Protokoll der 3. Sitzung des Koordinierungsgremiums zum Runden Tisch Sexarbeit in Berlin - Telefonkonferenz am 28.07.2020

Tagesordnung

TOP 1: Eröffnung und Begrüßung durch Frau Mehlig

Frau Mehlig, Referentin für Sexarbeit, eröffnet die Sitzung und begrüßt die Teilnehmenden der Telefonkonferenz. Frau Staatssekretärin König lässt sich bedingt durch einen anderweitigen Termin für die heutige Zusammenkunft entschuldigen. Frau Mehlig erklärt, dass durch die anhaltende Corona Pandemie die Arbeitsabläufe immer noch erschwert sind, wodurch auch eine anberaumte Telefonkonferenz die vor etwa zwei Woche stattfinden sollte, nicht stattfinden konnte. Sie betont, dass mit der heutigen Konferenz an das letzte Koordinierungsgremium angeknüpft wird.

TOP 2: Corona Pandemie - Aktueller Stand Öffnungspläne und Notfallfonds

Frau Mehlig berichtet, dass am 24. Juli 2020 eine Videokonferenz der Nordländer stattgefunden hat, an der verschiedene Bundesländer aus Norddeutschland zusammengekommen sind, um über die Lockerungen der Rechtsverordnungen im Bereich Sexarbeit zu diskutieren. Hierbei zeigte sich eine relative Übereinstimmung der Länder in dem Ansatz gegebenenfalls ab 1. September 2020 stufenweise Lockerungen in dem Gewerbe einzuführen, wovon besonders Prostitutionsstätten und Prostitutionsvermittlungen positiv betroffen sind. Berlin möchte hierbei analog zur stufenweisen Durchführung wie sie durch Hamburg vorgeschlagen ist, vorgehen. Diese Planung steht momentan noch unter Vorbehalt und ist nicht verbindlich durch das Land. Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung sind ab August wieder erotische Massagen und BDSM erlaubt. Die Teilnehmenden befürworten, ein einheitliches Vorgehen der Länder. Für die Öffnung weiterer Stätten ist in diesem Zusammenhang die nächste Senatssitzung am 4. August 2020 von Relevanz, welche hierzu noch weitere Konkretisierungen beschließen könnte.

Die Teilnehmenden haben nun die Gelegenheit ihre Erfahrungen einzubringen. Folgende Bilanz wird gezogen:
  • Die Hygienekonzepte welche für Betreiber von Prostitutionsstätten zur Vorbereitung auf eine mögliche stufenweise Öffnung herangezogen werden können, sind die bekannten des Bundesverband sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD), Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. (BesD) und Unternehmerverband Erotikgewerbe Deutschland e.V. (UEGD).
  • Die Senatssitzung vom 4.August 2020 ist für interessierte Bürger_innen nicht zugänglich und wird auch nicht anhand von Video-Streaming übertragen.
  • Der Corona Notfallfond kann auch für die Versorgung von sich prostituierenden mittellosen Männern in Anspruch genommen werden. Die Gutscheine (Lebensmittel und Hygienegutscheine) werden auch in diesem Fall über den Frauentreff Olga verteilt.
    Ansprechpersonen sind in dem Zusammenhang Frau Schmidt-Bink und Frau Matthiesen.
  • Die Fegeflotte wird ihre Arbeit ab 1. August 2020 im Kurfürstenkiez und Magdeburger Platz aufnehmen (Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und Bezirksamt Mitte) und zwei Mal pro Woche die Säuberung der Straße von Kondomen und anderem Müll vornehmen. Zudem wird sie gemeinsam mit den Kiezläufern funktionieren, die als Bindeglied zwischen Gewerbetreibenden und sich prostituierenden Menschen agieren.
  • Hydra hat seit Beginn der Corona Krise eine sozialrechtliche Beratung angeboten, welche sowohl Sozialberatung als auch juristische Orientierung für Sexarbeitende anbietet. Ein großes Problem stellen in diesem Zusammenhang die Anträge auf Grundsicherung einiger Klient_innen dar, welche mehrere Monate nach der Beantragung noch immer nicht durch das Jobcenter bewilligt und ausgezahlt wurden. Dies verschärft die Notlagen der Klient_innen.

TOP 3: Aktueller Stand der Umsetzung der Handlungsempfehlungen

Die Projekte geben Auskunft zu Neuerungen und laufenden Verfahren bei den Projektträgern und Organisationen.
  • SMART-Berlin:
    Eine freie Stelle kann bei dem Träger ab 10. August 2020 besetzt werden. Diese ist auch bereits schon ausgeschrieben, jedoch gestaltet sich die Suche nach geeigneter Besetzung, aufgrund der gewünschten Anforderungen, schwierig.
  • Roter Stöckelschuh:
    Der Projektantrag wurde bewilligt, und die Mittel bereits an den Träger ausgezahlt. Das Projekt zielt auf eine verbesserte medizinische Versorgung Sexarbeitender ab. Das Projekt läuft nun sein 1. Juli 2020.
  • Hydra e.V.:
    Es liegt ein Projektantrag zu einer Kampagne für die Entstigmatisierung der Sexarbeit vor, wie auch ein weiterer Antrag im Bereich der psychosozialen Leistungen in akuten Fällen. Es müssen noch Endabstimmungen mit der Senatsverwaltung getroffen werden um einem zeitnahen Start und einer Bewilligung näher zu kommen.
  • Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg:
    Es wurden Ökotoiletten im Kurfürstenkiez aufgestellt. Den erweiterten Öffnungszeiten des Frauentreffs Olga wurde auch zugestimmt.
  • AG Gesunder Kunde:
    Es muss noch geprüft werden, ob die Gelder des Bezirks Tempelhof-Schöneberg dafür eingesetzt werden können.

