Katja Werner berichtet aus Santiago

Bericht vom 28.10.2022

Heute ist mein letzter Tag. Die Woche war sehr arbeitsintensiv. Ich konnte die Woche im Jugendamt hospitieren. Das Team Coruna Stadt hat mich angeleitet. Das Team besteht aus sechs Mitarbeiterinnen, davon sind zwei Psychologinnen. Die Aufgaben des multidiziplinärem Team sind gleich. Ein sehr großer Unterschied besteht darin, dass es keine Vormundschaften gibt. Das heißt, eine Abteilung Vormundschaften existiert nicht. Die elterliche Sorge ist nicht in unterschiedliche Bereiche eingeteilt. Die Eltern können im Jugendamt beantragen, dass sie das Sorgerecht auf das Jugendamt übertragen. Erst im Kinderschutz und wenn die Eltern keine Problemkongruenz zeigen, wird das Familiengericht eingeschaltet. Es gibt kein Gesetz, welches ein beschleunigtes Verfahren anzeigt. Das Jugendamt kann eine Wohnung mit der Amtshilfe der Polizei nur betreten, wenn der Tagesrichter einen Beschluss gefasst hat, wo das Betreten aufgrund eines akuten Kinderschutzes begründet wird. Die Inobhutnahme muss nicht gerichtlich geprüft werden, sondern die Vormundschaft geht direkt an das Jugendamt über. Diese Vormundschaft ist auf höchstens zwei Jahre begrenzt. Danach muss das Gericht entscheiden, wenn weiterhin die Notwendigkeit für eine Vormundschaft besteht. Dieser Aspekt ist ein völlig neuer Gesichtspunkt. Viele Eltern suchen das Jugendamt auf, wenn die familiären Konflikte scheinbar nicht mehr anderweitig zu beruhigen sind, so dass sie freiwillig um eine Vormundschaft bitten (guarda). Eine gerichtlich angeordnete Vormundschaft nennt sich tutela. Die ambulanten Hilfen werden ohne Stundenkontingent eingesetzt. Es gibt ein großes Vertrauen, dass der Träger selber einschätzt, ob pro Woche in der Familie 3 oder 1,5 zu zweit oder alleine gearbeitet werden muss. Wichtig ist das Ergebnis. Darüber gibt es regelmäßige Helferkonferenzen und die Überprüfung der Hilfepläne. In unserer Berliner Trägerlandschaft ist dieses Arbeitsmodell wahrscheinlich nicht umzusetzen. Hier legt die Xunta in Santiago das Convenio fest, wieviel für die ambulante Arbeit zur Verfügung gestellt wird. Wie der Träger das einteilt, bleibt dem Träger überlassen.

Ich habe mehrere Hausbesuche begleitet, Hilfekonferenzen im Jugendamt miterlebt und ein stationäre Einrichtung mit 8 Plätzen auf einem früheren Heimgelände kennengelernt. Eine Art Fallteam gibt es neben der Teamsitzung mit Vorstellung über den Sachstand der Fälle ebenfalls. Es heißt COPET und neben den Kolleginnen des Jugendamtes der Regionen nimmt am COPET auch das Krisenteam (servicios urgencias) und das Team der Adoption teil.
Die Krisenplätze der Einrichtungen oder feste Plätze in stationären Einrichtungen werden über das Rote Kreuz (Cruz Roja) vermittelt. Es gibt eine wenige Centros (Stationäre Einrichtungen) die Xunta eigenen Einrichtungen sind. Die Unterbringung in Pflegefamilien auf Zeit oder langfristig wird vom regionalen Team ins COPET Team eingebracht, da immer auch die Option der Adoption fachlich geprüft wird.

Die überregionale Zusammenarbeit funktioniert überwiegend gut, manchmal sind die Kolleg*innen der anderen Jugendämter nicht erreichbar und reagieren weder auf Faxe noch auf Emails, diese Schwierigkeiten der Erreichbarkeit oder die Unmöglichkeit einer Fallabgabe unterscheiden sich nicht von denen, die wir in der Praxis in Berlin auch mit anderen Bundesländern haben.

