Tierschutzbeauftragte drängen auf Entscheidungen

Die Tierschutzbeauftragten der Bundesländer fordern die Agrarministerinnen und Agrarminister des Bundes und der Länder auf, Entscheidungen zu dringenden tierschutzfachlichen Sachverhalten zu treffen. Darauf haben sie sich auf einem Arbeitstreffen am 24. und 25.08.2017 in Stuttgart verständigt.

Bisher gibt es das Amt der/des Landestierschutzbeauftragten in Hessen, Baden-Württemberg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin, wobei die Bezeichnungen, Aufgabenbereiche, Kompetenzen, Ausgestaltung der Stelle hinsichtlich Mitarbeitern und finanziellen Mitteln sehr unterschiedlich ist. So diente das Treffen zunächst dem gegenseitigen Kennenlernen und Darstellung der je nach Bundesland unterschiedlichen Brennpunkte im Tierschutzbereich.

Um sowohl die Entscheidungsträger der Politik, als auch die Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Beratungen unisono informieren zu können, wurde zu Beginn der Veranstaltung eine Sprecherin (Landestierschutzbeauftragte von Berlin Frau Diana Plange) und ein stellvertretender Sprecher (Landestierschutzbeauftragter des Saarlandes Herr Dr. Hans-Friedrich Willimzik) der Tierschutzbeauftragten der Länder gewählt. Diese stehen auch für Nachfragen der Presse zur Verfügung.
Anhand der zuvor eingereichten Wünsche zu Tagesordnungspunkten wurden folgende Themen bearbeitet und Positionen formuliert, die nun in einer Presseerklärung veröffentlicht werden:

Im Ergebnis:

„Die Landesbeauftragten für Tierschutz fordern den Bundeslandwirtschaftsminister und die für die Landwirtschaft zuständigen Minister und Ministerinnen der Bundesländer auf,

(1) in ihre Überlegungen einzubeziehen, dass die Haltung von Sauen in Kastenständen und Abferkelkörben nicht verhaltensgerecht und daher tierschutzwidrig im Sinne des § 2 TierSchG ist,

(2) zu beschließen, dass für die Einführung der Gruppenhaltung von Sauen im Deckzentrum kürzest mögliche, betriebsindividuell festzulegende Übergangszeiten gelten sollen,

(3) dafür Sorge zu tragen, dass in dieser Übergangszeit die Anforderungen aus dem Urteil des OVG Magdeburg vom 24.11. 2015 (Az. 3L 386/14) und des Beschlusses des BVerwG vom 8.11.2016 (Az. 3 B 11/16) eingehalten werden,

(4) die Dauer einer Fixierung von Sauen im Deckzentrum kürzest möglich um den Zeitpunkt der Rausche herum zu beschränken und

(5) ein Verbot der Fixierung von Sauen im Abferkelbereich zu beschießen.

Die bislang erlaubte, wochenlang andauernde erzwungene Bewegungseinschränkung und die damit einhergehende Unterdrückung nahezu des gesamten artgemäßen Verhaltensrepertoires führt bei den Sauen – ähnlich wie bei Menschen in gleicher Situation – zu erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden. Erfahrungen aus Ländern mit freier Abferkelung (u. a. Schweiz, Schweden, Norwegen) belegen, dass es möglich ist, die Abferkelbuchten mit ausreichend Platz, Nestbau- und Beschäftigungsmaterial so tiergerecht auszugestalten, dass es auch bei freier Beweglichkeit der Muttersau keine – gegenüber der Zwangsfixierung – erhöhten Ferkelverluste gibt.“

Folgen aus dem sog. Greenpeace Gutachten:
„Das Gutachten aus der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Günther & Partner hat einen neuen Anstoß gegeben darüber nachzudenken, ob einzelne Vorschriften in der TierNutzV zur Haltung von Mastschweinen gegen das gesetzliche Gebot in § 2 Nr. 1 TierSchG zu art- und bedürfnisangemessener, verhaltensgerechter Unterbringung verstoßen. Dies sollte einer höchstrichterlichen Überprüfung zugeführt werden. Aus aktuellem Anlass sollte aber auch mindestens die Regelung zur Kastenstandhaltung (Deckzentrum und Abferkelbereich) in diese Überprüfung einbezogen werden.“

