Schwangerschaftskonfliktberatung

Ein Teil meiner Tätigkeit in Berlin ist die Schwangerschaftskonfliktberatung. Das Recht – oder eben Nicht-Recht der Frau – im Fall einer ungewollten Schwangerschaft selbst entscheiden zu dürfen, ob sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt, ist in Deutschland, Spanien und letztendlich überall auf ein hart umkämpftes Thema und wird immer wieder von verschiedenen konservativen, anti-feministischen, religiösen Gruppierungen in Frage gestellt.

Schwangerschaftskonfliktberatung

Mit dem Ende der Diktatur Francos wurde den Frauen die Möglichkeit gegeben eine ungeplante Schwangerschaft straffrei beenden zu können. Es kam unter den nachfolgenden Regierungen immer wieder zu kontroversen Diskussionen und Veränderungen der gesetzlichen Vorschriften. Heute gilt eine Fristenlösung, bei der ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Schwangerschaftswoche möglich ist (in Ausnahmen und mit ärztlicher Bestätigung auch bis zur 22. Schwangerschaftswoche). Eine Frau kann also nach einer dreitägigen Bedenkzeit, ohne ein vorheriges Beratungsgespräch und ohne ihre Entscheidung vor irgendwem begründen zu müssen, eine Schwangerschaft beenden. Möchte oder kann die Frau die Kosten nicht selbst tragen, kann sie sich in einer der anerkannten Beratungsstellen eine Kostenbefreiung ausstellen lassen, ganz unabhängig von ihrem aktuellen Einkommen.

Im Gegensatz dazu ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch noch immer im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und grundsätzlich rechtswidrig, bleibt aber u.a. auf Grundlage der sog. Beratungsregelung unter bestimmten Bedingungen straffrei. Die Kosten belaufen sich hierzulande auf circa 350-600 Euro, je nach Abbruchsmethode. Eine Kostenbefreiung gibt es nur bei geringem Einkommen oder Bezug von Sozialleistungen und dafür ist zunächst ein weiterer Gang zur Krankenkasse notwendig. Außerdem ist ein Schwangerschaftsabbruch auf Grundlage einer medizinischen oder einer kriminologischen Indikation möglich, dann i.d.R. kostenfrei.

Im Jahr 2013 wurde unter der konservativen Regierung der PP und Präsident Rajoy an einigen Stellen die gesetzlichen Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch verschärft. Seitdem darf eine Minderjährige keinen Abbruch vornehmen lassen, wenn nicht zumindest ein Elternteil zustimmt. Ich war bei mehreren Beratungsgesprächen dabei, wo Mädchen große Angst hatten ihren Eltern von der Schwangerschaft zu erzählen, weil sie befürchteten, dass sie einem Abbruch nicht zustimmen werden, sondern sie zur Fortsetzung der Schwangerschaft zwingen. In Deutschland verlangt ein Arzt*in i.d.R. keine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten bei jungen Frauen ab 16 Jahren. CJAS unterstützt die Mädchen und Frauen bei allen weiteren Schritten, von der Kostenbefreiung, über die Terminvereinbarung in einer Klinik, evtl. Gesprächen mit den Eltern, anschließende Verhütungsberatung usw. Sogar eine Begleitung und Betreuung während des Abbruchs wird organisiert, wenn sonst keine unterstützende Person zur Verfügung steht.

Um junge Frauen möglichst gut vor ungeplanten Schwangerschaften zu schützen, sind die Angebote von CJAS (für Mädchen und Frauen bis 30 Jahre) sehr einfach in Anspruch zu nehmen. Verhütungsmittel (Kupferspirale, Antibaby-Pille, Hormon-Implantate, Dreimonatsspritze und Kondome für Frauen & Männer) sind kostenfrei und immer zu bekommen. Ebenso die Pille-danach als Notfallverhütung – sofort, kostenlos, anonym. Möchte eine Frau einen Schwangerschaftstest machen, ist das ebenfalls jederzeit möglich, ebenfalls kostenlos und anonym. Und sollte tatsächlich eine ungeplante Schwangerschaft eingetreten sein, wird gleich, wenn gewünscht, zu den weiteren Möglichkeit beraten. Laut einer Befragung von CJAS weiß die große Mehrheit der jungen Leuten heute nicht, dass ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 14. Schwangerschaftswoche, ohne vorherige Beratung und kostenfrei möglich ist.

