Beratung und Vernetzung
Interview: Was macht Friedrichshain-Kreuzbergs »Beauftragte für Gute Arbeit«?
Seit November 2019 hat Friedrichshain-Kreuzberg als erster Bezirk eine »Beauftragte für Gute Arbeit«.
Was sind Deine Aufgaben?
Romana: Erstens bin ich Ansprechpartnerin für Beschäftigte und biete Beratung und Expertise zu allen Fragen rund um das Arbeitsverhältnis, zu Entlohnung, Arbeitsbedingungen oder Mitbestimmung an. Zweitens arbeite ich mit Partner*innen wie dem DGB Kreisverband oder auch Beratungsstellen im Netzwerk Gute Arbeit zusammen. Dort diskutieren wir behördenübergreifend und praxisorientiert konkrete Probleme und organisieren Informationsveranstaltungen für Beschäftigte aber auch Betriebs- und Personalräte. Drittens gebe ich intern Anregungen für Verwaltungshandeln für mehr Gute Arbeit.
Was sind die größten Probleme der Beschäftigten im Bezirk?
Friedrichshain-Kreuzberg ist in seiner Wirtschaftsstruktur durch klein- und mittelständische Unternehmen sowie einen hohen Anteil von Digital-/ Plattformökonomie geprägt. Wir haben überproportional viele Unternehmen ohne Tarifbindung und ohne Betriebsräte. Statistisch betrachtet arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im Schnitte 54 Minuten mehr die Woche und bekommen dafür 11 Prozent weniger Lohn. Neben dem Gender-Pay-Gap müssen wir als besonders migrantisch geprägter Bezirk den Migration-Pay-Gap beklagen: Friedrichshain-Kreuzberger*innen mit Migrationshintergrund haben im Schnitt ein um mehr als 400 Euro monatlich geringeres Nettoeinkommen.
Wie viele Arbeitnehmer*innen nutzen das Beratungsangebot und was wird da angefragt?
Ich habe monatlich zwischen zehn und 20 Anfragen, ein großer Teil betrifft Fragen rund um Corona-Arbeitsschutz und Auswirkungen der Pandemie. Ein zweites großes Thema ist Mitbestimmung und Fragen zur Betriebsratsgründung. Insgesamt ist das Spektrum breit: Es werden auch Themen wie Urlaubsansprüche, Home-Office oder Umgang mit Aggressivität am Arbeitsplatz angesprochen.
Was rätst du Beschäftigten, die im Betrieb Probleme haben?
Das kommt auf das Problem an. Manchmal gibt es klare rechtliche Vorgaben, manchmal bedarf es einer Verständigung mit Kollegen*innen und Vorgesetzten. Sicher ist es immer sinnvoll, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein: sowohl für den Arbeitsrechtsschutz als auch für den solidarischen Austausch mit anderen Gewerkschafter*innen.
Kannst Du ein Beispiel benennen, wie das Bezirksamt auf deine Initiative hin aktiv geworden ist?
Anlässlich der aktuell stattfindenden Betriebsratswahlen ruft das Bezirksamt zur Gründung von Betriebsräten auf und hat die Info-Veranstaltung »Wie gründen wir einen Betriebsrat?« bei Schul-Catereren, Reinigungsfirmen, Trägern von Familienzentren und Jugendclubs beworben. Im vergangenen Jahr wurden Maßnahmen für Zuwendungsempfangende beschlossen, u. a. werden zukünftig keine Minijobs mehr über Zuwendungen finanziert. Direkt für Beschäftigte habe ich auch weitere Veranstaltungen über Rechte im Minijob bis hin zu »How to Home-Office« angeboten.
Was steht in diesem Jahr noch an?
Aktuell organisiere ich Maßnahmen, um die aus der Ukraine geflüchteten Menschen über ihre Rechte und Ansprüche bei der Arbeitsaufnahme zu informieren. Im Sommer will ich zum ersten Mal einen Betriebs- und Personalräteempfang im Bezirk durchführen, um den Austausch zu verstärken und von der Expertise der Betriebsräte zu profitieren. Im Herbst wird der allgemeine Mindestlohn auf 12 Euro erhöht, leider zugleich auch die Minijob-Grenze. Im Zuge dessen will ich eine Info-Veranstaltung für Minijobber*innen durchführen und die Beratung für Minijobber*innen intensivieren.
Romana Wittmer
Beauftragte für Gute Arbeit
Telefon: (030) 90298 4819
E-Mail: gute-arbeit@ba-fk.berlin.de
Web: www.berlin/bga-fk
Kontaktieren Sie mich bei Fragen zum Beschäftigungsverhältnis, zu Entlohnung oder Arbeitsbedingungen! Betriebs- und Personalräte aus Friedrichshain-Kreuzberg erhalten auf Anfrage sehr gerne eine Einladung zum Betriebs- und Personalräte-Empfang.
Interview in der klarlinks, Mai/Juni 2022