Big brother is watching you
Bild: Sara Luehmann
Am Donnerstag hatte ich nochmal die Möglichkeit, mir etwas Besonderes im Rathaus anzuschauen, was wir in Deutschland so nicht haben: den CCTV control room. CCTV ist die Videoüberwachung des öffentlichen Raumes, die in Großbritannien sehr weit verbreitet ist. Erstaunlicherweise erfolgt die Überwachung der Kameras aber nicht durch die Polizei, sondern durch Mitarbeiter*innen des Bezirks, die allerdings eng mit der Polizei zusammenarbeiten.
Die Videoüberwachung hat hier in Hammersmith & Fulham Mitte der 90er Jahre mit etwa 50 Kameras begonnen. Seitdem wurde sie massiv ausgeweitet. Inzwischen werden Straßen und Plätze mit rund 1.400 Kameras überwacht. Dazu kommen Kamerabusse, die kurzfristig eingesetzt werden können. Viele Bürger*innen hier sind große CCTV-Fans und setzen sich dafür ein, dass auch ihre Kieze mit Kameras ausgestattet werden.
Der Leiter der Videoüberwachung hat mir beispielweise eine Kamera auf dem Dach eines 23-geschoßigen Gebäudes gezeigt. An seinem Bildschirm konnte er mit dieser Kamera so weit reinzoomen, dass wir die Gesichter der Menschen an der Bushaltestelle und die Nummernschilder der Fahrzeuge erkennen konnten. Theoretisch wäre es bei vielen dieser Kameras aber auch möglich in die Fenster umliegender Häuser zu zoomen. Das ist beeindruckend und beängstigend zugleich.
Die Kritik vieler Deutscher an Videoüberwachung im öffentlichen Raum konnte er kaum nachvollziehen. Auch die Tatsache, dass Google in Deutschland bei Street View die Bilder nicht mehr aktualisiert und diese nun auf dem Stand von 2008 bleiben, hat ihn total überrascht.
Seiner Meinung nach hilft die Überwachung bei der Aufklärung von Straftaten und verhindert “fly tipping” (illegals Müllabladen). Die Council veröffentlicht auf ihrem YouTube-Kanal tatsächlich Videos, die mit CCTV aufgezeichnet werden, vor allem natürlich die Erfolgsstorys wie das Video eines Diebes, der aufgrund der Videoüberwachung inflagranti gefasst wurde. Das ist erstaunlicherweise eines der meistgeklickten Videos auf dem Kanal der Council. Ein weiterer Favorit des Kollegen ist ein Video, das eigentlich keinen Erfolg des CCTV zeigt: Ein Mann stellt mehrere Möbel auf den Gehweg und wurde trotz des Videomaterials und eines Aufrufs auf der Webseite bislang nicht gefunden.
Als ich mir nach dem Termin mit dem CCTV-Team auf der King Street einen Kaffee geholt habe, fühlte ich mich auf jeden Fall sehr beobachtet und habe permanent paranoid nach oben geschaut, um zu sehen, wo die Kameras sind. Nicht weil ich das Café überfallen oder meinen Kaffeebecher auf die Straße schmeißen wollte, sondern weil ich es für mich eine unangenehme Vorstellung ist, dass die Mitarbeiter*innen im CCTV Control Room genau sehen, was ich mache – selbst wenn sie mich höchstens beim Popeln erwischen könnten.