Hotdesking & haunted houses
Bild: Sara Lühmann
Meine dritte Arbeitswoche in London neigt sich dem Ende zu. Inzwischen habe ich eine gewisse Routine entwickelt. Ich weiß, wo es auf der King Street die besten Lunchangebote gibt, wo man die günstigsten chips and mushy peas bekommt und dass man sich damit am besten in die Furnivall Gardens an die Themse setzt. Ich habe gelernt, dass immer donnerstags um 12 Uhr der Feueralarm getestet wird und habe am Dienstag eine weitere Feueralarmübung miterlebt, sodass ich nun auch weiß, dass Kollegin Kirsty unser „fire evacuation officer“ ist. (Ich weiß aber leider nicht, wer diese Rolle in meinem Berliner Büro inne hat und ob wir auch so schicke Westen haben.) Ich trinke genau so viel Tee wie die Kollegin, die neben mir sitzt (aber ohne Milch), und wir kochen uns immer gegenseitig welchen, wenn wir in die Küche gehen. Und weil hier, wie im Friedrichshainer Rathaus, auch keinen Geschirrspüler gibt, habe ich nun auch Spülhandschuhe im Büro.
Langsam verstehe ich auch, wer in diesem riesigen Team welche Aufgaben hat. Zwei Kolleginnen kümmern sich ausschließlich um die interne Kommunikation. Sie pflegen das Intranet, in dem sich die Mitarbeiter*innen nicht nur über Mitarbeiterangebote (10 Prozent Rabatt im Pub um die Ecke!), Weiterbildungsmöglichkeiten und Workshops zu neuer Software in der Verwaltung informieren können, sondern auch erfahren, dass diese Woche sowohl Baby Loss Awareness Week als auch Hate Crime Awareness Week ist. Es gibt Informationen zu kostenlosen Grippeschutzimpfungen für Mitarbeiter*innen im Rathaus (das kenne ich von vorigen Arbeitgebern und hätte dieses Angebot gern wieder), zum aktuellen Schmuck-Pop-up-Store in der Cafeteria und eine Einladung zum “Coffee with Kim”, einer monatlichen Gesprächsmöglichkeit mit der Rathauschefin. Seit dieser Woche wird außerdem zur Mitarbeiterumfrage aufgerufen.
Die interne Kommunikation verschickt zudem wöchentliche Newsletter an alle Mitarbeiterinnen und gestaltet, gemeinsam mit den Grafikern, eine unregelmäßig erscheinende Mitarbeiterzeitung. Zudem werden permanent irgendwelche Flyer und Poster für den internen Gebrauch erstellt. So erfährt man auf der Toilette und in der Teeküche immer, was gerade im Rathaus so ansteht.
Eine weitere Kollegin betreut das community engagement und bespielt das Nachbarschaftsnetzwerk „Nextdoor“, das hier sehr verbreitet ist und dem Bezirk die Möglichkeit gibt, die Einwohner*innen sehr gezielt, quasi kiezgenau, anzusprechen.
Die zwei Webmanager*innen kümmern sich um die Webseite. Sie stellen nicht nur die Inhalte für das Kommunikationsteam online und bauen neue Seiten, sie geben auch jede Änderung anderer Abteilungen frei. Aktuell suchen sie eine*n weitere*n Kolleg*in. Dank der Stellenausschreibung weiß ich nun, dass Vollzeit hier im Amt nur 36 Wochenstunden sind. Lucky them. Interessant an der Ausschreibung finde auch, dass die Bezahlung angegeben wird. Das sieht man bei Stellenausschreibungen in Deutschland eigentlich nie. Im öffentlichen Dienst wird meist wenigstens die Entgeltgruppe genannt. Ansonsten muss man als Bewerber*in meist raten.
Das Presseteam ist neben der klassischen Pressearbeit auch für die Produktion der News Storys und der Newsletter zuständig und betreut die zahlreichen Social-Media-Kanäle. Das Team besteht aus fünf Kollegen (ja, nur Männer), die größtenteils vorher als Journalisten gearbeitet haben. Es ist das Team, mit dem ich am engsten zusammenarbeite. Ich habe inzwischen schon einige Storys geschrieben, von denen bislang allerdings nur mein Octoberfest-Bericht online ist. Alle anderen Artikel hängen irgendwo in der Freigabeschleife (die hier noch wesentlich komplizierter und langsamer ist als bei uns) oder sind so furchtbar, dass sich noch niemand getraut hat, mir dazu Feedback zu geben.
Außerdem durfte ich an einer der “Coffee with Kim”-Runden teilnehmen. Das ist ein Gesprächsangebot der Rathauschefin, was hier eine reine Verwaltungsfunktion und keine politische ist, für die Mitarbeiter*innen. Die Kolleg*innen können bei einem Kaffee (oder natürlich Tee, wir sind schließlich in Großbritannien) mit der Chefin ins Gespräch kommen, Fragen zur Zukunft stellen und sich über Dinge beschweren, die ihrer Meinung nach nicht funktionieren. Bei der Runde, bei der ich dabei war, ging es unter anderem um den Wunsch der Mitarbeiter*innen nach Toastern in den Teeküchen, die Situation der nicht-britischen Mitarbeiter*innen aus EU-Ländern nach dem Brexit, die hohe Fluktuation und die Nachteile des Hot-Desking.
Aktuell ist meine Aufgabe, für eine Halloweengeschichte zu recherchieren, wo es im Bezirk Geister oder „haunted houses“ gibt. Nächste Woche darf ich dann an einer Tour zur kommunalen Recyclinganlage teilnehmen – vermutlich weil ich zu häufig Verpackungen in die Recyclingtonne geworfen habe, die hie in den Restmüll gehören.
Sara Lühmann