Die Möglichkeit einer Adoption wird hier immer fachlich mitgedacht.
Das Team der Adoption hat im Copet mitgeteilt, dass für von FAS betroffene Kinder es kaum Möglichkeiten für eine Adoption besteht. Dies wird mit der Veröffentlichung von Auswirkungen des Alkoholkonsums während der Schwangerschaft in Presse und Fernsehen begründet. Betroffene Adoptiveltern haben dieses Thema permanent in der Öffentlichkeit diskutiert, da es in Spanien eine lange historische Tradition gibt, Kinder von Russen oder den ehemaligen GUS Staaten zu adoptieren. Wenn sie bereits Säuglinge adoptiert hatten, erhielten sie vor der Adoption keine Informationen darüber, dass die Möglichkeit besteht, dass das Kind ein fetales Alkoholsyndrom haben könnte. Durch diese starke Präsenz in der Öffentlichkeit sind diese Kinder stärker stigmatisiert als Kinder, wo anderen Beeinträchtigungen diagnostiziert sind.
Die Bereitschaft Kinder mit FAS zu adoptieren ist auf null gesunken, so der Hinweis der Kollegin aus dem Adoptiv-Team.

Den Mitarbeiter*innen stehen mehrere Elektrofahrzeuge zur Verfügung, da sie auch 2-3 h in das Umland fahren müssen. Gestern fand auch der erste Termin einer Fremdunterbringung mit der Großmutter mütterlicherseits statt. Die Großmutter war mit zwei Kolleginnen an einem Feiertag bis nach Madrid gefahren, da die psychisch erkrankte Mutter sich an die kolumbianische Botschaft gewandt hatte, um auszureisen. Die Mitarbeiter der Botschaft reklamierten, dass das Kind beide Staatsbürgerschaften hat und bemerkten, dass die Mutter sich in einem Ausnahmezustand befand. Da die Mutter mit Kind hier polizeilich gemeldet sind, musste das Kind von der Inobhutnahmestelle in Madrid nach Galizien verlegt werden. Mit der Hilfe der Großmutter wurde das Kind abgeholt und verlegt. Dieses war in dem gestrigen Hilfeplangespräch erneut Thema. Die Großmutter hatte Vormundschaft beantragt, aber für die nächsten zwei Jahre hat diese das Jugendamt inne mit der fachlichen Begründung, dass die Mutter 1. Somit keine Konkurrenz mit der Großmutter um das Kind hat und weil die Mutter die volle Unterstützung im Alltag von ihrer eigenen Mutter im Alltag benötigt. Aufgrund von häuslicher Gewalt ist die Mutter psychisch erkrankt. Das Kind war aufgrund der Unterstützung der Tanten und dem Rest der Familie pflegerisch in einem guten Zustand, war aber sehr isoliert und ging schon ein Jahr nicht mehr zur Schule.
Jetzt in der stationären Einrichtung hat das Kind nachgeholt, was es vorher im Haushalt der Mutter nicht ausleben konnte, aufgrund der hohen Verantwortung, die es für seine Mutter übernommen hatte.

Gestern war auch meine Vorstellung im Rahmen einer Power Point, wie die Arbeit in unserem Bezirk funktioniert und welche gesetzlichen Rahmenbedingungen bestehen für die unterschiedlichen Hilfemaßnahmen innerhalb des SGB VIII. Besonders die Einrichtungen nach §19 SGB VIII, sowie die Projekte wie Triangel oder die Tagesgruppen mit Beschulung, sowie das Betreute Einzelwohnen ab 15 Jahre war für alle eine Neuheit. Familienräte kannten sie bisher nicht. Die Vergabe von Stundenkontingenten im Rahmen der ambulanten Hilfen war ebenfalls ein neuer Gesichtspunkt für die Kolleg*innen hier.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit meiner Teilnahme an diesem EU Programm und möchte auf jeden Fall diese Möglichkeit erneut nutzen. Vielen Dank und auch dass trotz der chronischen Unterbesetzung mir von meinem Team und Regionalleiter sowie der Gesamtleitung dies ermöglicht wurde.