Zum Wildtierverbot in Zirkussen:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz fordern die für Tierschutz zuständigen Ministerinnen und Minister der Bundesländer auf, sich bei der Bundesregierung nochmals für ein Verbot des Haltens von Tieren wild lebender Arten in Zirkusbetrieben (insbesondere Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde) einzusetzen, auch aus Gründen des Schutzes vor Unfällen. Für vorhandene Tiere soll ein Nachstellverbot und unter Berücksichtigung ihrer Lebensdauer eine Übergangsfrist vorgesehen werden.“

Kennzeichnung und Registrierung:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz sprechen sich dafür aus, dass eine bundesweite Kennzeichnung und Registrierung von Hunden und Katzen umgesetzt werden muss.“

Kastration von Katzen:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz sprechen sich dafür aus, dass die Möglichkeiten des § 13b TierSchG vollumfänglich ausgeschöpft werden und entsprechende Katzenschutzverordnungen zu erlassen sind. Hilfestellungen dafür gibt es auf der Homepage der Landesbeauftragten für Tierschutz aus Hessen und aus Baden-Württemberg.“

Finanzielle Förderung von Katzenkastrationen durch Bundesländer:
„Katzenkastrationen müssen zwingend mit Kennzeichnung und Registrierung der Tiere einhergehen. Unterschiedliche Modelle der finanziellen Förderungen für Katzenkastrationen bestehen bereits. Diese müssen langfristig weitergeführt werden. In den Bundesländern, in denen bisher keine Förderung stattfindet, sind solche Modelle ebenfalls zu etablieren.“

Fundkatzen:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz weisen darauf hin, dass nach oberverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung Haustiere, die nicht in dem Besitz ihres Halters angetroffen werden, sogenannte „Anscheinsfundsachen“ sind. Das heißt, dass sie von den Gemeinden als Fundtiere behandelt werden müssen, solange sich nicht eindeutig nachweisen lässt, dass sie ausgesetzt worden sind. Das gilt auch für Tiere, insbesondere Katzen, die erst nach dem Besitzverlust des Muttertieres geboren wurden („Sachfrüchte“). Für Tiere, die nachweislich ausgesetzt wurden, müsste – wie im österreichischen Tierschutzgesetz – eine Regelung geschaffen werden, die die Bundesländer zu Schutz und Fürsorge verpflichtet und einen Regressanspruch gegen den für die Aussetzung Verantwortlichen vorsieht.“

Tierheimförderung:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz halten eine finanzielle Absicherung der Tierheime in Höhe von etwa 1 € pro Einwohner des Einzugsgebiets für zwingend erforderlich. In zwei Bundesländern gibt es bereits unterschiedlich ausgestaltete Vertragsmodelle.“

Tierversuche:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz fordern die Bundesregierung auf, eine konkrete Ausstiegsstrategie aus den Tierversuchen vorzulegen, die mit festen Zeitpunkten verbunden ist. Die Entwicklung von Alternativmethoden und ihre Validierung müssen stärker als bisher unterstützt werden. Zudem gilt es, bereits vorhandene Alternativen in die entsprechenden Vorschriften als ausdrücklichen Ersatz für Tierversuche einzubringen.
Tierversuche sollten nach Ansicht der Landesbeauftragten für Tierschutz nicht genehmigt werden, wenn den Tieren länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; der Bundestag sollte von der Möglichkeit zur Einführung einer solchen Schmerz-/Leidensobergrenze, die die EU-Tierversuchsrichtlinie einräumt, schnellstmöglich Gebrauch machen. Bei Tierversuchen zur Grundlagenforschung sind die Landesbeauftragten für Tierschutz der Ansicht, dass diese nicht ethisch vertretbar sind, wenn die Schmerzen oder Leiden der Tiere den Schweregrad „mittel“ überschreiten.“

Welthundeausstellung in Leipzig (8.-12. November 2017):
„Mindestens einer der Landesbeauftragten für Tierschutz wird im Hinblick auf die Qualzuchtdiskussion die Welthundeausstellung besuchen. Die zuständige Veterinärbehörde wird zuvor informiert.“

Landesbeauftragte für Tierschutz in weiteren Bundesländern:
„Die Landesbeauftragten für Tierschutz fordern, dass in jedem Bundesland ein hauptamtlicher Landesbeauftragte für Tierschutz bestellt wird.“