Jahresbericht 2022 - Kommunikation im MPox-Ausbruch

Infokachel mit dem Text Affenpocken und einem Virus als Grafik daneben.

Anfang Mai 2022 sind in Berlin die ersten Fälle einer viralen Infektionskrankheit aufgetreten, die bis dahin in Deutschland noch weitgehend unbekannt war: MPox (monkeypox/ Affenpocken). Dem Auftreten dieser ersten Fälle in Berlin gingen Berichte anderer europäischer Gesundheitsbehörden voraus, nach denen dort ebenfalls erstmals Übertragungen von MPox-Viren, vor allem zwischen Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), stattfanden. Aus Ausbrüchen unter MSM in der Vergangenheit (z. B. Hepatitis A, Mumps, Meningokokken) ist bekannt, dass diese das Potential haben, sich insbesondere unter Männern, die häufig wechselnde anonyme Sexualkontakte haben, schnell auszubreiten und schwer zu kontrollieren sind. Da der Erreger bis dahin in Europa kaum aufgetreten war, waren verlässliche Informationen zu relevanten epidemiologischen Parametern (zur Inkubationszeit, zur Dauer der Infektiosität), zu Übertragungswegen und zu relevanten Präventionsmaßnahmen weitgehend unklar. Auch über die Häufigkeit von schweren Verläufen, Todesfällen oder (lebenslang) anhaltenden Komplikationen in Folge einer MPX-Infektion waren nur wenig publizierte Daten verfügbar.

Berlin ist unter anderem aufgrund seiner Vielzahl an Clubs, Bars und Veranstaltungen sowie seiner gelebten Vielfalt und Freizügigkeit eine internationale Hauptstadt der LGBTQIA- Community und bietet mit gut 50 verschiedenen Bars und Clubs für ein queeres Publikum sowie knapp 20 Locations, die explizit Orte des sexuellen Austausches für MSM sind, ein breites Angebot für (anonyme) sexuelle Kontakte unter MSM. Erste Ermittlungen der Berliner Gesundheitsämter ergaben, dass auch in Berlin zunächst ausschließlich Männer betroffen waren, von denen sich fast alle als MSM identifizierten und zudem Veranstaltungen in bekannten Berliner Clubs, Bars und Saunen als potentielle Ansteckungsorte angaben. Der Peak des Ausbruchsgeschehens im Juni 2022 fiel zeitlich in den jährlichen Pride month, in dessen Verlauf auch Großveranstaltungen wie der Christopher Street Day (CSD) oder das schwul-lesbische Straßenfest in Berlin stattfinden. Frühzeitig durch die Fachgruppe angestoßene und koordinierte Ermittlungen der Berliner Gesundheitsämter zu Ansteckungsorten der Fälle in Berlin leisteten dabei einen wichtigen Beitrag zum Verstehen der Ausbreitungsdynamik des Geschehens, insbesondere im Hinblick auf Reise-assoziierte Infektionen im Kontext großer Festivals. Diese Informationen wurden auch einem breiten Fachpublikum zur Verfügung gestellt.

Neben Koordinierung und Standardisierung der Ermittlungen hat die Fachgruppe für Infektionsepidemiologie am LAGeSo bereits frühzeitig im Ausbruchsverlauf Strategien zur gezielten Risikokommunikation und zu zielgruppenspezifischen Kernbotschaften erarbeitet, um diese möglichst weit in der betroffenen Community zu verbreiten. Ziel war es, die Risikogruppe umfassend über das aktuelle Geschehen und die aktuell bekannten Informationen zu möglichen Präventionsmaßnahmen zu informieren, um betroffene Personen in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen zum eigenen Verhalten zu treffen. Dafür wurde im ersten Schritt umfassendes Informationsmaterial erarbeitet und auf Deutsch und Englisch auf der LAGeSo- Website zur Verfügung gestellt

  • Informationskachel mit dem Logo des LAGeSo und dem Text: MPX in Berlin. Informiere dich über Affenpocken
  • Informationskachel mit dem Logo des LAGeSo und dem Text: Share Joy not Pox! Know the risks of MPX
  • Informationskachel mit dem Logo des LAGeSo und dem Text: MPX Ausbruch
  • Zeitlicher Verlauf, Mpox Berlin

Die dort aufbereiteten Informationen wurden fortlaufend aktualisiert und beinhalteten auch tagesaktuelle Fallzahlen, um die aktuelle epidemiologische Lage in Berlin einschätzen zu können. Im nächsten Schritt wurden digitale Ads designt, die den Veranstaltern und Betreibern von Clubs, Bars, Festivals und Darkrooms zur Verfügung gestellt, um diese mit der Info-Website zu verlinken und damit Besucher unkompliziert informieren zu können. Die Ads konnten auch von der LAGeSo-Website frei heruntergeladen werden und niederschwellig zur Information und Kommunikation von Betreibern relevanter Ansteckungsorte genutzt werden. Akteure der Community wurden dadurch nicht nur frühzeitig und zielgruppenspezifisch eingebunden, sondern auch als Multiplikatoren genutzt. Parallel wurde auch Printmaterial (Infoflyer, Postkarten, Poster) erstellt und an relevanten Orten an die Zielgruppe verteilt.

Die wöchentlich übermittelte MPX-Fallzahl in Berlin ging unter der laufenden Kampagne nicht nur früher zurück als in anderen deutschen Großstädten, sondern bereits bevor die im Juli 2022 gestartete Impfkampagne begann, die durch die Senatsverwaltung für Gesundheitorganisiert wurde.

Die zielgruppen-angepasste Kommunikation über aktuelle Entwicklungen des Ausbruchs (inkl. täglicher Fallzahlen), Informationen zu Übertragungswegen und mögliche Präventionsmaßnahmen hat es den Berliner MSM sowie allen Besuchern Berlins ermöglicht, informierte Entscheidungen zu eigenen Risikoverhalten zu treffen und sich bestmöglich zu schützen. Dies hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Berlins große und freizügige Clubkultur im Rahmen eines großen internationalen Ausbruchs fortbestehen konnte und Berlin auch im internationalen Kontext von der WHO als Vorreiter in der Risikokommunikation im Vorfeld großer Veranstaltungen wie dem CSD wahrgenommen wurde.

Infokachel mit dem Text Affenpocken und einem Virus als Grafik daneben.

Surveillance und Epidemiologie von Infektionskrankheiten

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