Qualzucht bei Katzen

Im Bundesland Hessen unterstützen zahlreiche Katzenverbände (1. Deutscher Edelkatzenzüchter-Verband e.V., Int. Cat Fédération, Deutsche/Berliner Pro Kat, Gemeinschaft der Katzenfreunde e.V., u.a.) mit einer gemeinsamen Erklärung zur Umsetzung des § 11 b TierSchG einen Erlass vom 21.6.2002 wonach in der Liste der betroffenen Zuchtrassen u. a. Einzeltiere bei Rex- oder Sphinx-Katzen, bei denen die Tasthaare fehlen oder in ihrer Funktion beeinträchtigt sind, sowie reinweiße Katzen, erfasst werden. Für diese Tiere wird ein klares Zuchtverbot ausgesprochen.

Sphinx-Katzen

Bei den meisten dieser Katzen fehlt nicht nur die für Katzen typische Körperbehaarung, sondern auch die Augenwimpern und die Sinusbehaarung. Die Tasthaare sind entweder verkümmert/gekräuselt oder überhaupt nicht vorhanden. Ein oder zwei vorhandene kurze Stoppeln können nicht als „vorhandene Tasthaare” gewertet werden, da sie ungeeignet sind, die tatsächliche Funktion der Orientierung und Kommunikation sicherzustellen.

Das vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten herausgegebene Gutachten zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) führt auf Seite 53 unter „Katzen- Kurze Orientierungshilfe“ unmissverständlich aus: „Verbot für Tiere, bei denen die Tasthaare fehlen“. Wesentlich entscheidungserheblich ist dabei, dass, wenn die Tasthaare komplett fehlen ODER so dezimiert oder umgestaltet sind, dass ihre Funktion verlorengeht, dies als Körperschaden verstanden werden muss, der die Katze in ihrer Fähigkeit zu arttypischem Verhalten so einschränkt, dass dies als andauerndes Leiden zu bewerten ist.

Bei dem durch das Bundesministerium herausgegeben Gutachten zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen) handelt es sich um ein sogenanntes antizipiertes Sachverständigengutachten.

Das Merkmal „Fehlen von Tasthaaren, bzw. gekräuselte Tasthaare“ ist im Zuchtstandard der Rasse „Sphinx“ enthalten. Die Vererbung dieses Merkmals erfolgt homozygot rezessiv. Während die verschiedenen „Rex“ Rassen auf unterschiedliche Mutationen zurückgehen, vermutet man beim Erbgang der Rassen „Devon Rex“ und „Sphinx“, dass er auf das gleiche Allel zurückzuführen ist. Das „hr“ Allel wird heute als das „Sphinx“-Allel angesehen. Der dominante Wildtyp (normales Fell) hat den Genotyp Re/Re, die „Devon Rex“ trägt homozygot die rezessiven Allele re/re (gestörtes Haarwachstum) und die „Sphinx“ die ebenfalls rezessiven Allele hr/hr (erheblich gestörte Haarbildung). In der Literatur wird das Sphinx-Allel gegenüber dem Devon Rex-Allel als dominant beschrieben. Folglich bedeutet dies, dass fehlende bzw. gekräuselte Tasthaare dominant vererbt werden; bei einem homozygot rezessiven Merkmal ergibt sich daraus eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen Merkmalsträger sind.

In der Literatur möchten wir auf BEAVER und MÖBIUS verweisen, da sie die Bedeutung der Tasthaare (Orientierung im Dunkeln, Beutefang, soziale Kommunikation) für Katzen ebenfalls deutlich darstellen. Wenn die Tasthaare fehlen bzw. so umgestaltet sind, dass ihre Funktion verloren geht, ist das als Körperschaden zu bewerten, der die Katze in ihrer Fähigkeit zu arttypischem Verhalten so einschränkt, dass dies zu einem andauernden Leiden führt. Durch verstärkte Nutzung anderer Sinnesorgane können sich Tiere mit fehlenden Sinnesorganen – beispielsweise taube oder blinde Tiere – zwar meistens relativ gut in ihrer gewohnten Umgebung zurechtfinden. Die Funktionsuntauglichkeit eines Sinnesorgans ist und bleibt jedoch eine Behinderung. Problematisch wird dies nahezu immer im fortgeschrittenen Alter, weil dann die Kompensation durch andere Sinnesorgane zunehmend eingeschränkt wird oder wenn solche Tiere in eine neue Umgebung verbracht werden.