Jetzt geht es erneut zu einem Hausbesuch.
Saludos y hasta lunes en Berlín

Bericht vom 21.10.2022

Die Zeit rast, heute letzter Tag der dritten Woche. Die Woche war sehr unterschiedlich.Beratungstermine mit den Kolleginnen, Teamsitzung, wo auch der Erstcheck zu vergangenen und aktuellen Fällen gemeinsam bearbeitet wurde in Fällen von sexuellem Missbrauch und dann an das Team des Jugendamtes versandt wurde.

Indikatoren sind wie bei uns, aber noch mehr Tabellen zum Ausfüllen…
Die Stiftung meninos arbeitet nicht mit Stundenkontingent.
Die Finanzierung ist durch mehrere Töpfe abgedeckt:
1. Durch die Bezahlung der Regierung (Madrid)
Madrid zahlt an alle 17 Autonomías plus Ceuta und Melilla (Kontinent Africa)
2. Die Xunta in Santiago de Compostela zahlt laut Convenio an die Stiftung.
Die Stiftung besteht aus: aus 24 Angestellten in Coruna, ca. 100 in Galizien.
Insgesamt unterstützen sie aktuell im Team von 6 Frauen 52 Familien, in Gesamt Galizien sind es 136 Familien.

Weitere Termine dieser Woche waren:
• Beratung mit dem Vater, dessen Sohn fremduntergebracht ist. 1,5 Stunden Beratung, wie er seine Stunde als Vater nutzen kann um die Beziehung zwischen seinem Sohn und sich aufzubauen.
• Zwei Tage Arbeit verbrachte ich mit der Vorbereitung der zwei Power Point Vorstellungen mit der Vorstellung unserer Arbeit und die gesetzlichen Grundlagen im Kinderschutz und welche Hilfsmaßnamen das KJHG (§18.3-§35a ) alle Hilfen…
Und eine anonymisierte Fallvorstellung. Beide Präsentationen sind für eine Konferenz kommenden Donnerstag im Jugendamt.

Gestern hatte ich einen kompletten Tag im Jugendamt und nächste Woche werde ich das Angebot nutzen bis auf meinen letzten Tag im Jugendamt zu hospitieren.
Gestern war der Tag geprägt von zwei Missbrauchsfällen, die beim Familienrichter (Tagesrichter) vorgestellt wurden. Die Polizei hat eine spezialisierte Einheit (ufam-unidad familiar atención familia y mujer) damit verhindert wird, dass die Kinder und Jugendlichen alles 1000 Mal erzählen müssen. Über Videoaufnahme plus Polizeischeibe im Familiengericht muss das Kind/die Jugendliche nur 1x berichten, was vorgefallen ist.
Auch hier haben sie im Jugendamt über 100 Familien, manche bis zu 200 Familien zu betreuen.

Neben dieser Stiftung, die die ambulante Familienhilfe erst entwickelt hat…bietet das Jugendamt noch andere Programme zur Unterstützung an. Diese Programme werde ich nächste Woche noch kennenlernen. Das Gebäude des Amtes (Jugendamt und Arbeitsamt) teilen sich das spacige Gebäude. Sie arbeiten in Großraumbüro in Kreisform, jedes Team von sechs Mitgliedern hat die Tische zusammen. Die Aktenführung ist aufwendig und bis die Hilfe bei den Familien ankommt dauert es lange.

Vorschau auf nächste Woche:
• Montag und Mittwoch Hilfekonferenzen im Jugendamt
• Dienstag Teamsitzung des gesamten Jugendamtes
• Donnerstag zwei Konferenzen (Vorstellung eines Falles von der Vormundschaft um die nächsten Schritte zu entscheiden im Gesamtteam)
• Anschließende meine Power Point Präsentation
• Freitag letzter Tag mit Abschied mit tapas salir a los bares
Entscheidender Unterschied: Die Teams sind multidisziplinär bestehend aus Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Anwält*innen. Das Gehalt ist gleich und über die Convenios geregelt.

