Sebastian Cimander berichtet aus Lund und Malmö

Bericht aus Kopenhagen

Bericht vom 27.09.2024

In meinem letzten Bericht, möchte ich den Schwerpunkt auf ein Exkursionsziel legen und von einem urbanen Stadtplatz mit dezentrale Regenbewirtschaftung berichten, welchen ich bereits 2017 kurz nach der Realisierung schon einmal besichtigt hatte. Dieser Stadtraum „Tåsinge Plads“ befindet sich jedoch weder in Lund noch in Malmö, sondern in Østerbro, einem Bezirk in Kopenhagen und ist gleichzeitig der erste klimaangepasste Stadtraum des Straßen-und Grünflächenamtes der Stadt Kopenhagen. Dank einem sehr spontanen Austausch mit A. Dam, Professor der Universität Kopenhagen, bekam ich nähere Informationen zur Entwicklung, Pflege und Unterhaltung der Bepflanzung des nun knapp zehn Jahre alten Stadtplatzes. Auf diesem urbanen Freiraum, so Dam, ist der Regen herzlich willkommen. Hier wurden 7.500 m2 Fahrbahnfläche und andere befestigte Flächen sowie knapp 3.000 m2 Dachflächen von der Kanalisation abgekoppelt. Der Tåsinge Plads verbindet die technischen Anforderungen der Regenwasserbewirtschaftung mit dem Wunsch der Anwohner*innen, nach einer grünen Oase und einem lokalen Begegnungsraum. Der Tåsinge Plads, so Dam, ist das Ergebnis eines engen Dialogs mit den Anwohner*innen des Platzes und umfasste mehr als nur eine Reihe von öffentlichen Versammlungen. Während des Baufestivals im Jahr 2013 wurden gemeinsam, temporäre Stadtmöbel entworfen und gebaut. Die Möbel wurden auf dem Platz installiert, um die Auswirkungen von Verkehr, Zugänglichkeit und sozialen Aktivitäten zu testen. Mehr als 1000 m2 versiegelte PKW-Parkplatzfläche wurden in eine große Grünfläche umgewandelt, die jetzt Teil des urbanen „Parkplatzes“ sind. Es wurden größtenteils recycelte Materialien verwendet.

Das Projekt wurde außerdem hinsichtlich der Pflanzenverwendung von der Universität Kopenhagen begleitet und betreut, um die Entwicklung der tatsächlich gepflanzten zukunftsfähigen Stadtbäume und klimaresilienten Stauden über mehrere Jahre hinweg zu sichten und zu evaluieren. Nach nun knapp 10 Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die artenreiche Pflanzenverwendung der Regengärten nicht wirklich erfolgversprechend war, sondern sich nur die wirklich salz- -und stresstoleranten Stauden wie u.a. Alchemilla mollis, Deschampsia ces. ‘Tardiflora’ und Lysimachia punctata, mit tiefen Wurzeln sich bewährt hatten. Bei den Stadtbäumen etablierten sich vor allem die schnellwachsende Bäume wie u.a. Alnus spaethii, Salix alba ‘Saba’ und Acer campestre ‘Queen Elisabeth’, da diese Bäume am besten von der Bewässerung der Gießsäcken profitierten. Die derzeitige Grünflächenunterhaltung- und Pflege wird aktuell vom Bezirk mit drei Gärtner*innen gepflegt.

Die Reinigungsintervalle finden einmal pro Woche statt. Der gegenwertige Zustand gleicht einer öffentlichen Grünanlage mit einer Pflegekategorie „Premiumfläche“ und ist mittlerweile eher ein dichtverwachsener urbaner Hain. Ähnlich wie auch der Neptunigatan in Malmö, müssen die Stadtbäume und Stauden nicht mehr zusätzlich bewässert werden, sondern kommen mit dem jährlichen Niederschlag von 650 mm aus. Der jährliche Rückschnitt erfolgt mittlerweile ebenfalls durch das Grünflächenamt und wird drei Gärtner*innen gepflegt. Hierbei bekommen sie oft, die Unterstützung von freiwilligen Helfer aus der Nachbarschaft.

Nach meiner gestrigen Abschlusspräsentation mit Projektberichten aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Berlin, beendete ich am Vormittag meine lehrreiche Hospitation im Format einer kleinen Feedbackrunde. Gerade überquere ich mit dem Zug die Öresundbrücke und nehme mir nochmal die Zeit, einen Blick zurück auf Malmö/Lund und auf einen lehrreichen Wissensaustausch im Rahmen des EU-Hospitationsprogramms zu blicken. An dieser Stelle auch ein ganz besonderer Dank bzw. „Tack så mycket“ an alle, die mir diesen EU-Austausch möglich gemacht haben.

Woche 3 in Malmö

Bericht vom 20.09.2024

Die Zeit vergeht wie im Flug! So auch meine dritte Woche, welche ich größtenteils in der 300.000 Einwohnerstadt Malmö verbrachte. Hier fanden gleich mehrere interessante Meetings und Vororttermine zu einem weiteren bereits realisierten Projekt zum Thema „dezentrale Regenwasserbewirtschaftung mit Fokus auf klimaresilienter Begrünung“ mit den Kolleg*innen der Stadt Malmö statt. Im Rahmen eines Online-Meetings wurde mir ausführlich das Projekt in den jeweiligen Planungs-und Ausführungsphasen der Neptunigatan vorgestellt. Besonders spannend und sehr zutreffend, fand ich die mythologische Bedeutung dieses Straßenumbauprojekts. Der römische Gott Neptun, war ursprünglich der Gott der fließenden Gewässer. Das schwedische Wort „gatan“, steht im Deutschen für „Straße“. Mit anderen Worten, die Straße des (dezentral) abfließenden Wassers.

Der Umbau der Neptunigatan, war Teil einer umfassenden Neugestaltung von Universitetsholmen (einer künstlichen Insel im Hafen) und gleichzeitig der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Stadtteils Gäddans, von einem Industrie- und Hafengebiet zu einer gemischten Stadt, die eng mit dem Zentrum von Malmö verbunden ist. Durch die Verlagerung des Autoverkehrs nach Norden in die Neptunigatan, wurde der Citadellsvägen zu einer attraktiven, nach Süden ausgerichteten Kaistraße, die vorrangig für Fußgänger bestimmt ist. Die zentrale Zielvorgabe der Umbaumaßnahme der Neptunigatan der Stadt Malmö war, eine Straße der Zukunft zu schaffen, die den Auswirkungen des Klimawandels standhalten kann indem sie vor allem das gesamte Oberflächenwasser dezentral entwässert und somit den neu gepflanzten Stadtbäumen und den klimaresilieten Stauden und Gräsern nutzbar gemacht wird. Die mit wassertoleranten Stauden begrünten tiefergelegten Regengärten bestehend aus Ortbeton, fungieren als sogenannten Biofilterbecken, um das Regenwasser von der Fahrbahn vorzufiltern, bevor es zusammen mit anderem Regenwasser abgeleitet wird. Im Vergleich zu der reduzierten Pflanzenverwendung bei dem Projekt „Byggmästaregatan“ in Lund, wurde hier in Malmö großen Wert auf eine vielfältige und artenreiche Auswahl an Stadtbäumen sowie Gehölz-und Staudenverwendung gelegt. Die Bauphase begann 2016 und wurde 2019 abgeschlossen. Seit 2023 wird die gesamte Grünflächenpflege vom Grünflächenamt Malmö durchgeführt. Die zukunftsfähigen Stadtbäume müssen, nach Aussagen der Gärtner*innen, nicht mehr zusätzlich gewässert werden, sondern kommen mittlerweile mit dem jährlich eingeleiteten Niederschlag aus. Gleiches gilt für die stress-und salztoleranten Staudenmischpflanzungen. Regelmäßige Pflegeintervalle werden einmal pro Monat von vier bezirkseigenen Gärtner*innen durchführt und beschränken sich mittlerweile auf die Beseitigung von Unrat und punktuellen verkehrssicherheitstechnischen Schnittmaßnahmen. Neben einem jährlichen Rückschnitt der Staudenflächen halten sich vor allem die Pflege-und Unterhaltungsmaßnahmen dieses knapp 15.000m2 großen Blue-Green-Street Projekts in Grenzen. Diese Erkenntnis nach 5 Jahren erfolgreicher Entwicklungspflege, stimmt mich mit Blick auf zukünftige dezentrale Regenwasserbewirtschaftungsprojekte im Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg, optimistisch.

Woche 2 Sebastian Cimander

Bericht vom 13.09.2024

Herzlich Willkommen aus der Bahn. Ich wollte schon fast der Deutschen Bahn schreiben aber ich befinde mich im SJ, dem schwedischen „Schnellzug“. Während meiner Exkursion nach Helsingborg kam es zum Wochenstart, zu einem mehrstündigen überregionalen „Blackout“ und legte den gesamten Zugverkehr in der Region Skåne lahm. Nach meiner Ankunft in Helsingborg, musste ich selbst ein wenig schmunzeln, als mich am Vorplatz des Central Bahnhofs ein überdimensional großes Schild mit der Aufschrift „IS THIS YOUR FINAL DESTINATION?“ begrüßte. Gemeint war damit aber nicht die vorzeitige Endstation des schwedischen Schnellzugs, sondern das neue Stadtviertel Oceanhamnen im alten Hafen in Helsingborg. Dieses befindet sich in unmittelbare Nähe der Central Station und ist mit dem Fahrrad oder zu Fuß über die Varvsbron-Brücke gut zu erreichen. Das neue Areal hat mich, neben der modernen Architektur, besonders durch die Verwendung zukunftsfähiger Stadtbaumarten mit großflächigen Baumscheiben und standortgerechter Staudenunterbepflanzungen beindruckt. Interessanterweise wurden sowohl die Beeteinfassungen als auch die Baumverankerungen in einem schwarzen Farbanstrich verssehen. Eine weitere Besonderheit in diesem neuen Stadtteil ist die sogenannte „Kanalisation der Zukunft“. Oceanhamnen ist in Schweden der erste Stadtteil mit einem „Three pipes out“ – Kanalisationssystem. Neben der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung im öffentlichen Freiraum, verfügen hierbei alle Häuser über ein Abwassersystem, das Lebensmittelabfälle, Toilettenabfälle und Abwasser in einem eigenen System trennt. Dadurch wird es möglich, Trinkwasser zu recyceln und Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff zurückzugewinnen.

Direkt angrenzend und ebenfalls über die Varvsbron-Brücke zu erschließen, wurde meine Aufmerksamkeit auf ein Spielplatzschild der Stadt Helsingborg gelenkt: „Klettern Sie mit den Affen. Treffen Sie Papageien, Elefanten und Gorillas. Tauchen Sie in die Geräuschkulisse und die Atmosphäre des Dschungels ein.“ Neben der knallgelben Einfriedung, den großzügigen Liegewiesen und dem barrierefreien Zugang zu einer alten Krananlage, hat mich vor allem die Einheit der Spielplatz-und Pflanzengestaltung des Dschungelspielplatzes – Djungellekan fasziniert. Die meisten Spielgeräte waren erst beim Betreten des Dschungelhains klar ersichtlich, in die Vegetation integriert und wurden mit originalgetreuen Gorillas, Giraffen und Elefanten im japanischer Origami-Stil gefaltet bzw. gestaltet. Auch die öffentliche und kostenfreie Familientoilette im Zebralook inklusive Dachbegrünung war ein Erlebnis der ganz besonderen Art! Die Stadt Helsingborg informiert seit 2020 durch einen barrierefreien Internetauftritt, mittels einem anwendbaren Filter, über die Verfügbarkeit bestimmter Ausstattungselemente. So kann im Vorfeld ein gezielter Ausflug besser geplant und von zu Hause geprüft werden, ob der jeweilige Spielplatz z.B. über Markierungen zu Höhenunterschieden verfügt oder die Sitzgelegenheiten mit Arm- und Rückenlehnen ausgestattet sind. Nach einem facettenreichen Start in die Woche, hoffe ich nun im SJ auf einen Sitzplatz mit Armlehne und eine reibungslose Rückreise nach Lund und freue mich auf interessante Meetings mit dem Planungsteam. Außerdem sind die Wetteraussichten für diese Woche mit hohen Niederschlagswerten, ideal für eine Exkursion zu den Regengärten, von denen ich in der vergangenen Woche berichtet habe.

