Gabriel Hinterdobler berichtet aus Mailand

Milano, Pavillon HIV-Test

Bericht vom 29.10.2022

Buongiorno,

meine letzte Woche hier in Mailand ist gekommen. Ich möchte euch aber zu aller erst von dem Openair Test Angebot des Checkpoints am letzten Freitag- und Samstagabend berichten.

Zur Vorbereitung wurden am frühen Freitagnachmittag bereits Pavillons und weitere Dinge, wie Tische für die Beratung und Testung in die Nähe von Porta Venezia (das ist eine beleibte Ausgeh-Gegend mit vielen Bars, es lässt sich am besten mit der Gegend um den Boxhagener Platz vergleichen) gebracht und dort aufgebaut. (Foto)

Ich erfahre, dass sich dieses Testangebot in den letzten Monaten immer mehr in der Szene etabliert hat. Ungefähr einmal im Monat findet es hier Vorort statt. Nicht wenn es zu heiß ist aber auch nicht wenn es zu kalt ist. Es gibt natürlich Ausnahmen wie den 1. Dezember (Welt-Aids-Tag). Auch wir vom Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung veranstalten zu diesem Tag besondere Präventionsangebote.

Zuvor warb der Checkpoint u.a. auf seinen Social Media Accounts (Facebook, Instagram) für das Testangebot. Auch wurde die Klient*innen die, die Woche über hier im Checkpoint waren auf das Angebot hingewiesen.

Die Idee dahinter ist, für alle Menschen einen freundlichen, offenen, wertungsfreien Raum zur Testung zu schaffen. Mit einem einfachen Zugang außerhalb der Klinik. Und natürlich dem großen Ziel der Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten entgegenzuwirken.

Jede Person hat die Möglichkeit eine ausführliche Beratung und kostenlose Schnelltestung auf HIV und Syphilis (Foto) anonym zu bekommen. Bereits am Freitag bildete sich vor 18 Uhr eine Personenschlange vor den Pavillons.

An beiden Abenden bekomme ich die Gelegenheit bei mehreren Beratungsgesprächen und bei den anschließenden Testungen dabei zu sein.
Besonders schön finde ich, dass es in den Beratungen nicht einfach nur um das reine ausfüllen des Fragebogens geht, es bleibt auch immer Raum um über einen offenen und bewussten Umgang mit der eigenen Sexualität zu sprechen. Natürlich gibt es auch Situationen in denen nicht getestet wird, ist eine Person zum Beispiel stark alkoholisiert. Oder die Personen entscheiden für sich selbst nach der Beratung keinen Test machen zu wollen.

Bei vielen Gesprächen die ich mit den unterschiedlichen Menschen (Freiwillige Helfer*innen, zum Test kommende Personen usw.) an beiden Abenden führe konnte ich einiges in Erfahrung bringen.

Die meisten antworteten auf meine Frage wie sie von diesem Angebot erfahren haben: Von Freunden, also die uns allen bekannte Mund-zu-Mund Methode. Nach der Frage ob sie zum ersten Mal testen lassen, bekomme ich sehr oft die Antwort ja. Schätzungsweise würde ich sagen dass 75% der Personen (an beiden Abenden) zum ersten Mal in ihrem Leben einen Test machen. Vor allem weil das Angebot hier sehr von Frauen genutzt wird. Viele entscheiden sich ganz spontan, weil sie zufällig am Pavillon vorbeigekommen sind, die großen Plakate gesehen haben, oder sich einfach wundern was das hier für eine Menschenschlange ist. Das spontane und anonyme ist der Anreiz für viele heute.

Auch wird mir berichtet, dass es für viele die zum ersten Mal einen Test machen, leichter ist hier einen Schnelltest zu machen und das Ergebnis unmittelbar zu bekommen anstelle in der Klinik eine Woche auf das Ergebnis warten zu müssen. Ich erfahre auch dass viele Angst vor einem HIV Test haben und sie sich quasi so die Angst vor der Klinik nehmen. Sie können hier einen ersten Test machen und dann hoffentlich „entspannt“ einen weiteren in der Klinik. Sowie weitere Tests auf Gonorrhö und Chlamydien, dass wird immer in der Beratung empfohlen.