Die Arbeit im Kinderschutz wird neben 80 Euro extra monatlich mit 11 Tagen extra zum Jahresurlaub von 30 Tagen honoriert. Außerdem erhalten sie extra Tage (Bürgertage) um private Angelegenheiten zu regeln.

Das Gehalt ist sehr niedrig, die Preise im Supermarkt sind fast gleich hoch wie in Deutschland. Alle Preise sind gestiegen, wie Mieten, Strom, Gas und Heizöl….

Xunta de Galicia

Bericht vom 15.10.2022

Die Fundación Meninos hat unterschiedliche Programme. Aktuell bieten sie 13 Angebote für Familien und Eltern an. Außerdem führen sie Weiterbildungskurse in anderen Städten und Regionen von Spanien an.

Im Programm PIF wird das Team supervidiert durch die Universität Madrid Comillas, wo sie einzelne Videosequenzen mit Eltern und Kindern aufnehmen und dazu ein Videofeedback des Uniteams erhalten. Im Folgenden stelle ich die einzelnen Angebote, die hier Programme heißen vor: Die familiäre Intervention: Damit geben sie erzieherische und psychosoziale Unterstützung und zeigen den Eltern die familiären Dynamiken auf um alternative Strategien zum Umgang mit ihren Kindern zu entwickeln.

1.Programm mit dem Fokus auf die pränatale Entwicklung der Kinder ab Schwangerschaft. Dadurch wollen sie eine gesundheitliche Entwicklung der Säuglinge erreichen mit psychologischer Unterstützung, Entwicklung von sicherer Mutter-Kind Bindung um persönliches Leid und Risikoentwicklung zu vermeiden und für das sichere u. gesunde Aufwachsen und den Schutz der Kinder zu gewährleisten.

2.Präventive Arbeit im Kinderschutz
Unterstützung in familiären Krisensituationen, Strategien und Methoden um die bisher eingespielten dysfunktionalen Dynamiken zu verändern um Kindeswohlgefährdungen abzuwenden oder erst gar nicht entstehen zu lassen.
Motivationsprobleme, persönliche Krisen, keine oder wenig Problemkongruenz, bei Schulabstinenz (Schuldistanz) und pubertärem Risikoverhalten.

3.Familienzentren
Zur Unterstützung von Familien und Entwicklung zur Orientierung in problematischen Familiensituationen um die Umsetzung der Kinderrechte zu gewährleisten.
Förderung der Eltern-Kind- Beziehung und um Methoden zur Normalisierung des Familienlebens zu entwickeln.

4.Programm für die Krisenunterbringung in Kurzzeitpflege

5. Programme zur Unterstützung von Adoptivfamilien
Unterstützung und Vorbereitung/Vermittlung in Adoptivfamilien
Therapeutische Interventionen

6.Intervention bei sexuellem Missbrauch
Die Möglichkeit der Verarbeitung des erlebten Übergriffes um die Wiedererlangung der bio-psychisch-sozialen Gesundheit

7.Intervention bei häuslicher Gewalt
Unterstützung bei erlebter Gewalt für Kinder und Jugendlich
als Zeuge von häuslicher Gewalt. Umgang mit Traumas und Verarbeitung der selbigen.

8.Programm zur Verhinderung von Fremdunterbringung
Wenn Kinder aufgrund von Kindeswohlgefährdung nicht weiter in der Herkunftsfamilie leben können, wird die Möglichkeit überprüft, ob ein Aufwachsen in einer Nichtverwandten oder Freundesfamilie möglich ist.

9.Erziehungs- und Psychologische Beratungsstelle
Zur Rückerlangung von persönlichen Ressourcen und Lebensqualität, Veränderung von eingespielten Verhalten um mit erlebten traumatischen Situationen um neue Verhaltensweisen zu erproben.
Soziale Inklusion

10.Projekt „Brújula“
Die Übersetzung von Brújula ist Kompass.
Das Projekt Kompass gibt Impulse an die Eltern um die soziale Inklusion zwischen Eltern und Kindern im Kinderschutz zu verbessern und Risikosituationen der Kinder abzuwenden. Dabei werden den Eltern alternative Handlungssituationen aufgezeigt.

