Best-practice Beispiele und Kooperationen mit anderen Einrichtungen
Bild: Simona Mihalache
Das Bildungssystem für Erwachsene in Dänemark ist sehr komplex und manchmal schwer zu durchschauen. Das Bildungsangebot für Erwachsene ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich organisiert. Wenn die Kommune gute Maßnahmen und Entscheidungen trifft, kann es zu einem Erfolgskonzept werden, wie im Ballerup Sprogcenter oder der Køge Handelsskole, die ich in meiner letzten Hospitationswoche besucht habe. Mein Eindruck nach dem Kennenlernen dieser beiden Schulen ist, dass die Sprachkursträger die gleiche Stellung wie eine Berufsschule oder eine Ausbildungseinrichtung haben. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe für die Integration von MigrantInnen und sind deswegen Partner auf Augenhöhe mit den Kommunen.
In der Køge Handelsskole, südwestlich von Kopenhagen, wurde eine Abteilung nur für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten eingerichtet. Diese Abteilung ist eine Kooperation zwischen der Handelskole, dem Zentrum für Berufsbildung, dem Jobcenter (Kommune) und der örtlichen Sprachschule. In zwei unterschiedlichen Programmen – „Stærk fra Start“ (Stark von Anfang an) und „Klar til Fremtiden“ (Bereit für die Zukunft) – lernen die Teilnehmenden Dänisch sowie andere Kompetenzen, die sie für den Arbeitsmarkt brauchen. Im Bereich „Stærk fra Start“ lernen Jugendliche von ca. 15 bis 25 Jahren. Für schulpflichtige Kinder gibt es ein Äquivalent der Willkommensklasse. Ältere Jugendliche, ab ca. 15 Jahren, können diese aber nicht mehr besuchen, da es ihnen nicht mehr möglich ist, die Abschlüsse in der gegebenen Zeit zu erreichen. Sie können stattdessen die Klasse „Stærk fra Start“ besuchen, die es ihnen über einen etwas längeren Zeitraum ermöglicht, die gleichen Abschlüsse zu erreichen, wie alle anderen Schüler aus dem regulären Schulsystem. Im Bereich „Klar til Fremtiden“ lernen Erwachsene aller Altersklassen Dänisch sowie einen Beruf (zum Beispiel in den Bereichen Groß- oder Einzelhandel).
Das Jobcenter ist durch ein Büro direkt vor Ort vertreten. Es ist dafür zuständig, Praktikumsplätze für die Teilnehmenden zu suchen, es ist aber auch Ansprechpartner für viele andere Angelegenheiten. Die räumliche Nähe führt zu einer deutlich leichteren Kommunikation und Erfolgskontrolle.
Ein ähnliches Modell – den Sprachunterricht für Auszubildende am Ausbildungsort anzusiedeln – wird gerade auch im Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg ins Leben gerufen. Der Sprachunterricht soll begleitend zur Ausbildung stattfinden und es sollen die für den Beruf notwendigen sprachlichen Inhalte mit den Schülern geübt werden.
Das Ballerup Sprogcenter hat eine ähnliche Kooperation mit „Inside Knowledge“, einem privaten Unternehmen das von der Kommune beauftragt wurde, Teilnehmende auf dem Weg ins Arbeitsleben zu unterstützen. Außerdem helfen die MitarbeiterInnen z. B. beim Erstellen eines Lebenslaufs und beaufsichtigen den Praktikumsverlauf. Fast alle KundInnen bekommen innerhalb (maximal) einer Woche einen Praktikumsplatz. Dabei handelt es sich meistens um einfache Arbeiten, die jedoch den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, die Sprache zu üben und sich ein Netzwerk von Arbeitgebern zu bilden. Wie viele davon im Praktikumsbetrieb übernommen werden, ist schwer zu sagen.
Eine enge Kooperation besteht auch zwischen dem Ballerup Sprogcenter und der öffentlichen Stadtbibliothek. Die Bibliothek organisiert oft Infoveranstaltungen in der Sprachschule. Im Gegenzug gehen Teilnehmergruppen auf Exkursion in die Bibliothek. Viele der Teilnehmenden nehmen die Angebote der Bibliothek in Anspruch, seien es die Tageszeitungen, die Bücher in der eigenen Muttersprache oder das Sprachcafé. Letzteres findet jeden Donnerstagabend statt und wird von Freiwilligen des Dänischen Roten Kreuzes organisiert. Ich habe auch an einem Termin des Sprachcafés teilgenommen. Die meisten Freiwilligen sind pensionierte LehrerInnen, denen ihre Arbeit immer noch Spaß macht und die sich freuen, den einen oder anderen Sprachkursteilnehmenden bei den Hausaufgaben zu unterstützen. Das Sprachcafé ist gut besucht. Außer Personen, die gerade Dänisch lernen, kommen gelegentlich auch ehemalige Teilnehmende, die den Sprachkurs erfolgreich abgeschlossen haben und eine feste Arbeit haben. Sie kommen, um sich mit den Freiwilligen zu treffen, die ihnen während des Besuchs der Sprachschule so viel geholfen haben, erzählten sie mir.
Das Rote Kreuz ist übrigens sehr präsent in der dänischen Gesellschaft. Überall gibt es eigene Läden in denen Kleidung, Möbel oder sonstige Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu niedrigen Preisen für Hilfsbedürftige angeboten werden. Die Hilfsorganisation arbeitet viel mit der Kommune zusammen und wird auf Wunsch von MigrantInnen als Familienbetreuer eingeschaltet. Die weitgehend auf freiwilliger Arbeit basierende Organisation veranstaltet außerdem Treffen für die MigrantInnen zu verschiedenen Gelegenheiten, wie zum Beispiel zu Weihnachten, bei denen alle Gäste traditionelle Speisen mitbringen können. In Ballerup finden solche Treffen bis zu vier Mal pro Jahr statt und werden mit der Kommune, den anderen regionalen Hilfsorganisationen und der Sprachschule koordiniert.
Weitere Kooperationen hat das Ballerup Sprogcenter mit der VUC Schule in Lyngby und mit dem Arbejdermuseet in Kopenhagen, von dem ich schon berichtet habe. Einmal pro Woche kommt eine Lehrerin aus Lyngby und bietet einen speziellen Kurs für Personen mit Dyslexie an. Aktuell benötigen ca. 5-6 Personen diesen Unterricht am Ballerup Sprogcenter.
Mein Eindruck nach dem Kennenlernen der Sprachschule in Ballerup und der Køge Handelsskole ist, dass die Sprachkursträger die gleiche Stellung wie eine Berufsschule oder eine Ausbildungseinrichtung haben. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe für die Integration von MigrantInnen und sind deswegen Partner auf Augenhöhe mit den Kommunen; eine Anerkennung, die in Berlin unter anderem aufgrund der großen Anzahl der Träger und der unterschiedlichen Qualität des Unterrichts leider noch aussteht.
Simona Mihalache