Die langwierige Diskussion um die Frage, warum Berlin das bislang einzige Bundesland ohne weitgehende kommunale Mitbestimmungsmöglichkeiten ist, hat
jetzt zu einem handfesten Ergebnis geführt. In seiner Sitzung vor der Sommerpause 2005 beschloss das Abgeordnetenhaus eine Änderung der Landesverfassung, die die Voraussetzung zur Einführung von Bürgerentscheiden auf Bezirksebene war.
Damit haben die Wahlberechtigten in den zwölf Bezirken nunmehr das Recht, in vielen Angelegenheiten mitzuentscheiden, zu denen bislang allein die
Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) beschlussberechtigt waren.
„Mit Blick auf die kommunale Praxis anderer Bundesländer erscheint eine Erweiterung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger Berlins als dringend geboten“, heißt es in der Begründung für die Gesetzesänderung, die Mitte Juli 2005 in Kraft getreten ist. Mit der Einführung des Bürgerentscheids werde nun klargestellt, dass „die vollziehende Gewalt nicht mehr allein in den Händen der Bezirksverwaltungen liegt, sondern in bestimmten Fällen auch durch Akte der unmittelbaren demokratischen Willensbildung der Bevölkerung erfolgen kann“.
Mögliche Themen für Bürgerentscheide, die im Erfolgsfall an die Stelle von BVV Beschlüssen treten und deren Rechtskraft entfalten, sind u.a. Entscheidungen zu Schulstandorten, zur Einrichtung von Parkraumbewirtschaftungszonen und Tempo 30-Bereichen sowie anderen verkehrsberuhigenden Maßnahmen, zur Gestaltung öffentlicher Grünanlagen und Spielflächen und zu bezirklichen Investitionsvorhaben. Ausgeschlossen sind Bürgerentscheide dagegen bei der Beschlussfassung über den Bezirkshaushalt und über die Verwendung von Sondermitteln sowie in all jenen Fälle, in denen ohnehin einen formale Bürgerbeteiligung vorgeschrieben ist. Damit bleiben u.a. auch die Aufstellung bzw. Festsetzung von Bebauungsplänen, mit denen die Bezirke zum Beispiel die Entwicklung von Gewerbegebieten, Handelszentren oder Wohnquartieren anstreben, einem bindenden Bürgerbescheid entzogen.
Wie kommt ein Bürgerentscheid zustande?
Dem Bürgerbescheid hat ein Bürgerbegehren mit einer mit Ja oder Nein zu beantwortenden Frage vorauszugehen. Es ist beim Bezirksamt anzuzeigen, das innerhalb eines Monats über seine Zulässigkeit entscheidet. Ist es zulässig, haben seine Initiatoren sechs Monate Zeit, um unterstützende Unterschriften von
mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten zu sammeln. Im Bezirk Friedrichshain – Kreuzberg mit rund 177.000 Wahlberechtigten sind das ca. 5.310. Nach Abgabe der Unterschriftenlisten prüft das Bezirksamt innerhalb eines Monats, ob genügend gültige Unterschriften vorliegen.
Wenn ja, dürfen Bezirksverordnetenversammlung und Bezirksamt bis zur Durchführung des Bürgerentscheids keine dem Bürgerbegehren zuwiderlaufenden Beschlüsse mehr fassen. Innerhalb von zwei Monaten kann sich die Bezirksverordnetenversammlung das Anliegen des Bürgerbegehrens jedoch zu eigen machen. Tut sie das nicht, muss sie eine Alternative formulieren, die beim dann stattfindenden Bürgerentscheid konkurrierend zum Bürgerbegehren zur Abstimmung gelangt.
Der Bürgerentscheid muss spätestens vier Monate nach Zustandekommen des Bürgerbegehrens stattfinden. Die Wahlberechtigten erhalten rechtzeitig Informationen über Termin und Ort des Bürgerentscheids sowie über die konkurrierenden Vorlagen. Auf dem Stimmzettel müssen sie sich dann zwischen dem Anliegen des Bürgerbegehrens und der Alternativvorlage der Bezirksverordnetenversammlung entscheiden. Am Bürgerentscheid müssen sich mindestens 15% der Wahlberechtigten beteiligen. In unserem Bezirk sind das ca. 26.550. Angenommen ist die Vorlage, die die meisten Stimmen erhält. Das Ergebnis des Bürgerentscheids hat die gleiche Wirkung wie ein BVV – Beschluss. (Auszugsweise aus einem Artikel von Albrecht Molle aus Vor Ort 7/8.2005.)