Viele wünschen sich noch mehr solcher Angebote. Auch wird gesagt es sollte noch mehr im öffentlichen Raum dafür geworben werden z.B. gibt es hier in der U-Bahn auch eine Art „Berliner Fenster“, das wäre eine entsprechende Idee.

Eine Aussage von einer jungen Frau beschreibt wie ich persönlich finde das Angebot perfekt: „Für mich ist es ein sicherer Ort hier, ich muss hier keine Angst vor Diskriminierung oder Anfeindungen haben. Ich finde endlich jemanden mit dem ich frei über meine Sexualität (sie betont besonders ihre eigene weibliche Sexualität) sprechen kann.“

Was passiert, wenn ein Test positiv ausfällt? Ja dazu hatte ich mir im Vorfeld auch schon viele Gedanken gemacht. Das Angebot findet auf, sagen wir mal, offener Straße statt. Es wird Alkohol konsumiert. Wie reagiert eine betroffene Person auf so ein Testergebnis?

Im Falle eines positiven Testes wird die betroffene Person, beruhigt und über die nächsten Schritte aufgeklärt. Im Falle eines positiven HIV Test Ergebnisses muss ein Bestätigungs-Test in der Klinik gemacht werden. Wenn die Person wünscht und wenn möglich, wird für sie ein Termin am Folgetag vereinbart. Auch gibt es an den Abenden wieder Unterstützung von Psychologen vor Ort. Auch bei einem positiven Syphilis Test wird an die Klinik verwiesen, um eine Behandlung zu bekommen. Außerdem empfiehlt es sich immer auch auf weitere Infektionen wie zum Beispiel Chlamydien oder Gonorrhö zu testen. Auch bieten die freiwillig Mittarbeitenden immer an die Personen zur Klinik zu begleiten, wenn sei sich dies alleine nicht zutrauen und Unterstützung wünscht.

Den ganzen Abend (an beiden Tagen ging das Angebot bis ca. 23 Uhr) ist die unglaubliche Dankbarkeit der Menschen zu spüren. Es war an beiden Abenden eine gute und entspannte Stimmung.Ich erfahre das ca. 150 Personen getestet wurden. Abschließend ist einfach nur zu sagen, dass es ein sehr gutes Präventionsangebot ist und sehr gut angenommen wird. Viele nahmen über eine Stunde Wartezeit in Kauf.

Die letzte Woche verbrachte ich, mit Hospitation in der Beratung und Testung und führte eigene Beratungen durch.

Mein Logo Europe Projekt ging unglaublich schnell vorbei. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit, so viele tolle, interessanten und engagierte Menschen habe ich kennengelernt. Nun freue ich mich aber auch wieder sehr auf mein Berlin.

A presto

Milano

Bericht vom 22.10.2022

In meiner dritten Woche hier in Mailand traf ich einen Mitarbeiter von ASA Onlus um mehr über deren Präventionsarbeit zu erfahren, ich hatte euch vergangene Woche schon kurz von dem Verein der sich hier für HIV Positive und an Aids erkrankte Menschen einsetzt berichtet. Zuhause im Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung bieten wir auch sexualpädagogische Workshops zum Beispiel in Schulen an. Eine kurze Beschreibung für die, die uns nicht oder noch nicht so gut kennen: mit unserem Präventionsteam gehen wir in Schulen und arbeiten mit den Jugendlichen zu Themen wie die Erste Liebe, Pubertät, Vielfalt, Verhütung, Schwangerschaft, Sexuelle Gesundheit und noch viel mehr Themen. ASA bietet ebenfalls vergleichbare Workshops an Schulen an. Der Schwerpunkt liegt hier thematisch auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten. Wie bei uns ist dieses Angebot hier kostenlos für die Schulen.

Die Schulen kommen von selbst aktiv auf ASA zu, wenn sie das Angebot in Anspruch nehmen wollen.

Jeder Workshop, welcher ca. zwei Stunden dauert, wird von einem Psychologen und einer HIV positiven Person geleitet bzw. begleitet.

Vor jedem Workshop wird den Schüler*innen von ASA ein Link zu einem anonymen Formular bestehend aus zehn Multiple-Choice-Fragen zum Thema zugesendet. Das wird gemacht, um Vorkenntnisse zum Thema einzuschätzen zu können und den Workshop entsprechend zu gestalten. Damit ihr einen Eindruck bekommt, wie diese Fragen aussehen.