11.Projekt CaixaProinfanicia
Dieses Projekt wird von der Bank aus Katalonien Caixa finanziert und entwickelt Angebote für sozialerzieherische Aktionen um für die Zukunft der Kinder und Jugendliche neue Möglichkeiten zu erschaffen. Das Projekt ist an mehreren Standorten in der Provinz in verschiedenen Gemeinden angesiedelt. Ähnliche wie Familienzentren, allerdings vom Hauptstandort aus, auch 3 Stunden entfernte Projektstandorte.

12.Entwicklung und Difusion von Kenntnissen
Die Stiftung Meninos investigiert in neue Aktivitäten um neue präventive Projekte zu entwickeln, alle mit dem Ziel, Kinderrechte durchzusetzen, und eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Dabei werden sie durch unterschiedliche Programme der Universität unterstützt um innovative Projekte zu entwickeln. Dazu finden interne Weiterbildungen statt. Hauptaugenmerk liegt dabei immer auf die emotionale und mentale Gesundheit der Kinder.

13.Entwicklung von Projekten
Projekt „Colexio Do Benquerer“
Dieses Jahr wurde dieses Projekt für die Schule entwickelt um über sexuellen Missbrauch in Grundschulen aufzuklären.Dieses Projekt wurde für alle Grundschulen in der ganzen Provinz Galizien entwickelt.Die Projekte finden in der 5. und 6. Klasse statt. Dazu werden Unterrichtsmaterialien erschaffen, die sich mit Themen wie Gefühlen, Geheimnisse gute und schlechte, sowie anschließend der Umgang für das Lehrpersonal. Mit Hilfe von Büchern, Videos und Gefühlsmonstern werden die Schüleri*innnen animiert über ihren Alltag zu berichten und respektvoll mit sich und anderen umzugehen. Sie erhalten Hilfestellung. Das Lehrpersonal wird sensibilisiert für das Tabuthema sexueller Missbrauch.

14.Präventive Erziehung
„Viaxe ao reino das emocións“ Die Reise ins Innere der Gefühle
Dies ist ein Projekt, welches für alle Kindertagesstätten in Galizien entwickelt wurde. Dabei steht die Entwicklung von didaktischem Material zur Verbesserung der sozialemotionalen Fähigkeiten, wie Empathie und Respektentwicklung beinhalten. Die Kinder werden mit den verschiedenen Materialien angeleitet, welche Werte beim respektvollem Miteinander wichtig sind und erlernen Strategien um Gewaltsituationen zu vermeiden, auch das Thema bullying oder Missbrauch und Gewalt findet Eingang in das didaktische Material. Seit fünf Jahren besteht dieses Projekt und insgesamt 21.488 Kinder und 209 Kindertagesstätten haben daran teilgenommen. Es wurden dabei auch Online Spiele und Tischspiele neu entwickelt.

15.Proxecto „Lecxit“
Literatur für Erfolg in der Erziehung- dieses Projekt wird von der Stiftung „Bofill“ finanziert, Impulsgeber war das Team von Meninos.
Dieses Projekt basiert auf freiwillige Teilnahme der Grundschulen der 4-6. Jahrgangsstufe. Dabei wird das Lehrpersonal supervidiert, die Aktivitäten werden mit neuen Methoden umgesetzt, um eine soziale Inklusion und eine Verbesserung der sozialen Integration aller Kinder zu erreichen. Dabei werden Ehrenamtliche eingesetzt um mit den Kindern in der 1:1 Betreuung während des Unterrichts zu arbeiten. Dieser Ehrenamtliche soll eine kontinuierliche Beziehung zu den Schüler*innen aufbauen und ihn zugleich motivieren und neue Impulse beim Lernen zu setzen.Dies geschieht im Rahmen einer einstündigen Beschäftigung mit Büchern als Vorlesestunde pro Woche.

16.Weiterbildung
Es gibt sowohl interne als auch externe Weiterbildungsangebote die von verschiedenen Universitäten für das Personal Meninos angeboten werden.
Das Personal bietet darüber hinaus ebenfalls für andere Bundesländer Weiterbildungskurse an.