Generell ist der Zugang zu Verhütungsmitteln in Spanien einfacher und günstiger als in Deutschland. In den ASSIRs (Atención a la salud sexual y reproduktive / Zentren für sexuelle & reproduktive Gesundheit) erhalten alle Frauen Antikonzeptiva kostenfrei oder gegen eine minimale Kostenbeteiligung. Die Antibaby-Pille kostet bspw. circa 2 Euro monatlich, die Kupferspirale ist kostenfrei und für Hormon-Implantate und Hormonspiralen zahlen sie anteilig 60 Euro. In Deutschland ist Verhütung i.d.R. wesentlich teurer (mit Ausnahme Berlin und aktuell wenigen anderen Modell-Städten, wo Frauen mit geringen Einkommen oder im Sozialleistungsbezug auch eine Kostenbefreiung erhalten können).

So, jetzt bin ich in meinem Bericht zum Thema Reproduktive Gesundheit & Rechte ziemlich ins Detail gegangen, aber es ist ja auch ein wichtiges Thema. Und ich darf feststellen: In Sachen Schwangerschaftsverhütung und teilweise auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch darf Deutschland gerne mal nach Spanien schauen.

Angela Scheres

Falls es jemanden weiter interessiert, hier ein ganz kurzer Überblick zum spanische Gesundheitssystem:

Die Strukturen des spanischen Gesundheitssystems haben sich erst in den letzten 25 Jahren herausgebildet. Grundlegend war die nach Francos Tod verabschiedete Verfassung von 1978. Dort wird das Recht auf Gesundheit explizit anerkannt und laut Artikel 43 ist der Staat für den Gesundheitsschutz und die Förderung der Gesundheitserziehung zuständig. Es wurde ein Dezentralisierungsprozess eingeleitet und 17 Regionen (Comunidades Autónomas – Autonome Gemeinschaften) mit eigenen Gesundheitsdiensten (Servicio de Salud) sowie ihre eigenen Gesundheitszentren geschaffen. Diese können teilweise selbst bestimmen, wie sie das Gesundheitswesen organisiert und damit gibt es teilweise auch große qualitative Unterschiede. In Katalonien ist CatSalut für die öffentliche Gesundheitsversorgung zuständig. Diese umfasst neben Diagnostik, Therapie und Rehabilitation auch Vorsorgeleistungen und Maßnahmen zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit. Sie erfolgt auf zwei Ebenen: Die erste Ebene sind die sog. CAP (Centro de Atención Primaria / Gesundheitszentren der Erstversorgung). Hier arbeiten Allgemeinmediziner*innen, Kinderärzte*innen, Krankenpflegepersonal, Physiotherapeuten*innen, Sozialarbeiter*innen und leisten die Erst- und Grundversorgung. Innerhalb der CAPs sind die ASSIR (Atención a la salud sexual y reproduktive) angesiedelt, zuständig für alles rund um die sexuelle und reproduktive Gesundheit. Die zweite Ebene stellen die spezialisierte Gesundheitszentren und Krankenhäuser dar, in denen Fachärzte*innen arbeiten. Außerhalb der Gesundheitszentren gibt es zahlreiche private Arztpraxen. In Spanien muss der Patient*in – Notfälle ausgenommen – zunächst im zuständigen CAP vorsprechen, dort überweist der Hausarzt*in ggf. an einen Facharzt*in und entscheidet auch über die Dringlichkeit der Behandlung. Die ärztliche und fachärztliche Behandlung sowie die Notfallversorgung sind in Spanien kostenlos (außer die zahnärztliche Behandlung). Die Patienten*innen beteiligen sich aber an den Kosten der verordneten Medikamente, die jedoch preiswerter sind als in Deutschland. Von dieser Regel gibt es mehrere Ausnahmen: Unter anderem Rentner*innen und Patienten*innen mit bestimmten Krankheiten sind von der Zuzahlung ganz oder teilweise befreit (z.B. Personen mit HIV/Aids zahlen nur 10% zu bzw. maximal 2,70 Euro je Medikament).