Hier zwei Beispiele:

Welche Bevölkerungsgruppe ist am stärksten von einer HIV-Infektion bedroht?
- Drogenabhängige
- Es gibt keine spezifische Bevölkerungsgruppe, die stärker gefährdet ist?
- Homosexuelle

Welche davon ist eine HIV-Präventionsmethode?
- Verwendung eines Kondoms
- Koitus frühzeitig abbrechen
- Verwendung der Antibabypille

Im Workshop der überwiegend für Schüler*innen im Alter von ca. 13-18 Jahren ist, wird nach vorher abge-fragten Wissensstand über Übertragungswege von STD/STI, Schutz, Testung, antiretrovirale Therapie aber auch Stigmatisierung gesprochen. Die HIV positive Person kann unterstützend von den gemachten Erfah-rungen mit dem Virus berichten und Fragen der Schüler*innen beantworten.

Zum Abschluss des Workshops erhalten die Schüler*innen noch die Möglichkeit noch einmal den Multiple-Choice-Fragebogen auszufüllen und abzuschicken. ASA macht damit eine Art Lernziel Kontrolle. Darüber hinaus bewerten die Schüler*innen den Workshop mit einem weiteren Fragebogen über ihre Zufriedenheit mit dem Workshop. Dort ist auch immer Platz für Fragen und Verbesserungsvorschläge.

So wie ich es verstehe, ist sexuelle Aufklärung nicht Teil des italienischen Lehrplans es obliegt der jeweili-gen Schule dies als Bestandteil aufzunehmen. Die Schule kann aber auch externe Angebote annehmen und diese in die Schule einladen. Anders als bei uns sind hier meist die Lehrkräfte bei den Workshops dabei. Ob dies dann für die Schüler*innen noch ein Safespace sein kann bleibt fraglich. Im Lockdown haben die Workshops virtuell z.B. per Zoom stattgefunden. Oft sind bis zu 30 Schüler*innen im Workshop und werden nicht nach Geschlechtern getrennt. Sehr interessant fand ich die eingesetzten Fragebögen die vorher sowie nachher easy per Link an die Schüler*innen versendet werden. Sie können diesen auch ganz einfach über einen mitgebrachten QR Code auf ihren Smartphones öffnen. Die gesammelten Daten lassen sich natürlich auch prima für Statistik und sonstige Datenaufbereitung nutzen.

Mitte der Woche bekam ich die Möglichkeit in der Infektiologie des Ospedale Niguarda zu hospitieren. Dort durfte ich eine Ärztin die ganze Sprechstunde durch begleiten. Hier in der Infektiologie Sprechstunde werden schwerpunktmäßig Personen die eine vermutlich akute sexuell übertragbare Infektionskrankheit wie zum Beispiel: Chlamydien, Gonorrhö und Syphilis haben gesehen, getestet, beraten und behandelt. Menschen mit einer HIV-Infektion in allen Stadien (erste Diagnose oder bereits in der Therapie) werden in der gleichen Station behandelt. Dort konnte ich leider nicht hospitieren. Zwischen den akuten Patienten kam auch einige Prep User zur Sprechstunde. Neben den uns bereits bekannten Ablauf dieser Beratung und be-gleitenden Tests, fand ich besonders interessant, dass die Ärztin immer nach dem Gebrauch von Kondomen beim Geschlechtsverkehr fragt. Dadurch lässt sich beobachten, dass der Großteil der Prep User (ca. 3000 die hier an die Klinik angebunden sind) angibt nicht auf Kondome beim Geschlechtsverkehr trotz Prep zu verzichten. Falls bei den Begleittests der Prep eine Infektion vorliegt bekommen die Patient*innen die Therapie/Behandlung hier vor Ort oder ein Rezept zum Beispiel für benötigtes Antibiotika ausgestellt.

