Bei der Entwicklung der Materialien orientiert sich das Team grundsätzlich am natürlichen Spracherwerb der Kinder und versucht dabei die Stufen der Abstraktion, der Kognition und der Interaktion zu berücksichtigen. Weiterhin ist es wichtig, dass möglichst viele der Materialien nicht nur im Alltag der jeweiligen Bildungseinrichtung problemlos genutzt werden können, sondern diesen Alltag auch erleichtern.
Nachstehend soll an einem konkreten Beispiel der inhaltlichen Arbeit dieser fachliche Ansatz näher erläutert werden.
4.1. Das Planungsraster sprachförderlicher bzw. -bildender Maßnahmen
4.1.1. Was ist das?
Zur Planung von sprachbildenden bzw. sprachfördernden Maßnahmen hat das Team ein „Raster“ entwickelt, in dem sowohl die einzelnen Sprachebenen als auch die sprach-tragenden Bereiche berücksichtigt werden. Eine leere bzw. eine ausgefüllte Vorlage dieses Rasters findet sich am Ende dieses Artikels.
4.1.2. Was steckt dahinter?
- Der Sprachbaum:
Dieses Raster beruht auf dem „Sprachbaum“ von Wolfgang Wendlandt. Wolfgang Wendlandt stellt in seinem Buch „Sprachstörungen im Kindesalter. Materialien zur Früherkennung und Beratung“ (Vgl. 6. Auflage, Stuttgart, New York, Georg-Thieme Verlag 2011) erstmals die Einflussfaktoren der Sprachentwicklung mit Hilfe eines „Baumes“ symbolisch dar. Mittlerweile ist dieser Sprachbaum in vielen anderen Materialien z.B. in der Handreichung zum Berliner Sprachlerntagebuch wiederzufinden.
Wendlandt verdeutlicht mit diesem Baum, dass sich Sprache auf ihren einzelnen Ebenen (phonetisch-phonologische Ebene, semantisch-lexikalische Ebenen, syntaktisch-morphologische Ebene, pragmatisch-kommunikative Ebene) nur entfalten kann, wenn eine Reihe sprachtragendender Fähigkeiten (auditive, visuelle Wahrnehmung, Motorik, emotional-soziale Kompetenzen sowie Merkfähigkeit und Gedächtnis u.a.) in entsprechender Weise berücksichtigt und die Sprechfreude angeregt wird.
Dieser Sprachbaum bildet damit quasi das Gerüst unseres Rasters. Maßnahmen zur Sprachförderung und -bildung dürfen sich nicht nur auf die Vermittlung von Wortschatz, das Üben von grammatikalischen Strukturen oder das Training von Schreib- und Lesekompetenzen beschränken, sondern sollten auch die sprachtragenden Bereiche einbeziehen. So steht das Kind als Ganzes mit all seinen Anlagen zum Spracherwerb im Mittelpunkt, auch wenn je nach Ausprägung bei jedem Kind der ein oder andere Bereich stärker berücksichtigt werden muss.
- Vom Konkreten zum Abstrakten:
Der Erwerb von Sprache, nicht nur der Aufbau des Wortschatzes, sondern auch der Gebrauch grammatikalischer Strukturen und pragmatischer Kompetenzen erfolgt vor allem zu Beginn des Spracherwerbs über konkrete Handlungen mit realen Gegenständen in alltäglichen Kontexten. „Vom Greifen über das Begreifen zum Begriff“ heißt es auch in der Montessori-Pädagogik. Diesem Satz schließt sich das Team voll an. Es ist ein SFZ-Grundsatz, dass bei der Vermittlung von neuen sprachlichen, aber auch fachlichen Inhalten – soweit das Thema dies zulässt – immer mit dem konkreten Gegenstand/Sachverhalt begonnen wird, dann zu Bildern und später zu symbolischen Darstellungen vorangegangen wird, um Kindern nicht nur leere Wort- und Bildhüllen zu vermitteln. Es sollen innere Bilder geschaffen werden, die vielfältig vernetzt sind. Nicht nur in Anlehnung an die Montessori-Pädagogik, sondern auch mit dem EIS-Prinzip von Jerome Brunner und der „Lehrstrategie des Aufsteigens vom
sinnlich-konkreten über das geistig Abstrakte zum geistig Konkreten“ erinnert das Team die Kolleg*innen immer wieder daran, diese Vorgehensweise zu berücksichtigen.
Oft wird vergessen, dass Kindern mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache eben nicht nur das deutsche Wort für etwas fehlt, sondern das Kind vielleicht gar keine Vorstellung von etwas hat und ihm sogar das Wort in der Muttersprache dazu unbekannt ist. In der täglichen Kommunikation in der Familie werden nicht zwangsläufig Begriffe aus der Mathematik, wie z.B. das „rechtwinklige oder gleichschenklige Dreieck“ gebraucht. Manche Begriffe werden in den verschiedenen Sprachen auch ganz unterschiedlich benutzt, z.B. können mit dem Wort „Glas“ im Deutschen ganz unterschiedliche Gegenstände gemeint sein – das Wasserglas, die Glasscheibe, das Weinglas. Im Spanischen gibt es für die eben benannten Gegenstände eigene konkrete Bezeichnungen.
Deshalb sollte nach SFZ- Ansatz die Sprachvermittlung und -förderung möglichst immer vom konkreten, sinnlich erfassbaren Gegenstand oder einer entsprechenden Handlungssituation ausgehen, um bei den Kindern Vorstellungen aufzubauen, mit denen sie Sprache verbinden können. Das gilt übrigens auch für deutschsprachige Kinder.
4.1.3. Warum wurde dieses Raster erstellt?
Bei der Planung von sprachförderlichen Maßnahmen sollen alle sprachlichen und sprachtragenden Bereiche mitgedacht werden. Das ermöglicht den Kolleg*innen zu einem Thema, einem Buch o.ä. Sprache auf den verschiedenen Ebenen vielfältig anzuwenden. Die Kinder haben dann die Möglichkeit die Wörter und sprachlichen Strukturen immer wieder, aber immer in verschiedenen Kontexten zu hören und zu gebrauchen.
Anfangs bedeutet das natürlich eine zusätzliche Arbeit, wenn das Raster jedoch mehrmals genutzt und verinnerlicht ist, kann man schnell auch in alltäglichen Situationen auf ein gewisses Repertoire von sprachförderlichen Maßnahmen zurückgreifen, was wiederum eine sinnvolle Sprachförderung im Alltag ermöglicht.
4.1.4. Wo wird es angewendet?
Dieses Planungsraster findet zum Beispiel Anwendung in den Materialien zur interaktiven Bilderbuchbetrachtung (siehe Link unter 4.2.) oder in der Planung von Projekten oder Themen.
Wie sich in der praktischen Arbeit gezeigt hat, eignet sich das Planungsraster auch für Projektarbeiten im offenen und situativen Ansatz.
Der Träger „Socius – die Bildungspartner“ nutzt dieses Raster beispielsweise zur Erstellung eines Jahresscurriculums für die von ihm eingerichteten Sprachfördergruppen nach §55 des Berliner Schulgesetzes.
Ein Beispielraster finden Sie an Ende dieses Artikels zum Download.
4.2. Weitere Beispiele der SFZ-Arbeit
Das Team hat noch weitere Materialien entwickelt, über die zum Teil schon per Homepage oder Newsletter berichtet wurde, weshalb hier nur kurz darauf verwiesen werden soll: