Laura Voigt berichtet aus Wien

Queeres Jugendzentrum in Wien

Bericht vom 20.09.2024

Meine dritte Woche in Wien führt mich teilweise aus der MA 7 heraus. Nicole Abdel-Qader von der MA 13, Bildung und Jugend, empfängt mich herzlich (u.a. zum Mittag auf dem Brunnenmarkt) und erläutert mir in einem Überblick, in welchen Bereichen dieses Magistrat alles tätig ist.

Vertiefte Einblicke erhalte ich in die Arbeit des ersten Queeren Jugendzentrums von Wien, dass erst im Juni 2024 eröffnet wurde. Es erhält eine Gesamtförderung der Stadt Wien und bietet queeren jungen Menschen und Allies einen safe space. Hier können sie sein, sich untereinander und mit den Jugendarbeiter*innen austauschen. Es wird gemeinsam gekocht, was verbindet, ein Ankommen erleichtert und aber auch die prekäre Lage offenlegt, aus der manche der jungen Menschen kommen, denn ausreichende Ernährung ist auch in Wien – wie in Berlin – nicht selbstverständlich und immer leistbar.

Die räumliche und inhaltliche Gestaltung findet partizipativ, gemeinsam mit den Nutzer*innen statt. Dies führte sogar dazu, dass interessierte Jugendliche Einfluss auf die Architektur nahmen. Zum Konzept des Zentrums gehören auch Kooperationen mit zahlreichen Initiativen, die den Jugendlichen Zugang zu Orten der Selbstermächtigung und Vernetzung in der Community schaffen. Der Besuch vermittelte mir großen Enthusiasmus seitens der Mitarbeiter*innen, den jungen Menschen und der MA 13.

Am Freitag lernte ich dann unter anderem die Kinderinfo, Teil von WIENXTRA, im Museumsquartier kennen. WIENXTRA setzt Freizeitprogramme für junge Menschen und Familien um, bietet Bildungsangebote für in dem Bereich tätige Personen um und unterhält verschiedene Einrichtungen. Die Kinderinfo ist ein Ort, der explizit Wiener*innen Informationen zum Kultur- und Bildungsangebot für junge Menschen vermittelt. Die Kinder können auf dem im Raum installierten Kletter- und Rutschparkours spielen, während sich die Eltern oder anderen Verantwortlichen beraten lassen oder sich selbst informieren. Ein solches Angebot, das auch aus dem Museumsquartier herausgeht, um möglichst viele Menschen zu erreichen, kenne ich aus Berlin so nicht. Allerdings wurde ich bei anderen mir unbekannten Programmen der Stadt Wien in der Nachrecherche eines Besseren belehrt und konnte so erfahren, dass es Ähnliches auch in Berlin gibt. Dies macht den Wien-Aufenthalt auf einer anderen Ebene für mich sehr wertvoll, denn er kehrt meine Berliner Innenperspektive teilweise in eine Außenperspektive und bringt so Informationen zutage, die mir sonst vielleicht verborgen geblieben wären.

In der MA 7 lerne ich in dieser Woche die dezentrale Kulturförderung der Bezirke kennen. Hier gibt es tatsächlich große Unterschiede zur Berliner Verwaltung. Denn die Förderentscheidungen finden auf politischer Ebene statt, wie ich von der Referatsleitung Andrea Thoma und Saya Ahmad, der Bezirksvorsteherin des 9. Bezirks, Alsergrund, erfahre. Ähnlich wie die Gedenktafelkommission in Friedrichshain-Kreuzberg, nur ohne Fachvertretungen, empfehlen hier Bezirksvertreter*innen Kulturprojekte zur Förderung. Wie bei den Entscheidungsträger*innen Diversität in Positionen gewährleistet werden kann, ist eine der Fragen, die die Bezirksvorsteherin zurzeit konstruktiv angeht. Interessant finde ich, dass in Alsergrund durch die Mittel nicht nur einzelne Projektförderungen vergeben werden. So gibt es bspw. auch eine Kulturkarte, die Alsergrunder*innen vergünstigten Eintritt zu kooperierenden Kultureinrichtungen ermöglicht.