Es kommt auch vor, dass Personen über die Notaufnahme zur Ärztin kommen weil sie zum Beispiel eine Pep benötigen. Pep (Postexpositionsprophylaxe) ist ein HIV Medikament welches man nach einem vermeintlichen Risiko einer möglichen HIV Infektion 4 Wochen lang einnimmt. Falls es zu so einem Risiko kommt, bekommen die Personen die Pep erst in der Notaufnahme in der Klinik. 1 bis 2 Tage später kommen sie zum Termin in die Infektiologie. Das erfolgte Risiko wird genau eingeschätzt und dann entschieden, ob Pep für den genannten Zeitraum fortgesetzt wird. Mir wird erklärt, dass bei Männern die Sex mit Männern haben und es zu einem ungeschützten analen Kontakt kam, immer empfohlen die Pep bis zum Ende der 4 Wochen zu nehmen. Das gleiche gilt für Menschen die in der Sexarbeit tätig sind.

Opfer von sexueller Gewalt werden ähnlich wie bei uns in Berlin in eine Art Gewaltschutzambulanz verwiesen. Diese ist an eine andere Klinik angebunden.

Neben den bereits erwähnten Test wird hier im Zweifel auch HPV (Humane Papillomviren) getestet. Falls Personen unter Condylomen leiden werden diese an entsprechende Fachärzte verwiesen (Dermatologe, Protokologe). Hier in Italien kann man sich, wenn man einer bestimmen Risikogruppe (MSM) angehört noch, bis einschließlich 45 Lebensjahres kostenlos impfen lassen.

Personen mit einer diagnostizierten STD werden nach 2-3 Woche nochmals von der Ärztin gesehen um die Therapie zu überprüfen. Auch gibt es hier in der Sprechstunde die Möglichkeit sich gegen Hepatitis A / B impfen oder boostern zu lassen. Die Ärztin berichtet mir auch von der steigenden Problematik des Sub-stanzmissbrauches gerade bei Männern die Sex mit Männern haben (s.g. Chemsex). Falls sich Patienten ihr anvertrauen und um Unterstützung bitten, erfolgt eine Überleitung zu Psychotherapeuten. Der Verein ASA organisiert eine Selbsthilfegruppe zur Unterstützung von Menschen mit Chemsex Abhängigkeit. Die genannte Gruppe trifft sich einmal pro Woche abends und wird von einem auf Chemsex-Probleme spezialisierten Psychotherapeuten und einem ASA-Freiwilligen begleitet.

Diese Woche bekam ich auch die Gelegenheit mich länger mit zwei Freiwilligen, die beide seit über einem Jahr hier im Checkpoint beratend tätig sind zu sprechen. Mich interessierte vor allem wie man zu einem Freiwilligen werden kann. Im Grunde ist das sehr leicht. Man kann eine Art Berater*innen Ausbildung zum Beispiel bei Arcigay machen. Arcigay ist eine der größten LGBTI-Non-Profit-Organisationen hier in Italien. Bereits seit 1985 setzt sich Arcigay unterandrem für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und gegen Stereotype und Vorurteile gegenüber LGBTI-Personen ein, sowie gegen jede Form von Diskriminierung. Um bei Arcigay zu einem Workshop zugelassen zu werden füllt man vorher schon einen Fragebogen (online) zu Themen wie sexueller Gesundheit, LGBTI Themen, eigen Motivation aus. Eine Art Voraussortierung. Ist die „Bewerbung“ erfolgreich wird man zu einem Workshop über zwei Wochenende eingeladen. Im ersten Teil geht es im Allgemeinen gesagt über sexuelle Gesundheit, aber auch wie funktionieren Schnelltests. Im zweiten Teil wird es praktischer, die Teilnehmer*innen üben sich im Beraten üben sich in verschiedenen Situationen. (Rollenspiele)

Nach dem Workshop geht es in die Praxis dort wird zu Beginn noch einige Male hospitiert und wenn man für sich entscheidet selbst beraten zu wollen kann man damit beginnen.

Die Freiwilligen arbeiten nicht nur hier im Checkpoint, ich erfahre, dass sie auch mehrmals im Monat zum Beispiel, Tests in Bars, Clubs, Crusing Areas, an Orten an denen Sexarbeit stattfindet Tests und Beratung anbieten. Einmal im Monat treffen sich die Freiwilligen in Gruppen und erfahren eine Art Supervision. Sie können sich über schwierige Situationen austauschen und sich gegenseitig unterstützen.

Wieviel gearbeitet wird ist abhängig von der eigenen Zeit. Ich erfahre dass es gewünscht ist mindestens zwei Einsätze im Monat zu haben. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre nach oben gibt es keine Grenze. Es gibt einige Freiwillige die bereits im Pensionsalter sind, auch Freiwillige die ganz offen mit ihrer HIV Infektion leben und umgehen.