Nachmittags fanden diverse Hilfekonferenzen im Jugendamt statt. Das Jugendamt befindet sich seit Januar 2022 in einem Neubau und wirkt sehr steril, fast als sei es eine riesige Immobilienfirma oder eine große Bank.

Neben dem Pförtner sind auch Sicherheitsangestellte zu sehen.
Die Mitarbeiterin des Jugendamtes war auf meine Anwesenheit nicht vorbereitet worden, war trotzdem sehr offen und wollte, dass ich an der Hilfekonferenz teilnehme. Hierbei ging es um eine Familie, wo die Eltern und ihre beiden Söhne geistige Beeinträchtigungen haben. Die ambulante Hilfe sollte im Termin eingesetzt werden und konkrete Hilfeziele sowie der neuste Sachstand wurde von seitens der Eltern formuliert. Der Vater war gerade aus der Haft entlassen worden, da er in eine Messerstecherei verwickelt war, ansonsten sei er nie aggressiv auffällig geworden. Die Familie ist zurzeit ohne eigene Wohnung und hatte den Wohngeld Antrag schon gestellt, mit Hilfe der Schulsozialarbeiterin. Die Kinder würden laut Eltern keinen Respekt zeigen, der jüngste Sohn zeige massive Verhaltensauffälligkeiten und werfe in der Wohnung im Haushalt der Großmutter, wo die Familie seit Haftentlassung des Vaters Obdach gefunden habe. Vorher sei die Mutter mit ihren zwei Söhnen in ihrer Verwandtschaft in unterschiedlichen Haushalten umhergezogen.

Der nächste Termin war eine Helferkonferenz im Kinderschutz, wo der Vater vor kurzem verstorben war und kurz vorher ebenfalls aus der Haft entlassen war. Haftgrund war Drogenhandel. Den gemeinsamen Sohn, 13 Jahre mussten sie aus dem Haushalt aufgrund von Kinderschutz herausnehmen, die Eltern hatten den Sohn im Alter von 6 Jahren als Drogenkurier eingesetzt. Drogen und Waffenhandel ist hier öfter Thema und Indikator für Kindeswohlgefährdungen. Coruna gehört als Stadt mit seinem Hafen zu einer der größten Hafenstädte Europas und der Handel mit Drogen hat hier Tradition, was sich dann auch im Kinderschutz widerspiegelt.

Das Jugendamt hier unterscheidet sich in zwei wesentlichen Aspekten, die mir gestern sofort aufgefallen waren. Das Büro ist ein Großraumbüro, die Teams sitzen nach Abteilungen gemeinsam in 6-8 Plätzen zusammen. Das heißt: Kinderschutzteam, Jugendamt, Vormundschaften, Jugendgerichtshilfe, und administrative Abteilung (Bearbeitung von Anträgen und Kosten) sitzen je nach Abteilung in einer Gruppe von 6-8 Fachkräften zusammen. Außer der Regionalleitung hat niemand ein Büro. Die Regionalleitung sitzt dabei, wie ein Pförtnerbüro vor allen in einem Glasbürokasten. Die Teamzusammenstellung ist interdisziplinär, bestehend aus Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen und Sozialassistent*innen. Die Abteilung Vermittlung von Adaptionen oder Vermittlung in Pflegefamilien sitzt ebenfalls im Großraumbüro. Auf zwei Etagen gibt es einen Konferenzraum. In der unteren Etage befindet sich das Personalbüro vor einem der Konferenzsäle, welches sicherlich für die Eltern und Jugendlichen/Kinder unangenehm ist, wenn in konflikthaften Situationen oder bei Inobhutnahmen der „normale Büroverkehr“ vor dem Konferenzraum sich befindet.

Für meine letzte Woche des Aufenthalts werde ich eine kurze Vorstellung im Rahmen einer PowerPoint Vorstellung im Jugendamt präsentieren, um den Stand der Entwicklung im Berliner Jugendamt unseres Bezirks und die Angebotsstruktur der freien Träger vorzustellen. Die Fachkräfte sind sowohl im Jugendamt als auch hier in der Stiftung Meninos technisch auf höchstem Standard ausgerüstet, Computer, Internetzugang und Diensthandys.

