolgt und vor allem auch den Menschen einbezieht (Bürger:innen, Ehrenamtliche, Verbände). Unser Ziel ist es, (I) durch umfassende Beratung Notsituationen für Wildtiere zu verhindern, (II) durch Aufklärung zu verhindern, dass Wildtiere aus falsch verstandener Tierliebe entnommen werden, (III) schnelle und mobile tierärztliche Erstversorgung anzubieten, die dorthin geht, wo das Wildtier in Not aufgefunden wurde, (IV) eine Wildtierstation zu etablieren, in der verletzte Säugetiere bis zur
Auswilderung gepflegt werden können und (V) Auswilderungsprozesse wissenschaftlich zu begleiten, um deren Erfolg zu untersuchen. Das Leibniz-IZW sieht sich vor allem deshalb in der Verantwortung und als besonders geeignet für die Umsetzung, weil es die tierärztliche und die wissenschaftliche Kompetenz hat, um Behandlungen, Pflege und Rehabilitation von Fundwildtieren zu betreuen und durchzuführen, Auswilderungen wissenschaftlich und sachgerecht zu begleiten, deren Erfolg zu messen und zu beurteilen, sowie Stakeholder-Dialoge anzustoßen, zu begleiten und Konflikte zu lösen. Zudem betreibt das IZW in Brandenburg (Niederfinow nahe Eberswalde) eine Wildtierstation, in der einheimische Säugetiere (Rehe, Feldhasen, Murmeltiere, Fledermäuse, Esel, Ziegen, Wildmeerschweinchen etc.) gehalten, gezüchtet und erforscht werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit Berlin als grüne Metropole seine hohen Ansprüche an den Tier- und Naturschutz und die Erhaltung der
Biodiversität erfüllen und zu einem Vorreiter für Metropolregionen werden kann.
Kurzbiografie: Dr. Sylvia Ortmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Evolutionäre Ökologie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung. Nach ihrem Studium der Biologie/Zoologie an der Philipps-Universität Marburg und einem 6jährigen PostDoc am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam ging sie 2003 an das Leibniz-IZW. Dr. Ortmann interessiert sich vor allem für Anpassungsstrategien von Säugetieren an ihren Lebensraum und untersucht die Einflüsse von durch den Menschen verursachten Störungen wie z.B. Klimawandel. Dazu kombiniert sie Untersuchungen an Modelltieren in Menschenobhut mit solchen im Freiland, vom Trockenwald Madagaskars bis zur Metropolregion Berlins. Zudem ist sie wissenschaftliche Leiterin der Feldforschungsstation des Leibniz-IZW und entwickelte diese zu einer modernen Tierhaltung vor allem für anspruchsvolle Modelltiere wie Europäische Rehe, Feldhasen,
Murmeltiere, Wildmeerschweinchen etc. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf Erhaltung des Wildtiercharakters der Modelltiere und der stetigen Optimierung der Haltungsbedingungen. Dr. Ortmann engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Vorstand der Stiftung Naturschutz Berlin mit dem Ziel, den Naturschutz in der Metropole Berlin fest zu verankern, das Naturerleben zu fördern und die Akzeptanz für die „wilden“ Mitbewohner Berlins zu erhöhen.