Diese Woche bekam ich auch wieder die Möglichkeit selbst beratend tätig zu werden und es ergab sich auch eine kleine Premiere in meiner Beratertätigkeit. Ich durfte Testergebnisse mitteilen und die im Falle eines positiven Testergebnisses weiteren Schritte für die betroffene Person einleiten.
Damit ihr einen noch besseren Eindruck bekommt wie der Checkpoint und die Mitarbeiter aussehen hier ein Link zu einem Video dass diese Woche durch die WHO veröffentlicht wurde.

Schaubild Prep

Bericht vom 15.10.2022

Ciao a tutti!

Die zweite Woche geht recht schnell zu Ende. Bevor ich davon berichte, möchte ich noch kurz von einer Wohltätigkeitsveranstaltung am vergangen Wochenende berichten. ASA Onlus ist ein hier ansässiger Verein, der sich seit 1985 aus solidarischen Gründen für HIV Positive und an Aids erkrankte Menschen einsetzt. Einmal im Monat veranstaltet der Verein eine Art Flohmarkt. Es werden allerlei Dinge zum Verkauf, aber überwiegend Kleidung angeboten. Als leidenschaftlicher Flohmarktgänger, bin ich der Einladung meiner Kolleg*innen hier im Checkpoint gefolgt und wurde nicht enttäuscht. Ich kaufte ein paar wirklich schöne Kleidungsstücke zu einem top Preis. Die erzielten Einnahmen kommen unter anderem auch dem Checkpoint zu Gute. Im Nachhinein erfuhr ich, dass sich der Verkauf an dem Tag richtig gelohnt hatte.

Diese Woche war recht ähnlich den bereits beschriebenen Inhalten der letzten Woche. Die Personen die Interesse an der Prep, einfacher Beratung zum Thema sexuellen Ge-sundheit, einer Testung oder auch an einem psychologischen Gespräch haben, buchen vorab einen Termin online und kommen dann in den Checkpoint. Ähnlich wie bei uns im Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung kommen auch Menschen ohne Termin mit ihren Sorgen und Nöten, es wird versucht diese zeitnah zu versorgen oder ein individueller Termin wird vereinbart.

Auf dem Foto seht ihr ein Schaubild welches hier ziemlich oft in der Prep Beratung ein-gesetzt wird. Es verdeutlicht den Usern in welchem zeitlichen Rahmen die Prep einge-nommen werden muss bzw. sollte. (Foto.)

Ich hospitiere in Beratungen, bei Testungen und führe kleine Interviews mit den unter-schiedlichen Professionen. Dabei lernte ich eine Infektiologin eines großen Mailänder Krankenhauses kennen. Sie erzählt mir, dass sie wenn sie es schafft mehrere Schichten im Monat hier im Checkpoint abdeckt. Es gibt ca. 10 Ärzte aus den unterschiedlichen Kli-niken in Mailand die hier den Dienst unter sich aufteilen. Sie führen die Tests zur Prep durch und beraten bei medizinischen Fragen oder schreiben Überweisungen für die Kli-niken. Falls Klient*innen symptomatisch in den Checkpoint kommen, vereinbaren sie auch zeitnahe Termine in der Klinik. Auf einem sehr kurzen, direkten Weg.

Sie berichtet von einer Neuerung in der Therapie von HIV. Wenn positive Personen möchten und es das passende Medikament ist, kann HIV hier seit Juli 2022 mit einer De-pot Spritze therapiert werden. Das heißt, Personen die HIV positiv sind bekommen alle acht Wochen eine Spritze. Natürlich müssen diese Personen zuvor erfolgreich antiretro-viral behandelt sein und auf die gegebenen Wirkstoffe eingestellt werden. Das ist ein toller Erfolg. Für viele Menschen eine Entlastung, nicht mehr jeden Tag bis zu zwei Tab-letten einnehmen zu müssen, geschweige denn jeden Tag daran denken zu müssen.

Anders als die bei uns bekannten Schwerpunkt-Praxen, geht man hier in Italien mit einer HIV Infektion in eine Klinik und wird dort von Anfang an versorgt, das heißt man be-kommt die Routine Kontrolle alle drei Monate (inklusive Check der Blutwerte vor allem Nieren- und Leberwerte) und seine (Therapie) Medikamente und STI Check in der Klinik.