Das immer wieder vorgebrachte Argument, der FIFe-Standard verbiete Sphinx-Katzen nicht und führe in den Beurteilungsrichtlinien sogar aus, dass diese Tiere „Schnurrhaare ganz oder abgebrochen, steif” haben dürfen, ist bekannt.
Welche Aussagekraft auch diverse Urkunden von Katzenzuchtvereinen haben sollen, erschließt sich nicht, da in keiner Urkunde auf vorhandene oder nicht vorhandene Tasthaare Bezug genommen wird. Es kann lediglich geschlussfolgert werden, dass die Katzen bei der Begutachtung nicht auf dieses Merkmal hin geprüft wurden oder diese nicht festgestellt werden konnten. In beiden Fällen bleibt ohnehin fraglich, welchen Stellenwert die Richtlinien des FIFe-Standards bei der Beurteilung der Tiere haben. Jedoch blieb zu prüfen, ob der FIFe-Standard eine bindende Norm für die öffentliche Verwaltung darstellen kann. Eine nähere Recherche zu dem FIFe–Standard (Federation Internationale Feline) bestätigt, dass es sich bei „FIFe“ lediglich um eine internationale Katzenliebhaber- Vereinigung handelt.
Dieser Verband hat weder Gesetzgebungskompetenz, noch ist er in juristischer Sicht im Stande, gesetzliche Regelungen und sonstige Gutachten zur Auslegung von Rechtsnormen außer Kraft zu setzen. Der FIFe-Standard kann daher weder zur Beurteilung der Problematik einer Qualzucht herangezogen werden, noch ist dieser dazu geeignet, die dargelegten Gutachten und Rechtsnormen zu entkräften.
Es bleibt jedoch anzumerken, dass die deutsche Vertretung für die FIFe, der Deutscher Edelkatzenzüchter-Verband e. V. – 1. DEKZV e. V. ist. Dieser ist nach eigenen Angaben im Internet, eine Organisation Europas für die Registrierung von Katzen und Deutschlands größter Rassekatzenzuchtverband.
In den Zuchtrichtlinien dieses Verbandes ist unter: „Von den Zuchtrichtlinien der FIFe abweichende Zuchtrichtlinien des 1. DEKZV e. V. Ausgabedatum: 01.01.2012, Ergänzung: 13.08.2012 auf Seite 6 unter der Rubrik: „h. Nicht gezüchtet werden darf mit Katzen, die eines der folgenden Merkmale aufweisen: – Katzen ohne sichtbare Tasthaare“ aufgeführt.

Scottish Fold

Im Gegensatz zu Hängeohren bei vielen Haustieren wie Hunden oder Kaninchen, die bei extremer Ausprägung zu tierschutzrelevanten Problemen führen, liegt bei der Scottish Fold, mit ihren nach unten gefalteten Ohren, eine schwere Erbkrankheit vor, die Osteochondrodysplasie. Dieser Erbschaden führt zu vielfältigen Defekten am Skelett, die direkt auf die für die gefalteten Ohren verantwortlichen Erbanlagen zurückgeführt werden können. Die Erkrankung äußert sich insbesondere Lahmheiten, Schwierigkeiten beim Springen, einen steifen, stelzenartigen Gang, Deformationen und Verkürzungen der distalen Gliedmaßen, Schwellungen im Bereich des Tarsus bzw. Metatarsus sowie kurze, verdickte, unbewegliche Schwänze (Malik et al., 1999). Es erkranken nicht nur homozygote Tiere, sondern ebenso heterozygote Tiere, also mischerbige Katzen, wenn auch mit milderen Symptomen (Hubler et al., 2004). Diese Aussage wird auch durch das Qualzuchtgutachten untermauert. Es müsse bei der Zucht auf Kippohren immer damit gerechnet werden, dass auch bei einem Teil der heterozygoten Fd fd-Nachzucht Knorpel- und Knochenschäden auftreten, die zu dauerhaften Schmerzen, Leiden und Schäden führen (Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes).

Ein Schaden liegt bereits vor, wenn der Zustand eines Tieres dauerhaft und auch nur geringfügig negativ verändert ist. Der Schaden kann auf körperlicher oder psychischer Grundlage erfolgen. Gleichzeitiges Leiden und Schmerzempfinden muss nicht gegeben sein. So sind Folgeschäden, die aufgrund von Zuchtmerkmalen auftreten bereits als Schaden nach § 11b anzusehen (Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes). Organe, Organsysteme und Körperteile eines Individuums haben bestimmte, genetisch festgelegte, für die Lebens- und Fortpflanzungsfähigkeit notwendige Funktionen zu erfüllen. Der artgemäße Gebrauch ist dann nicht mehr möglich, wenn eine dieser Funktionen durch züchterische Einflussnahme nicht mehr ausreichend erfüllt oder ausgeführt werden kann. Dies gilt besonders für erbliche Beeinträchtigungen an Sinnesorganen. Auch negative Veränderungen an Organen oder Körperteilen, die mit Zuchtmerkmalen in Zusammenhang stehen, nicht aber mit den durch Zuchtziele beeinflussten Organen oder Körperteilen identisch sind und mit Schmerzen, Leiden oder Schäden einhergehen, fallen unter § 11b (Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes).

Im Qualzuchtgutachten wird ein Zuchtverbot für Katzen mit Fd-Gen determinierten „Kippohren“ empfohlen. Grundsätzlich gilt dies für Tiere, die Träger von Genen bzw. eindeutig erblich bedingten Merkmalen sind, welche für den Züchter direkt erkennbar oder diagnostisch zugänglich sind und die bei der Nachzucht zu mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbundenen Merkmalen führen können. Dabei ist unerheblich, ob mit solchen Genen oder Merkmalen direkt oder indirekt gezüchtet wird (Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes).

Literatur

Bundestierärztekammer. Scottish Fold – Urteil.

Sachverständigengruppe Tierschutz und Heimtierzucht (2005). Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes.

Hubler, M., Volkert, M., Kaser-Hotz, B. and Arnold, S. (2004). Palliative irradiation of Scottish Fold osteochondrodysplasia. In: Veterinary Radiology & Ultrasound. Bd. 45, Nr. 6, 2004, S. 582–585

Malik, R., Allan, GS., Howlett, CR., Thompson, DE., James, G., McWhirter, C. and Kendall, K. (1999). Osteochondrodysplasie in Scottish Fold cats. Aust Vet J 1999; 77:85-92

STS-Merkblatt: Tierschutz und Katzenzucht, Verfasser: Dr. Thomas Bartels, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Bremgartenstrasse 109a, CH-3012 Bern, Hrsg: Schweizer Tierschutz STS, Dornacherstrasse 101, 4008 Basel

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