Meine Hospitation endet vorzeitig mit einem positiven COVID-Test, der eine persönliche Verabschiedung von den Wiener Kolleg*innen leider verhindert. Eigentlich hätte ich in meiner letzten Woche u.a. noch einen Termin zu allgemeinen Förderungen und der Kulturstrategie 2030 der Stadt Wien erhalten, das DSCHUNGEL Wien, ein Theater für junges Publikum, besucht sowie an einer Gemeinderatssitzung teilgenommen – die ich online teilweise verfolge, aber aufgrund mangelnder Konzentration leider nicht viel mitnehmen kann.

Nichtsdestotrotz habe ich durch die vielen Austauschmöglichkeiten in den ersten drei Wochen diverse Eindrücke und neue Kenntnisse sammeln können, die auf die eine oder andere Weise eine Bereicherung für meine Arbeit für den Bezirk, aber auch für mich persönlich sind oder sein werden.

Woche 2 Wien Voigt

Bericht vom 13.09

Die Eröffnung des MEZEKƎRƎ. Festival for Global Majority Arts, Politics and Care im zurzeit leeren Volkskundemuseum, vom oca Space kuratiert, erinnerte mich durch den künstlerisch-performativen Ansatz sowie die inhaltliche Ausrichtung – Raum für minorisierte Positionen zu sein – an SAVVY Contemporary. Seit 2020 befindet sich das Volkskundemuseum in einem Transformationsprozess, um ein Museum der Zukunft zu initiieren, „hin zu einem neuartigen Kultur- und Gesellschaftsmuseum“. In dieser Zwischenzeit werden u.a. Projekte wie dieses Festival realisiert.

Gemeinsam mit zwei Kolleg*innen der MA 7 beginne ich die Woche auf dem Karl-Marx-Friedhof. Ausgewählte Gräber des Friedhofs werden aufwändig restauriert, bzw. instandgesetzt. Gemeinsam mit anderen Magistraten und den Dienstleistern wird vor Ort der Zeitplan besprochen, da auch in Wien Mittel innerhalb eines Jahreshaushalts verausgabt werden müssen.

Bei einem Gespräch mit der Referatsleitung der Wissenschaftsförderung erhalte ich Einblicke in aktuelle Diskurse der Gedenkarbeit. Durch gezielte Ausschreibungen für Förderungen sollen z.B. postmigrantische Erinnerungen im öffentlichen Raum vermittelt werden.

Auf dem Gelände des ehem. Otto-Wagner-Spitals findet in dieser Woche die Parallel Vienna, eine progressive Kunstmesse, statt, zu der mich die Referatsleiterin der Bildenden Kunst mitnimmt. Die leerstehenden Gebäude werden darüber hinaus von unterschiedlichen Initiativen genutzt, u.a. das QUEER MUSEUM WIEN hat hier Räume bezogen. Und die MA 7 wird künftig einen der Pavillons für Ateliers und Räume für Artist-in-Residence-Programme nutzen.

September ist Monat der Eröffnungen und so besuche ich Freitagabend die 13. Ausgabe der Wienwoche unter dem Motto „The Non Citizen-Movement“, einem Festival für Kunst und Aktivismus. Auch hier zeigen sich widerständige, oft minorisierte Stimmen und sie sind gerade jetzt so besonders laut, weil die Wahl des Nationalrats bevorsteht.

Neben dem inhaltlichen Austausch und Veranstaltungsbesuchen war ich in dieser Woche auch in den Referaten Fördermanagement und Abrechnungen, in dem ich einen Überblick über die administrative Abwicklung der insg. 6.000 Ansuche, so werden Anträge hier genannt, erhielt. Insgesamt stehen der Stadt Wien ca. 300 Millionen Euro für die Kultur zur Verfügung. Ca. 4.500 Ansuche können jährlich von der MA 7 bewilligt und über die Softwares ELAK (Zentrale elektronische Aktenführung der Förderfälle) und FMI (Fördermittel-Informationssystem) abgewickelt werden. Anders als in Friedrichshain-Kreuzberg ist die Betreuung in eine fachlich-inhaltliche und finanzielle unterteilt. Das Arbeiten mit den Softwares bringt viele Möglichkeiten mit sich: Ist-Zustände einzelner Projekte werden schnell und übersichtlich dargestellt; Vorlagen für Verwaltungsvorgänge sind strukturiert abgelegt und abrufbar; die Arbeitsprozesse sind transparent und vereinfachen dadurch eine Zusammenarbeit. Und auch Home Office ist problemlos möglich, wodurch sich insbesondere die Arbeit in der Corona-Pandemie kaum erschwert hat.