Auch wird mir diese Woche das enorme Pensum an Öffentlichkeitsarbeit meines Anlei-ters erst so richtig bewusst. Ich möchte folgend zwei Beispiele dafür nennen, zuerst die Veröffentlichung seinen ersten Onlineartikel über die Prep. Hier der Link: https://www.gay.it/prep-proteggersi-dallhiv-oltre-al-preservativo (in Italienisch)

Zum Ende der Woche war er zu einer Preisverleihung (Comunity Award) eines bekann-ten Pharmazie- und Biotechnologieunternehmen geladen. Neben der Auszeichnung gab es auch noch eine große finanzielle Unterstützung für die Arbeit des Checkpoints.

Ich fand diese Woche auch noch Zeit, um mich mehr mit dem bereits erwähnten Frage-bogen den die Klient*innen vor der Testung ausfüllen zu Beschäftigen. Im Grunde ist dieser unserem im Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung verwendeten Fragebogen schon sehr ähnlich. Es wird nach dem Grund für den Test gefragt, Ge-schlecht, Nationalität usw. Einige Fragen gehen dennoch mehr in die Tiefe und sollten immer gut mit den Klient*innen besprochen werden: z.B. ob es schon mal einen Aufent-halt im Gefängnis gab, ob man selbst in der Sexarbeit oder Beschaffungskriminalität tätig ist.

Einen großen Vorteil finde ich, dass die Klient*innen diesen Fragebogen (anonym) auf Tablets ausfüllen. Dass ausfüllen des Fragebogens, ist allerdings anders als bei uns verpflichtend. Die Angaben werden gleichzeitig auf einer Datenbank gespeichert und können so für Datenerhebung und auch Studien genutzt werden. Mein Anleiter zeigt mir in einer freien Minute mit ein paar Klicks Grafiken wie zum Bespiel: so und so viele Per-sonen machten hier im Checkpoint zum ersten Mal einen HIV Test, so und so viele hat-ten ungeschützten Geschlechtsverkehr usw.

A Presto e cordiali saluti

Milano

Bericht vom 08.10.2022

Buongiorno, mein Hinflug am Samstagnachmittag, von Berlin nach Mailand hatte gute 1,5 Stun-den Verspätung. Als Entschädigung dafür, begrüsste mich die Sonne und warme 24 Grad am Flughafen Linate. Der Weg, vom Flughafen zu meiner Unterkunft für die nächsten vier Wochen, im Stadtteil mit dem Namen NoLo dauerte nicht mal 45 Minuten. Das Ticket kostete mich gerade mal 2€. Generell lässt sich hier schon er-wähnen, dass das Nutzen der öffentlichen Verkehrsmittel hier günstiger ist als Zu-hause in Berlin. Maske trägt man oder trägt man nicht. Die Mehrheit verzichtet da-rauf.

Auch am nächsten Morgen, ist das Wetter wunderschön, strahlend blauer Himmel und die Sonne lachte mir schon entgegen. Von meiner Wohnung im 6. Stock kann ich sogar das Alpen Panorama sehen, welches mich ursprünglich aus Oberbayern stammend natürlich sehr freut.

Auf geht`s die neue Stadt erkunden. Wer noch nicht in Mailand war, man kann direkt die Treppen von der U-Bahn hoch zum Dom nehmen und steht vor diesen un-glaublichen Gebäude, dem Mailänder Dom.

Die neue Woche beginnt. Bei euch ist heute Tag der deutschen Einheit, ich hoffe ihr habt alle euren freien Tag genossen. Pünktlich wie ich bin, bin ich schon gute 10 Minuten vor der vereinbarten Zeit am Checkpoint. Um Punkt 10 Uhr klingele ich, doch niemand öffnet die Tür. Nachdem ich ein paar Minuten gewartet habe kontak-tiere ich meinen Anleiter per WhatsApp. Er ruft mich sofort an und entschuldigt sich (auf Italienisch) und ich verstehe fast nichts. Auf Englisch klappt es dann schon besser. Er hat mich leider vergessen und verspätet sich um gute 1,5 Stunden. Macht nichts, ich gehe ins nächste Café und bestelle mir erst mal einen Cappuccino und ein Croissant. Die Zeit nutze ich, um mir nochmal die Webseite des Checkpoints und den Social Media Auftritt (Instagram) anzusehen. Gerade die Instagram Seite ist sehr ansprechend gestaltet, hier der Link:

