11. Berliner Online-Tierschutzforum am 20.10.2021

Mann mit Fuchs auf dem Arm vor einem Zaun

Fuchsauffangstation Emberger

Braucht Berlin eine landeseigene Wildtierauffangstation?

Berlin ist bekannt für seine zahlreichen Wildtiere. Viele suchen in Berlin Zuflucht, da sie hier (meist) nicht be- bzw. gejagt werden und/oder weil sie hier bessere Lebensbedingungen vorfinden als in den umliegenden Kulturlandschaften. Gerade weil wir den Wildtieren ihren Lebensraum nehmen bzw. diesen stark reduziert haben und das Leben für sie unter uns Menschen oftmals kein leichtes ist, sind wir für diese Tiere ebenso verantwortlich wie für die Heimtiere und für die verwilderten Haustiere in unserer Stadt.

Zum 11. Berliner Online-Tierschutzforum am 20.10.2021 um 19 Uhr haben wir drei Expertinnen und Experten eingeladen, die ihre Arbeit für Wildtiere vorstellen werden und mit uns anschließend die Frage erörtern werden: Braucht Berlin eine landeseigene Wildtierauffangstation?
Vortragen werden:

1. Günther Annerl, Leiter des Wildtierservices, Wien
2. Dr. Sylvia Ortmann, Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierkunde (IZW), Berlin
3. Thorsten Emberger, Auffangstation für Füchse, Bayerischer Wald

Die drei genannten Expertinnen und Experten werden nach deren Vorträgen gemeinsam mit Prof. Dr. Heribert Hofer, Direktor des Leibniz Instituts für Zoo- und Wildtierkunde, und den Zuhörer*innen über notwendige Fürsorge-Maßnahmen für Berliner Wildtiere diskutieren.

Kostenfreie Anmeldung hier

Zu 1. Abstract zum Vortrag von Herrn Annerl, Leiter Wildtierservice Wien:

Günther Annerl wird die damalige Ausgangssituation für den Wiener Wildtierservice beschreiben und erläutern, wieso die Einrichtung des Wildtierservice Wien notwendig wurde. Er wird die rechtlichen Rahmenbedingungen (u.a. Jagdgesetz, Naturschutzgesetz, Tierschutzgesetz) aufzeigen und beschreiben, wie der Wildtierservice Wien organisiert ist. Insbesondere wird er über die Wildtierhotline, das Einsatzteam, die Wildtierfundbox, die Wildtierstation, die Auswilderung, die veterinärmedizinische und tierpflegerische Betreuung, das operative Wildtiermanagement im verbauten Gebiet (u.a. Verwendung von Lebendfallen), das strategischen Wildtiermanagement (u.a. fachliche Expertisen, wissenschaftliche Begleitung, Monitoring) und über Zahlen und Fakten aus den letzten drei Jahren, Kooperationen, Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Wildtiere“ und Kosten des Wildtierservices der Stadt Wien berichten.

Kurzbiografie: Günther Annerl ist ausgebildeter Förster mit etlichen Zusatzqualifikationen und seit über 25 Jahren bei der Stadt Wien beschäftigt. Seit nunmehr über 15 Jahren ist er Leiter eines Bereichs, welcher thematisch u.a. das Personalmanagement, die Öffentlichkeits- und Medienarbeit, die forstlichen Nebenbetriebe sowie das Wildtiermanagement beinhaltet. Anfang 2018 wurde er zum Thema Wildtierservice Wien mit der Konzeption und Planung sowie der Umsetzung beauftragt. Das Wildtierservice Wien – dessen Leiter er nunmehr ist – hat seinen Betrieb mit 01.01.2019 aufgenommen und besteht aus mehreren Bereich (Einsatzteam, Wildtierfundbox, Wildtierstation, …), welche er im Rahmen des Vortrags näher beschreiben wird.

Zu 2. Abstract zum Vortrag von Frau Dr. Sylvia Ortmann: Wildtierkompetenz-Zentrum IZW

Die grüne Metropolregion in und um Berlin bietet für viele Tierarten einen adäquaten und sicheren Lebensraum. Das Zusammenleben von Mensch und Wildtieren führt zwar oft zu Konflikten, aber die Akzeptanz für ein „Leben miteinander“ nimmt bei den Bürgerinnen und Bürger stetig zu. Sie sorgen sich um ihre „wilden“ Mitbewohner und nehmen sich ihrer in tatsächlichen und vermeintlichen Notsituationen an. Leider finden sie sich dann oft allein gelassen und wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. In den vergangenen Jahren zeigte das NABU-Wildtiertelefon bis zu 4000 Anrufe (Beratung und Fundtieranzeigen) jährlich an und zwischen 1500 und 2000 Wildtiere wurden in der Kleintierklinik Düppel vorgestellt, darunter bis zu 400 Säugetiere. Es ist nicht bekannt, wie häufig verletzte Fundtiere bei niedergelassenen Tierärztinnen und Tierärzten behandelt oder abgewiesen werden und wie häufig Bürgerinnen und Bürger auf eine Vorstellung verzichteten, weil Anlaufstellen (Kleintierklinik Düppel oder Zitadelle Spandau) zu weit entfernt sind. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung setzt sich seit langem für einen evidenz-gestützten Tier- und Naturschutz ein und ist der Überzeugung, dass auch Wildtiere das Recht auf eine angemessene tierärztliche Untersuchung, Behandlung und Pflege haben und dies nicht in der Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger liegen kann. Dazu wurde ein Konzept entwickelt, das einen breit angelegten Ansatz verfolgt und vor allem auch den Menschen einbezieht (Bürger:innen, Ehrenamtliche, Verbände). Unser Ziel ist es, (I) durch umfassende Beratung Notsituationen für Wildtiere zu verhindern, (II) durch Aufklärung zu verhindern, dass Wildtiere aus falsch verstandener Tierliebe entnommen werden, (III) schnelle und mobile tierärztliche Erstversorgung anzubieten, die dorthin geht, wo das Wildtier in Not aufgefunden wurde, (IV) eine Wildtierstation zu etablieren, in der verletzte Säugetiere bis zur Auswilderung gepflegt werden können und (V) Auswilderungsprozesse wissenschaftlich zu begleiten, um deren Erfolg zu untersuchen. Das Leibniz-IZW sieht sich vor allem deshalb in der Verantwortung und als besonders geeignet für die Umsetzung, weil es die tierärztliche und die wissenschaftliche Kompetenz hat, um Behandlungen, Pflege und Rehabilitation von Fundwildtieren zu betreuen und durchzuführen, Auswilderungen wissenschaftlich und sachgerecht zu begleiten, deren Erfolg zu messen und zu beurteilen, sowie Stakeholder-Dialoge anzustoßen, zu begleiten und Konflikte zu lösen. Zudem betreibt das IZW in Brandenburg (Niederfinow nahe Eberswalde) eine Wildtierstation, in der einheimische Säugetiere (Rehe, Feldhasen, Murmeltiere, Fledermäuse, Esel, Ziegen, Wildmeerschweinchen etc.) gehalten, gezüchtet und erforscht werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf, damit Berlin als grüne Metropole seine hohen Ansprüche an den Tier- und Naturschutz und die Erhaltung der Biodiversität erfüllen und zu einem Vorreiter für Metropolregionen werden kann.

