How to be German
Bild: Sara Lühmann
Jeder Auslandsaufenthalt bringt es mit sich, dass man mit der eigenen Nationalität konfrontiert wird. Mit dem Deutschsein und all seinen Klischees und Vorurteilen. Es gibt ein gewisses Bild, das die Welt von uns Deutschen hat. Wir sind trinken viel Bier, essen Bratwurst und andere Wurstspezialitäten sowie jede Menge Kohl, lieben Fußball und Autos, sind ordentlich, pünktlich, regeltreu, humorlos und tolle Ingenieur*innen. Wir tragen Allwetterjacken und Socken in Sandalen und trennen ganz hervorragend unseren Müll.
In vielerlei Hinsicht muss ich meine Gastgeber*innen, auch hier in London, enttäuschen. Ich bin Vegetarierin, trinke lieber Wein als Bier und interessiere mich überhaupt nicht für Fußball. Ich habe außer einem Bobbycar nie ein Auto besessen und finde Autos als Gesprächsthema noch langweiliger als Fußball. Ich bin nicht besonders ordentlich (alle Menschen, die jemals mit mir zusammengewohnt haben, dürfen an dieser Stelle ob der Untertreibung laut lachen.) und wäre vermutlich keine gute Ingenieurin geworden. Wobei sechs Jahre nach Nicht-Eröffnung des BER die Frage ist, wie lange wir Deutschen dieses Vorurteil noch aufrechterhalten können.
Vor einigen Jahren habe ich mich auf einer Hochzeitsfeier im englischen Suffolk längere Zeit mit einer älteren Engländerin unterhalten. Als im Gespräch herauskam, dass ich Deutsche bin, rief die Dame erstaunt aus: „German? But how come you are so petite? Germans are always big.“ Noch ein unerfülltes Klischee also. Ich bin zu klein und zierlich. Und seit mich meine Gastschwester Emily mit 16 dafür ausgelacht hat, dass ich – wie viele deutsche Muttersprachler*innen – das V im Englischen wie ein W ausgesprochen habe, gebe ich mir immer große Mühe, dass mir dies nicht mehr passiert, um nicht gleich im ersten Satz als Deutsche entlarvt zu werden. Socken in Sandalen sind mir hier im Büro tatsächlich schon begegnet, aber nicht an meinen Füßen, sondern an denen von zwei englischen Kolleg*innen.
Egal – ich bin hier die Deutsche. Dementsprechend soll ich nun über die deutschen Themen in Hammersmith & Fulham berichten. Leider gibt es aber nicht besonders viel Deutsches im Bezirk. Noch nicht mal einen Birkenstockladen im Westfield Shoppingcenter in Shepherd’s Bush, dem größten Einkaufszentrum Europas.
Das erste und einzige, was den Kolleg*innen einfiel, ist das „Bavarian Pub“ in Fulham. Ein bayerisches Lokals, so wie sich die Welt die deutsche Gemütlichkeit eben vorstellt: holzgetäfelt, mit bayerischen Fahnen dekoriert, mit Bierbänken und Biertischgarnituren ausgestattet und einer fleischlastigen Speisekarte.
Entgegen meiner Proteste schickten die Kolleg*innen mich also zur Recherche zum „Octoberfest“. So heißt das Lokal, denn passenderweise findet in München ja gerade das echte Oktobertfest statt. Der ideale Anlass für eine Berichterstattung über das Fulhamer „Octoberfest.“ So musste ich meinen ersten Samstagabend in London mehr oder weniger unfreiwillig inmitten bajuwarischer Gemütlichkeit verbringen, obwohl ich lieber in ein typisch englisches Pub gegangen wäre.
Aber so ist das halt: The grass is always greener on the other side. Man möchte immer das, was man nicht halt, sondern etwas Exotischeres. in Berlin und überall anders auf der Welt wird gern ins Irish Pub gegangen, weil das mit der Live-Musik und dem Guinness immer etwas Besonderes ist. In Fulham geht man jetzt halt zum Oktoberfest, trinkt eines der 60 deutschen Biere, isst Käsesspätzle oder irgendwas mit viel Fleisch und klatscht begeistert mit, während die Blaskapelle „Hosen Brass“ musiziert.
Der Manager, den ich zu interviewen versucht habe, während die Kapelle spielte, ist Amerikaner mit schweizerischen Wurzeln und begeistert davon, dass man in Deutschland in einer Kneipe „immer sofern jemand kennenlernt, weil alle so offen und freundlich sind“. Die Gründer des Ladens sind Australier. Immerhin kommt die Bratwurst direkt aus Bayern.