TOP 4: Berichte aus den Fachberatungsstellen zur aktuellen Situation

In einheitlichem Ton begrüßen die Zugeschalteten den lang erwarteten Start der Rückkehr des Prostiutionsgewerbes nach Corona, und nun durch die angedachte stufenweise Öffnung. Auf der anderen Seite wird bemängelt, dass diese zu spät kommt, denn die Not auf Seite der Klient_innen ist mittlerweile sehr groß.
  • Hydra e.V.:
    Frau Stöckigt leitet seit Juli 2020 die Beratungsstelle. Sie betont den Druck unter dem Sexarbeitenden in dieser Pandemiezeit stehen, welcher mit der besonderen Schwierigkeit der Sicherung des finanziellen Lebensunterhalts verbunden ist – aus der Not heraus stellt illegales und somit unsicheres Arbeiten in diesem Rahmen eine Konsequenz des Prostitutionsverbotes dar. Das erhöht die Gefahr der Erpressung und Ausbeutung des Klientels. Die erst ab September 2020 mögliche Öffnung ist aus fachlicher Sicht zu spät. Die Beratungsstelle hat erste Präsenzzeiten wieder eingeführt, auch das Hydra Café ist wieder dienstags von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet.
  • Frauentreff Olga:
    Frau Matthiesen beschreibt den gestiegenen Zulauf von Frauen im Olga. Es gibt vermehrt Berichte über Kontrollen auf dem Straßenstrich. Der Frauentreff bietet seine Angebote aktuell von Montag bis Freitag wieder an. Ein besonderes Augenmerk ist die Unterstützung der Klient_innen bei der Beantragung von sozialrechtliche Leistungen und Ansprüchen.
  • SMART-berlin:
    Herr Craciun berichtet, dass aktuell nur 4 Personen in der Anlaufstelle gleichzeitig betreut werden können und dies maximal 1 Zeitstunde. Dies wird als sehr knapp bemängelt.
  • Zentrum Charlottenburg-Wilmersdorf:
    Frau Müller berichtet von einer großen finanziellen Frustration der Klient_innen, denn das Jobcenter bewilligt nicht niedrigschwellig. Im Gegenteil werden Dokumente eingefordert zur Leistungsbewilligung die kaum beigebracht werden können.
  • Bundesverband sexuelle Dienstleistungen e.V.:
    Frau Klee weist auf ein allgemeines Problem der Haltung der Jobcenter in diesem Zusammenhang hin. Die Missachtung der Behörde bezüglich der erleichterten Corona-Regelungen zur Leistungsgewährung sei ein zentrales Problem hierbei. Sie ergänzt, dass die angedachte stufenweise Öffnung der Prostitutionsstätten auch für sie nicht akzeptierbar sei, mit der Begründung, dass eine frühere Öffnung nicht einhergeht mit steigenden Übertragungsraten, sondern nur mit einer Stärkung der Rechte der Prostituierten.
  • Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen:
    Frau Weber erwähnt, dass in einem anderen Bundesland im Rahmen eines Hygienekonzepts für den Straßenstrich, die Methode eines Briefkastens zur Datenerfassung der Beteiligten der sexuellen Dienstleistung gute Erfahrungswerte gebracht habe. Zudem berichtet sie über ein Infoblatt mit Piktogrammen zur Aufklärung von sich prostituierenden Menschen welches durch die Deutsche Aidshilfe erstellt wurde und nun verteilt werden muss. Sie geht einher mit der Idee einer früheren Öffnung der Prostitutionsstätten.
  • Bezirksamt Mitte:
    Bezirksbürgermeister von Dassel informiert über das Testmobil für die Abklärung der Corona Infektion. Er bietet dieses auch dem Frauentreff Olga an, damit es im Rahmen der Aktivitäten in der Kurfürstenstr genutzt werden kann, und fragt nach Optionen, wenn eine sich prostituierende Frau positiv getestet würde. Es besteht die Möglichkeit einer kostenlosen Testung auch unter einem Pseudonym.

TOP 5: Nächste Schritte und Offene Punkte

Die Senatssitzung am 4. August 2020 ist ein entscheidender Termin für den weiteren Verlauf der Öffnung und ein erster Schritt in Richtung Lockerungen des Prostitutionsgewerbes.
Ein neuer Termin für ein Treffen des Koordinierungsgremiums wird erst nach der genannten Sitzung und den entstandenen Entwicklungen bekannt gegeben. Frau Mehlig bedankt sich für die Anwesenheit und rege Teilnahme aller Zugeschalteten, und schließt die Sitzung.

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