Schau doch mal beim 48er Tandler 'rein
Bild: Joachim Wenz
Erstmals hatte ich nun auch Gelegenheit, die Waste Watcher in der Spätschicht zu begleiten. Der Spätdienst läuft teilweise anders ab als die Frühschicht. Die Kolleg/innen sind nachmittags prinzipiell mit Dienstfahrzeugen unterwegs. Dabei werden bestimmte Aufträge abgearbeitet. Es wird etwa Material wie Greifer und Desinfektionsmittel sowie Handschuhe zur Beseitigung von Gefahrenstellen wie z.B. zur Entsorgung von Spritzen mitgeführt. Die Informationen über die entsprechenden Fundorte gehen durch Beschwerden bzw. Meldungen aus der Bevölkerung bzw. durch Benachrichtigung der Kehrbezirksleitungen ein. Die Funde werden jeweils der städtischen Drogen- und Suchtkoordination weiter gemeldet.
Ebenfalls eine vornehmlich nachmittags erfolgende Tätigkeit ist die quartalsweise durchzuführende Bewertung bestimmter Gebiete bzw. Straßen nach ihrem Verunreinigungsgrad (1 – 5) unter Verwendung eines Erfassungsgeräts (derzeit steht lediglich 1 Gerät zur Verfügung; Ziel ist, alle Teams entsprechend ausstatten zu können).
An diesem Nachmittag fiel mir insbesondere auch die Vermüllung rund um Altstoffsammelstellen auf. An einem Sammelplatz am Max-Winter-Platz im 2. Bezirk hielten wir uns eine Weile auf. Insoweit existiert ein der Situation in Berlin vergleichbarer Zustand, wenn auch die Zahl der abgelagerten Müllsäcke etc. tendenziell geringer ist als zuhause. Es befinden sich dort jeweils nicht nur Altglassammelbehälter, sondern stets auch Altkleidercontainer (legal). Die Waste Watcher durchwühlen die dort hinzu gestellten Müllsäcke nicht, um Hinweise auf Verursacher zu finden. Lediglich wenn bei oberflächlicher Augenscheinnahme Schriftstücke o.ä. mit Daten identifiziert werden sollten, werden ggf. Anzeigen gefertigt, wobei erfahrungsgemäß gerichtsfeste Nachweise für ahndungswürdige Verunreinigungen kaum jemals erbracht werden können.
Viele Stadtgärten bzw. Parks werden übrigens nachts geschlossen. Mit dieser Maßnahme wird einer nächtlichen Verunreinigung vorgebeugt.
Fahrradwracks finden sich auch in Wien, jedoch offenbar ebenfalls seltener als in Berlin. Der Umgang damit entspricht prinzipiell der Vorgehensweise in Berlin; es muss sich eindeutig um Wracks handeln, an denen das Eigentum aufgegeben worden ist, damit nach Fristablauf im Anschluss an die Anbringung von Beseitigungsaufforderungen (dies geschieht jedoch nicht durch die Waste Watcher) eine Beseitigung erfolgen kann.
Es existieren Bereiche bzw. Straßen, die selten bis niemals von den Waste Watchern begangen werden, soweit bekannt ist, dass dort keine Feststellungen getroffen werden können. Die Straßenreinigung arbeitet demgegenüber selbstverständlich flächendeckend und in tendenziell hoher Frequenz. Viele Straßen werden täglich mehrmals gereinigt, während einige ggf. nur zwei- bis dreimal pro Woche berücksichtigt werden.
Selbstverständlich werden auch in der Nachmittagsschicht neben den geschilderten Sonderaufgaben Organmandate bei Feststellung von Verstößen ausgegeben. So auch am vergangenen Donnerstag, als ich erstmals miterlebte, wie sich zwei Personen in der Nähe der U-Bahnstation Vorgartenstraße im 2. Bezirk einer Amtshandlung entzogen, wobei einer der Betroffenen uns zudem lautstark mit dem Wort „Witzfiguren“ verhöhnte. Sicherlich wäre es – wenn auch mit gewissem Aufwand und Hilfe der Polizei – möglich gewesen, diese Person zu stellen. Dem Gedanken der Prävention bzw. der Vermeidung aufsehenerregender Verfolgungsjagden folgend wurde in diesem Fall darauf verzichtet, wobei der Vorfall die im Einsatz befindlichen Kolleg/innen durchaus mit gemischten Gefühlen zurückließ.
Die anwesende Kollegin erwähnte in diesem Zusammenhang, dass man sich schon so manches anhören muss bei Amtshandlungen. Diesbezüglich kann ich auf die insoweit doch unterschiedliche Kultur des Umgangs und der Unterstützung der Beschäftigten in Friedrichshain-Kreuzberg verweisen. Denn es ist nicht nur so, dass bei uns konsequent auch Verbalinjurien zur Anzeige gebracht werden. Zudem werden zuhause auch proaktiv rechtskräftige Verurteilungen insoweit per Pressemitteilung zur Veröffentlichung gebracht, damit die Bevölkerung erfährt, welche Folgen ein solches Verhalten nach sich zieht.
Eine Korrektur zur Wiedergabe meiner ersten Erfahrungen im Außendienst muss ich noch insofern anbringen, als ich inzwischen weiß, dass Betroffene von Amtshandlungen, die das jeweilige Organmandat an Ort und Stelle bar begleichen, anonym bleiben können. Es werden dann keine Daten gespeichert, sondern die Amtshandlung wird lediglich für die Statistik gezählt.
Am Ende eines meiner Außendienste besichtigte ich übrigens den „48er Tandler“ auf dem Gelände der MA 48, den städtischen Gebrauchtwarenmarkt, der montags bis samstags bis 18 Uhr geöffnet ist und in dem vieles von dem, was auf Mistplätzen oder anderswo entsorgt wurde, erworben werden kann. Die Gegenstände werden offenbar teilweise aufbereitet, zumindest gereinigt und in einer Art und Weise liebevoll und dekorativ präsentiert bzw. ausgestellt, die keineswegs beispielsweise mit dem Erscheinungsbild von Flohmärkten verglichen werden kann. Kleidung, Bücher, alte Radiogeräte, sogar ein funktionstüchtiges Klavier, das einen erheblichen Wert haben dürfte, befindet sich dort.
Joachim Wenz