Soviel zum gestrigen Tag…
Saludos

A Coruna

Bericht vom 04.10.2022

Meine Ankunft am Samstag war pünktlich, die Unterkunft, so wie angegeben und mein erster Arbeitstag heute, voller neuer Informationen. Per email erhielt ich die Info, dass ich von Mónica eingearbeitet werde und um 9:30 Uhr kommen soll. Ich wurde von allen sehr willkommen geheißen, obwohl sie weder meinen Lebenslauf kannten noch sich freiwillig gemeldet hatten. Sie wurden von der Xunta angefragt und meine Bewerbungsunterlagen hatten es nicht zu meiner Anleiterin geschafft. Sie übernimmt formal und die ersten Tage meine Anleitung, ich werde aber mit allen Kolleginnen die Arbeit kennenlernen. Das Gebäude befindet sich in einem Conjunto, einem Gebäudekomplex, welches ein altes Kloster plus Schule war. Das Kloster wurde damals zum Kinderheim ausgebaut und war für ca. 60 Kinder umgebaut.

Aktuell werden dort ca. 20 Kinder betreut. Als ich bereits am Sonntag meinen Arbeitsweg zu Fuß ablief, konnte ich die Kinder über den Zaun des Klostergartens auf dem Weg zum Spielplatz, welcher ebenfalls auf dem Gelände ist, sehen. Der Gebäudekomplex beinhaltet auch eine Pflegeeinrichtung, bzw. ein Alterspflegeheim, eine Beratungsstelle für Menschen mit Beeinträchtigungen, die Gewerkschaft der Xunta und das Projekt Meninos.

Die Fundación wird finanziert durch die Xunta und übernimmt Aufgaben des RSD, bzw. der freien Träger. Die Xunta hat per Gesetz die Aufgabe für das staatliche Wächteramt im Kinderschutz, sie können aufgrund von Überlastung und fehlendem Personal ihren Aufgaben jedoch kaum noch nachkommen und beauftragen die Fundación Meninos im Notfall auch für die Inobhutnahme. Meninos wurde vor 26 Jahren gegründet. Meine Praxiserkundung wird hauptsächlich in der Abteilung PIF stattfinden. PIF ist die Abkürzung für Programa de Integración Familiar /Programm für die Integration von Familien. Der Träger arbeitet ambulant und versucht stationäre Fremdunterbringungen zu vermeiden. Sie arbeiten im Kinderschutz, teilweise leben die Kinder schon Betreuungseinrichtungen, oder in Pflegefamilien auf Zeit. Meninos unterstützt die Eltern und Kinder u.a. dabei den Prozess der Rückführung in ihre Herkunftsfamilien zu begleiten. Insgesamt führt Meninos aktuell 13 verschiedene Programme zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und deren Eltern durch. Zu den anderen 13 Programmen werde ich im Laufe der Woche noch kurz eingehen.

Das Team im PIF ist ein interdisziplinäres Team bestehende aus: drei Psychologinnen, einer Erzieherin und zwei Sozialarbeiterinnen. Das Team besteht nur aus weiblichen Fachkräften. Die Stellen sind bisher nur für ein Jahr bewilligt worden. Seit Beginn der Pandemie wurde dies geändert und ab dem Jahr 2023 werden die laufenden Programme für vier Jahre finanziert. Die Fallanfragen kommen von der Xunta: Servicios Sociales Protección de Menores/ Kinderschutz. Das gesetzliche Wächteramt obliegt dem Team des Kinderschutzes. Das Team nennt sich Equipo técnico del Menor (E.T.M.)

In der Region Galizien (Bundesland) gibt es insgesamt 4 Kinderschutzteams: für die Provinzen: Lugo/Orense/Pontevedra/ Coruna. Im Kinderschutzteam von Coruna arbeiten ca. sechs Beamte (funcionarios E.T.M.) mit verschiedenen Universitätsabschlüssen. Außerdem sind sie unterteilt in E.T.M. Nord und E.T.M. Süd.

