Pressemitteilung des Landestierschutzbeirats Berlin vom 25. März 2024

Ist die Schweinehaltung in Deutschland rechtskonform? – Justizressort erwägt Rücknahme des Normenkontrollantrags

Tierschutzbeirat Berlin zeigt sich besorgt und fordert zeitnahe Anhörung

Die Justizsenatorin von Berlin hat am 6. März im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses angedeutet, dass sie nach abschließender Prüfung den im Jahr 2019 durch den damaligen Berliner Senat eingereichten Normenkontrollantrag gegen die bestehenden Regelungen zur Schweinehaltung ggf. zurücknehmen wird.

Der Tierschutzbeirat des Landes Berlin ist sehr besorgt über diese Ankündigung und hat sich daher im Rahmen einer eilig einberufenen Sondersitzung am 14. März hierüber beraten. Aus einvernehmlicher Sicht des Beirates gibt es keine überzeugenden Gründe, die eine Rücknahme des Normenkontrollantrages rechtfertigen könnten.

Die Senatorin hat ein solches Vorgehen im Rechtsausschuss zunächst mit dem Hinweis begründet, dass Berlin nicht unmittelbar von den Regelungen betroffen sei. Darüber hinaus hat sie – ohne nähere Konkretisierung – auf Änderungen im streitgegenständlichen Normengfüge der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) nach Einreichung des Antrags im Jahr 2019 sowie auf europarechtliche Vorgaben hingewiesen, die die seinerzeit eingelegte Normenkontrolle nicht mehr notwendig erscheinen lassen. Diese Einwände überzeugen aus Sicht des Beirates nicht.

Auch wenn Berlin nur eine vergleichsweise geringe Zahl von schweinehaltenden Betrieben aufweist, gibt es ein großes öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens. Vorliegend geht es um die Klärung der Verfassungsmäßigkeit einer Bundesrechtsverordnung. Für das öffentliche Interesse ist daher allein das bundesweite Ausmaß der Schweinehaltung in den Blick zu nehmen. Das ergibt sich nicht zuletzt aus dem rein objektiven Charakter der abstrakten Normenkontrolle; auf eine subjektive Rechtsverletzung bzw. Betroffenheit eines antragstellenden Landes kommt es nicht an. Im Übrigen wird von den ca. 3,8 Millionen Einwohnern in Berlin in großem Umfang Schweinefleisch aus den streitgegenständlichen Haltungen nachgefragt. Daher trägt das Land Berlin in nicht unerheblichem Ausmaß zu einer Fortsetzung der Haltungsbedingungen von Schweinen, wie sie in der TierSchNutztV geregelt sind, bei.

Auf die vermutlich von der Senatorin gemeinten Änderungen der am 09.02.2021 in Kraft getretenen siebten Änderungsverordnung zur TierSchNutztV hat die Vorgängerregierung mit einem Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2021 in ausreichender Weise reagiert. Auch die europarechtlichen Einwände sind für den Beirat nicht nachvollziehbar. Die EU-Richtlinie des Rates über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen hindert den nationalen Gesetzgeber jedenfalls nicht daran, weitergehende Haltungsanforderungen für Schweine vorzusehen.

Auch eine aktuelle Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Österreich vom 13.12.2023 unterstreicht die Bedeutung der Klage: Danach ist es bereits verfassungswidrig, dass der österreichische Gesetzgeber die Vollspaltenbodenhaltung von Schweinen zwar für unzulässig erklärt, dafür aber eine Übergangsfrist von 17 Jahren bestimmt hat. Insoweit spricht Vieles dafür, dass die deutschen Regelungen erst recht verfassungswidrig sind, weil hier die Haltung von Schweinen auf Vollspaltenboden zeitlich unbegrenzt weiterhin zulässig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren im Übrigen erst kürzlich in die aktuelle Jahresvorschau aufgenommen. Das spricht für eine weit vorangeschrittene Prüfung und baldige Terminierung in diesem für den Tierschutz in Deutschland wichtigsten verfassungsgerichtlichen Verfahrens seit vielen Jahren.

Der Berliner Tierschutzbeirat weist in diesem Zusammenhang auf die Geschäftsanweisung des Beirates hin, der die Senatsverwaltung dazu verpflichtet darauf hinzuwirken, dass der Tierschutzbeirat zu grundsätzlichen Belangen des Tierschutzes frühzeitig angehört und über beabsichtigte Grundsatzregelungen, die tierschutzrelevant sind, informiert wird. Deshalb geht der Beirat davon aus, dass er unter Vorlage der Ergebnisse der nun angekündigten Prüfung vor der Entscheidung des Landes über eine etwaige Rücknahme des Normenkontrollantrags anzuhören ist.

Der seit 2018 bestehende Tierschutzbeirat besteht aus insgesamt 15 Mitgliedern. Neben Tierschutzverbänden sind auch Organisationen aus den Fachbereichen Tiermedizin, Tierethik und Wildtierschutz und Vertreter:innen von Berliner Universitäten und Forschungseinrichtungen vertreten.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Beiratsvorsitzender Torsten Schmidt
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E-Mail: torsten.schmidt@bmt-tierschutz.de