Ebenso wie andere Tiere gehören Stadttauben zu Berlin. Im Vergleich zu Wildtauben kommen sie in teils sehr großen Zahlen vor, weshalb ihnen häufig eine große Anpassungsfähigkeit zugeschrieben wird. Auch wenn das für die verwilderten Haustiere ein Vorteil zu sein scheint, geht damit nicht zwangsläufig ein besseres Leben einher. Im Gegenteil – verwilderten Haustieren wird oft eine sogenannte Maladaption, also eine schlechte Anpassung nachgesagt. Das bedeutet, dass sie trotz oder gerade wegen der einst angezüchteten Eigenschaften Nachteile im Vergleich zur Wildtieren haben (1). Die Einzeltiere betrachtet zeigt sich zum Beispiel, dass sie ihr Gefieder nicht ausreichend pflegen können (2), ungeeignete Brutplätze wählen oder nicht in der Lage sind, artgerechtes Futter zu finden. Oft kommt es zu extrem hohen Populationsdichten, die das Leid der Tiere weiter verstärken. Durch den angezüchteten Brutzwang pflanzen sich die Tiere auch bei zu geringem Nahrungsangebot fort,
aber die Jungtiere verhungern – ein immenses Tierleid! Das Leben auf der Straße birgt viele Gefahren. Zum Beispiel verheddern sich die Tauben auf der stundenlangen Suche nach Futter des öfteren in Schnüren, verletzten sich an Vergrämungsvorrichtungen wie scharfen Spikes und verirren sich hinter Abwehrnetzen (3).
Siehe hierzu u.a.:
(1) Gering, E., Incorvaia, D., Henriksen, R., Conner, J., Getty, T., & Wright, D. (2019). Getting back to nature: feralization in animals and plants. Trends in Ecology & Evolution, 34(12), 1137-1151.
(2) Clayton, D. H., Lee, P. L., Tompkins, D. M., & Brodie III, E. D. (1999). Reciprocal natural selection on host-parasite phenotypes. The American Naturalist, 154(3), 261-270.
(3) Zu Abwehrnetzen vgl: VG Berlin, Urteil vom 25.02.2022 (Az. 17 K 174/21).