https://www.instagram.com/milano.checkpoint/?hl=de

Ich werde auch auf einen Post von vor ein paar Wochen aufmerksam, hier wird eine „Testnacht“ beworben, die der Checkpoint veranstaltete. Und zwar konnte man sich auf HIV, Hepatitis C und Syphilis (mit einem Schnelltest) testen lassen. Das alles abends/ nachts in einem beliebten Ausgehviertel der queeren Szene. Ein weiterer Post bedankt sich bei allen Teilnehmer*innen und es heißt an zwei Abenden wurden mehr als 300 Teste durchgeführt. Die Zeit ist auch schon fast um und ich gehe zurück zum Checkpoint.

Der zweite Anlauf klappt, mein Anleiter wartet schon vor dem Checkpoint auf mich. Er ist sehr sympathisch, wir verstehen uns auf Anhieb. Er zeigt mir die Räumlich-keiten und erklärt mir gleich, dass ab heute Nachmittag die ersten Klient*innen kommen. Davor muss er noch ein paar organisatorische Aufgaben erledigen, (Tele-fonate) mit Klient*innen die Interesse an der Prep (Prä-Expositions-Prophylaxe) haben, chatten, Termine koordinieren usw. Ich lerne einen weiteren Kollegen ken-nen, er arbeitet hier ehrenamtlich und ist eigentlich schon in Pension.

Heute Nachmittag findet die Prep Beratung statt, es ist eine Mischung aus Testung/ Beratung/ Rezept Verschreibung und natürlich der Prep Vergabe. Einen Termin dafür buchen die Klient*innen vorab online auf der Webseite, es gibt Klient*innen die zum ersten Mal die Prep bekommen (die Beratung fällt in diesem Fall ausführlicher aus) oder Klient*innen die eine Fortsetzung beziehungsweise Kontrolle der Prep bekommen.

Der erste Klient bekommt zum ersten Mal die Prep. Es wird nochmal der zuvor on-line ausgefüllte Fragebogen mit ihm durchgegangen, gefragt ob er die Prep durch-nehmen möchte oder Anlass bezogen, es wird ihm nochmal ausdrücklich erklärt was er dabei zu beachten hat. Heißt, die Prep rechtzeitig mindestens 2 Stunden vor dem Geschlechtsverkehr einzunehmen. Es wird nach Blutbild gefragt (die Klient*innen müssen ein aktuelles, umfassendes Blutbild mit relevanten Werten zum Checkpoint mitbringen) und Abfrage des Hepatitis AB Impfstatus, (es ist wichtig einen ausreichenden Schutz für Hepatitis A und B zu haben.) Es wird auf Wunsch auch eine Impfempfehlung ausgesprochen, (hier in Mailand für MSM kostenlos) und im jeweiligen Impfzentrums des Distrikts zu bekommen. Ob und wenn ja, wann die letzte Syphilis Infektion war. Es wird ein Schnelltest für HIV, HEP C und Syphilis gemacht. Im Anschluss bekommt der Klient das (Privat-) Rezept für die Prep aus-gestellt.

Da heute kein Arzt im Haus ist, kann bei Bedarf ein Arzt bei Zoom oder Skype zu-geschaltet werden. Das ist ein paarmal der Fall.

Das Ergebnis der Tests für HIV, Syphilis und HEP C sind in ca. 15 Minuten fertig, die Klient*innen warten so lange im Wartebereich. Die Chlamydien- und Gonorrhötestung findet mit Urin, rektal und oder oral Abstrich statt. Die Tests werden hier Vorort in einer Maschine ausgewertet. Mir wird erklärt, dass ca. 95% der Klient*innen für die Prep Männer sind, die Sex mit Männern haben. Eine weitere User Gruppe sind Trans-Sexarbeitende Personen.

Die Klient*innen bekommen für die Chlamydien und GO Testung die Ergebnisse am folge Tag auf ihr Telefon zugeschickt.