Coruna hat ca. 244.850 (Stand 2018) Einwohner*innen und im Großraum 431.332. Das Team von Meninos muss auch die Versorgung im Umland vornehmen, sie arbeiten für die Sektion Nord und Süd. Lange Autofahrten für einen Termin mit der Familie kann zwischen 1-2,5 Stunden Anfahrt bedeuten. Krisenplätze für die Kinder werden nicht über die Xunta gestellt, sondern über das Rote Kreuz, Cruz Roja. Bei Falleingang erhält das Team von Meninos ein Informe (Fallanfragebogen, mit dem Auftrag und den Daten zur Familie und Kurzbeschreibung der familiären Situation). Die Arbeit von Meninos konzentriert sich auf drei Aspekte:

1.Preservación
2.Reunficación
3. Funcionalidad

1. Bewahrung und Schutz der Herkunftsfamilie
2. Rückführung aus der Fremdunterbringung in die Herkunftsfamilie
3. Funktionieren der Familie nach ambulanter Intervention durch Meninos.

Diese Hilfen werden für ca. 2 Jahre (oder im Einzelfall länger) eingesetzt. Alle Hilfen sind freiwillig. Der Träger arbeitet zwar im Kinderschutz, aber die Familien können nicht gezwungen werden die ambulanten Hilfen anzunehmen. In der Praxis ist das Angebot aber alternativlos, da sonst die Kinder fremduntergebracht werden müssten. Anfangs gibt es eine Hilfekonferenz, danach wird die Xunta nach vier Monaten ambulanter Intervention in einer erneuten Hilfekonferenz über den Hilfeplanprozess informiert. Der Freie Träger meninos entwirft ein Plan de Trabajo/Hilfeplan. Die Xunta hat 15 Tage Zeit dem Plan zuzustimmen oder Veränderungen vorzunehmen. Im Hilfeplan werden auch andere Hilfebeteiligte benannt, wie Lehrer, Kitapersonal, die Eltern und die Kinder selber. Der Träger entwickelt eine Arbeitshypothese zur familiären Problematik. Danach informiert alle drei Monate der Träger die Xunta über den weiteren Hilfeplanverlauf . Mit den Familien bzw. den Eltern oder alleinerziehenden Müttern (Väter nehmen kaum teil an den Beratungssequenzen, da sie oftmals die Familien schon verlassen haben oder aus beruflichen Gründen nicht vor Ort sind).

Der Träger befindet sich in einem zweistöckigen Neubau der 60 er Jahre und örtlich hinter dem Kloster. Das Gelände wird als Komplex der Xunta mit den einzelnen Trägern und Funktionen gesehen. Vom Flur des Trägers schaut man auf den Klostergarten, der sich im hinteren Gebäudeteil des Klosters befindet und auch das Schwimmbad des Kinderheims (ehemals Kloster) und des Altenpflegeheims. Das Leitbild des Trägers führt in seiner Broschüre auf: Sie arbeiten als ONG (Nicht Regierungsorganisation) für die Rechte der Kinder und Jugendliche, die sich in schwierigen sozialen Situationen befinden. Meninos entwickelt mit den Eltern eine Alternative zum Schutz der Kinder und Jugendlichen. Außerdem vertreten sie folgende Werte:
• Beachtung der Gesetze zum Schutz der Kinder
• Fokus liegt auf den Interessen der Kinder und Jugendlichen
• Familie als stabilen Bezugspunkt für die Kinder und Jugendlichen
• Erziehung und Kapazität der Veränderung
• Qualität und Verbesserung der Kontinuität
• Kreative Innovation
• Betreuung von Personen
• Transparenz und Unabhängigkeit
• Aushandeln von sozialen Kompromissen
• Gleichheit und Unterstützung
• Berücksichtigung der Gleichheit der Geschlechter

Morgen ist eine Hilfekonferenz mit Eltern und Jugendamt (Xunta /E.T.M.) terminiert. Am Ende der Woche/oder des Tages berichte ich mehr.

Diesen Freitag ist hier Feiertag, so dass der heutige Feiertag kompensiert werden kann.

Saludos