Hospitation Cimander 2024 | Fahrradweg in Lund

Bericht vom 06.09.2024

Willkommen in der Zukunft, so würde ich meine Eindrücke in der ersten Woche hier im Grünflächenamt der 100.000 Einwohner Stadt Lund beschreiben. Mein erster Arbeitstag begann zur gewohnten Zeit um 9:00 Uhr bei, für Südschweden ungewohnten 30 Grad, mit einer persönlichen Begrüßung durch die Amtsleitung Mikael F. und dem digitalen Check-in, in Form einer Chip-Karte mit der mir Zugang zu allen Räumlichkeiten ermöglicht wurde. Im Anschluss folgte mit Sara F., meiner Supervisorin ein kleiner Rundgang durch den modernen Neubaukomplex, bei dem ich mir einen ersten Einblick über das zukunftsfähige und dort seit einigen Jahren etablierte Arbeitsplatzmodell, dem „Desk-Sharing System“ verschaffen konnte. Niemand hat mehr einen festen Arbeitsplatz, sondern jeder sucht sich jeden Morgen einen freien Arbeitsplatz und loggt sich mit seinem Laptop im System ein und kann via Monitor dann sehr flexibel arbeiten. Besprechungsräume werden digital für Meetings in Abhängigkeit der Gruppengröße gebucht und via Chip-Karte für das jeweilige Zeitfenster und den jeweiligen Teilnehmern zugänglich gemacht. Häufig schalteten sich auch Kolleg*innen aus dem Homeoffice dazu und konnten so flexibel an Meetings teilnehmen. Nach einer kleiner Vorstellungsrunden, folgt dann der wichtigste Teil eines schwedischen Arbeitstages, die „Fika“, zu deutsch ausgedehnte Kaffeepause, welche mehrmals am Tag in größerer Runde zelebriert wird.

Die darauffolgenden Tage waren weitestgehend mit spannenden Exkursionszielen rund um das Thema dezentrale Regenwasserbewirtschaftung und zukunftsfähige Bepflanzungskonzepte im innerstädtischen Bereich von Lund geprägt. Das kürzlich in einer verkehrsberuhigten Nebenstraße fertigstellte Projekt „Byggmästaregatan“ in der Nähe des Grünflächenamtes, bat mir vor Ort die Gelegenheit, mich gemeinsam mit den zuständigen Kolleg*innen der Ausführungsplanung und der Grünflächenunterhaltung über den Realisierungsprozess und deren Erfahrungswerte auszutauschen. Mit der Neuzonierung der sogenannten Byggmästaregatan, den Fußgänger- und Radwegen sowie den Fußgängerüberwegen, wurde großzügig in die Erhöhung der Verkehrssicherheit investiert. Die neu konzipierten „Regengärten“ fungieren als naturbasierte Lösungen zur Steuerung von Wasserqualität und können bei einem, wie es die Kolleg*innen in Lund nennen „Cloudburst“ das Wasser vor Ort zurückhalten und verhindern, dass es das bestehende Regenwassersystem überlastet. Auf diese Weise kann es auch zur Bewässerung von Pflanzen in trockeneren Perioden genutzt werden. Die klimaresiliente Bepflanzung schafft einen angenehmen grünen Puffer zwischen Fußgängern, Radfahrern und Autos, so dass sich alle sicher auf der Straße bewegen können, wie auf dem Bild zu entnehmen ist.