Musa Ausstellungsplakate

Bericht vom 06.09.2024

Ich lande in der längsten Hitzewelle, die Wien bisher erlebt hat – und beginne daher meinen Aufenthalt schwimmend in der Donau.

Auch in der Kulturabteilung, der MA 7, wird sich viel über das Wetter ausgetauscht und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen, wie Eiskaffee und Ventilator. Herzlich werde ich aufgenommen und bekomme einen Kalender mit Terminen überreicht, der einen vielseitigen Wissensaustausch und Einblicke in alle Bereiche der Abteilung(en) ermöglichen wird.

An meinen beiden ersten Arbeitstagen verknüpfen sich mein altes Tätigkeitsgebiet, Museum und Ausstellung, mit meinem aktuellen, der Kulturförderung. Die für die Förderung Ankauf von Kunstwerken zuständige Mitarbeiterin nahm sich zunächst Zeit, mir einen theoretischen Einblick in dieses Fördergebiet und -prozedere zu geben. Antragstellung und Auswahlprozess laufen tatsächlich sehr ähnlich wie bei uns in Friedrichshain-Kreuzberg ab – digital und über ein vertrauliches Jury- bzw. Beiratsverfahren. Insgesamt finden die Arbeitsschritte von der Antragstellung bis zur Prüfung des Verwendungsnachweises in Wien seit 2019 digital über ein Softwaresystem statt, ein solches System gibt es bisher in Berlin nicht. Näheres dazu werde ich bei einem Treffen in den kommenden Wochen erfahren.

Über das Gespräch hinausgehend konnte ich auch bei der Aufnahme von 2 Kunstwerken in die Sammlung des Wien Museums dabei sein. Beide Werke wurden für die Förderung in 2024 ausgewählt. Beeindruckt bin ich von der Anzahl der Mitarbeiter*innen des Museums, die bei der Aufnahme der Werke ins Depot für zeitgenössische Kunst anwesend sind, es sind insgesamt fünf – u.a. der Depotverwalter, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin und eine Registrarin. Zum Kontext: Jede*s Wiener Bildende Künstler*in kann für den Ankauf von bis zu 10 Werken Förderanträge bei der Stadt Wien einreichen.

Über private Kontakte nahm ich am Mittwochabend an einer Veranstaltung des Vereins studio OAG! im Margareten, dem 5. Bezirk, teil, der mir erste Einblicke in die Welt der Zuwendungsempfänger*innen auf Bezirksebene ermöglichte. Hier gibt es Arbeitsraum für Künstler*innen; darüber hinaus soll mit dem Programm Kunst in den Alltag der Menschen im Grätzl (Kiez) getragen werden.

Am Donnerstag durfte ich dann einer Beiratssitzung für das Arbeitsstipendium Komposition beiwohnen, die Komponist*innen mit einem Jahresstipendium von 18.000 Euro fördert – ähnliches gibt es in Berlin auf Senatsebene. Da mit der Teilnahme an der Sitzung, wie auch bei uns, eine Verschwiegenheitsvereinbarung einhergeht, lässt sich hier nur festhalten, dass sich der Ablauf zu fast 100% mit dem in Friedrichshain-Kreuzberg deckt. Der Beirat besteht aus vier Expert*innen, alle decken unterschiedliche Genres ab, um möglichst viel Wissen und Perspektivvielfältigkeit zu gewährleisten. Bei der Abstimmung, die aus mehreren Diskussionsrunden besteht, gilt der Mehrheitsbeschluss.

Heute Abend werde ich noch zur Eröffnung des MEZEKƎRƎ. Festival for Global Majority Arts, Politics and Care im Volkskundemuseum gehen und bin sehr gespannt auf alle weiteren Eindrücke, die auf mich zukommen.