Es wird beim Beratungsgespräch auch immer nach der Impfung für MPX (Affenpo-cken) gefragt. Falls nötig helfen die Berater*innen den Klient*innen auch Termine für eine Impfung zu bekommen.

In der Beratung wird auch über Schutzmöglichkeiten gesprochen. Das kenne ich ja von Berlin, auch bei uns im Zentrum füllen die Klient*innen vor der Beratung bezie-hungsweise des Tests freiwillig einen Fragebogen aus.

Manch ein Klient*in erhält die Prep für 4 Monate hier vor Ort. Als Voraussetzung dafür, müssen sie an einer Studie teilnehmen. Nicht alle nehmen an der Studie teil. Die Prep muss man hier in Italien selbst bezahlen und kostet ca. 60€.

Der ausgefüllte Fragebogen (online), auch über Sexualverhalten der Klient*innen, dient gleichzeitig auch für die Statistik, alle Angaben sind natürlich anonym und nicht auf einzelne Personen zurückzuführen.

Im Laufe der Woche darf ich bei einigen Skype Interview mit Prep Interessent*innen dabei sein. Ich führe eine eigne Beratung auf Englisch :-)

Was ich selbst an mir die ersten Tage beobachten kann, da ich ja die Sprache nicht so gut verstehe, bin ich mehr offen für die Umgebung, beobachte noch genauer die Körpersprache der Menschen.

Mitte der Woche gibt es einen reinen Testtag. Die Klient*innen können sich dafür online auf der Webseite einen Termin buchen. Es gibt im 15 Minuten Takt ca. 30 Termine. Mein Anleiter erklärt mir das dieses Angebot auch überwiegend von Frauen genutzt wird, von jungen Frauen, da es in Italien unter 18 Jahren nicht ohne das Einverständnis der Eltern geht einen HIV Test zu machen. Zum vergleich ab 16 Jahren kann ein Mädchen ohne das Einverständnis der Eltern einen Schwanger-schaftsabbruch machen.

Die Klient*innen warten im Wartebereich, dort liegen immer Flyer zur Prävention zur Sexuellen Gesundheit, Werbung für Selbsthilfegruppen, Safer Use u.ä. aus, es gibt auch gratis Kondome zum mitnehmen.

Gemeinsam mit einem Mitarbeiter wird vor dem Test ein Fragebogen zum Sexual-verhalten ausgefüllt.

Die Test laufen ähnlich wie bei der Prep Vergabe ab, nur dass hier nicht auf Chlamydien und die Gonorrhö getestet wird weil diese Tests zu teuer sind. Haben Personen jedoch eine Verdacht oder Symptome werden sie gleich in die nächst mögliche Klinik verweisen.

Ich lerne eine weitere Mitarbeiterin des Checkpoints kenne, sie studiert Sexualpsy-chologie im Master und absolviert hier ihre Praxisstunden.

In der Woche ist ein HIV Schnelltest positiv, der Person wird erklärt, das diese um-gehend in der Klinik einen weiteren Test machen muss. Erst mit diesem Test kann man eindeutig feststellen ob eine HIV Infektion vorliegt. Der Arzt macht unmittelbar einen Termin für die Person in der Klinik. Die ganze Situation ist für die Person vor-stellbar schwierig, zum Glück ist eine Psychologin in Rufbereitschaft, auf Wunsch wird diese verständigt und ist auch kurze zeit später im Checkpoint und nimmt sich der Person an.

Zum Ende der Woche nimmt mich ein Mitarbeiter des Checkpoints mit in eines der größten Krankenhäuser Mailands, das Ospedale Niguarda. Zum ersten mal kann ich mit der bekannten kleinen Straßenbahn aus den 20er fahren. Ich staune nicht schlecht als wir vor diesem beeindruckenden Gebäude aussteigen. Dieser Kran-kenhauskomplex ist riesig, es quasi ein ein Dorf. Wir sind mit einem Facharzt für Infektiologie und 3 Studierenden der Bocconi Universität verabredet. Es ist ein ers-tes Treffen, mehr ein Austausch an Interessen und Ideen, gemeinsam wollen sie an einer Studie über die MPX arbeiten.

Um meine italienisch Kenntnisse zu verbessern, habe ich am Dienstag mit einem Kurs angefangen.

Die erste Woche verging wie im Flug.

Arrivederci