Kurzbiografie: Dr. Sylvia Ortmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Evolutionäre Ökologie des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung. Nach ihrem Studium der Biologie/Zoologie an der Philipps-Universität Marburg und einem 6jährigen PostDoc am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam ging sie 2003 an das Leibniz-IZW. Dr. Ortmann interessiert sich vor allem für Anpassungsstrategien von Säugetieren an ihren Lebensraum und untersucht die Einflüsse von durch den Menschen verursachten Störungen wie z.B. Klimawandel. Dazu kombiniert sie Untersuchungen an Modelltieren in Menschenobhut mit solchen im Freiland, vom Trockenwald Madagaskars bis zur Metropolregion Berlins. Zudem ist sie wissenschaftliche Leiterin der Feldforschungsstation des Leibniz-IZW und entwickelte diese zu einer modernen Tierhaltung vor allem für anspruchsvolle Modelltiere wie Europäische Rehe, Feldhasen, Murmeltiere, Wildmeerschweinchen etc. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf Erhaltung des Wildtiercharakters der Modelltiere und der stetigen Optimierung der Haltungsbedingungen. Dr. Ortmann engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Vorstand der Stiftung Naturschutz Berlin mit dem Ziel, den Naturschutz in der Metropole Berlin fest zu verankern, das Naturerleben zu fördern und die Akzeptanz für die „wilden“ Mitbewohner Berlins zu erhöhen.

Zu 3. Abstract zum Vortrag von Thorsten Emberger: Aufnahme, Aufzucht und Auswilderung von in Not geratenen Fuchswelpen*

Wenn noch unselbstständige Fuchswelpen ihre Mutter verlieren, dann ist das meist die Folge menschlichen Handelns. Und während man früher diese hilflosen Wildtiere an den Jäger oder die Jägerin ausgehändigt hat ohne viel zu hinterfragen, wird heute in aller Regel eine artgerechte Unterbringung angestrebt. Häufig werden diese Welpen dann von der Fuchsauffangstation “Frecher Fuchs” in Bayern aufgenommen, gepäppelt, versorgt, aufgezogen und später auch wieder ausgewildert. Der Vortrag von Herrn Emberger befasst sich mit den Beweggründen zum Aufbau und dem Betrieb der Auffangstation für Füchse; der Lage, Umfang und Struktur der Station; dem Ablauf von der Aufnahme bis zur Wiederauswilderung; der Diagnose und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen sowie mit besonderen Herausforderungen und Grenzen, belastenden und frustrierenden Faktoren und mit der Öffentlichkeitsarbeit der Auffangstation “Frecher Fuchs” (Workshops, Schulunterricht, Fuchspatentage).

Kurzbiografie: Thorsten Emberger betreibt seit gut 10 Jahren eine Auffangstation für Füchse im Bayerischen Wald. In einem der größten Fuchsgehege Deutschlands wachsen jedes Jahr verwaist aufgefundene Welpen auf, die im Spätsommer / Herbst nach Vorbereitung auf das Leben in Freiheit wieder ausgewildert werden. Das Gehege gilt wegen der natürlichen und abwechslungsreichen Struktur als Fuchsparadies. Im Frühjahr 2021 wurde es um 600 Quadratmeter zusätzliche Fläche erweitert. An der Aufzucht beteiligt sind außerdem mehrere Altfüchse, die bedingt durch gesundheitliche Einschränkungen/ Handicaps dauerhaft in der Station bleiben. Zusammen mit seiner Partnerin führt Thorsten Emberger die Auffangstation ehrenamtlich, neben seinem Beruf in der Automobilindustrie. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich in Theorie und Praxis intensiv mit dem bei uns heimischen Rotfuchs, referiert in Schulen, bei Tierschutz- und Tierrechtsverbänden sowie politischen Organisationen über Fuchs- und Wildtierschutz und bietet im Rahmen der Fuchspatentage Workshops an. Unterstützt wird das Projekt von Wildtierschutz Deutschland e.V.