Vorstellung der Lebensmittelaufsicht

Christopher Mücke

Döner, Sushi, Pizza, Pho – die Auswahl an angebotenen Spezialitäten bei uns im Bezirk ist so vielfältig wie unsere Einwohner*innen. Alle paar Meter locken in Friedrichshain-Kreuzberg Restaurants, Cafés, Imbisse, Eisdielen, Spätis oder Bäckereien mit Speisen und Getränken die Kundschaft an. Um sicherzustellen, dass das, was die Kund*innen verzehren, auch hygienisch hergestellt und gelagert wurde, ist die bezirkliche Lebensmittelaufsicht im Einsatz. Einer der Lebensmittelkontrolleur*innen ist Christopher Mücke.

Er fing im Februar 2020, kurz vor dem ersten Corona-Lockdown, seine Qualifizierung zum Lebensmittelkontrolleur im Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg an. Die Weiterbildung dauert insgesamt zwei Jahre mit sechs Monaten Theorie in verschiedenen Blöcken an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Tempelhof. Zur Ausbildung gehört auch ein Monat Praktikum im Gesundheitsamt. Im Gegenzug machen alle Gesundheitsaufseher*innen in Ausbildung beim Gesundheitsamt einen Monat Praktikum in der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht, da es zwischen den beiden Amtsbereichen gewisse Schnittmengen gibt. Andere Praktika im Zuge der Qualifizierung führen die angehenden Lebensmittelkontrolleur*innen ins Landeslabor Berlin-Brandenburg, in die für Verbraucherschutz zuständige Senatsverwaltung und die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht eines anderen Bezirksamtes. Nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung werden die Absolvent*innen Beamte auf Lebenszeit.

In Bamberg hatte der 33-Jährige in einem Hotel eine Ausbildung zum Koch absolviert und anschließend fünf Jahre in zwei Hotels der Stadt gearbeitet, bevor er 2015 für die Ausbildung als Lebensmitteltechniker nach Berlin kam. Im Anschluss an diese schulische Ausbildung arbeitete er als Betriebsleiter für ein Cateringunternehmen, das Schulen und Kitas mit Mittagessen beliefert.

Playmobil-Figur

Diese Playmobil-Figur steht im Büro der Lebensmittelkontrolleur*innen auf dem Drucker.

Nachwuchs händeringend gesucht

Für die Qualifizierung zum Lebensmittelkontrolleur*in benötigt man eine abgeschlossene Ausbildung in einem Lebensmittelberuf und zusätzlich entweder einen Meisterabschluss in einem Lebensmittelhandwerk oder eine Ausbildung als Lebensmitteltechniker. „Wir sind keine Bürofuzzis. Wir kommen alle aus der Praxis.“ Diese praktische Vorerfahrung sei extrem wichtig – in der Arbeit bei der Kontrolle aber auch im Umgang mit dem Personal in den Betrieben. „Manchmal hilft es, wenn wir sagen können, dass wir den Job in der Küche selbst mal gemacht haben.“ Das könne die Situationen und Gespräche bei den Kontrollen teilweise etwas entschärfen.

Im Team arbeiten neben Christoper Mücke sieben weitere Lebensmittelkontrolleur*innen und vier weitere befinden sich derzeit in der Weiterbildung. Mehrere Kolleg*innen im Team gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. „Wir brauchen dringend Nachwuchs im Team.“ Ein Problem sei, dass immer weniger junge Menschen Ausbildungen im Lebensmittelhandwerk abschließen, was eine zwingende Voraussetzung für die Weiterbildung zum*zur Lebensmittelkontrolleur*in sei.

Lebensmittelrecht ist EU-Recht. Einmal, erinnert sich Christopher Mücke, hat er den Gesetzestext, auf dem seine Arbeit beruht, für eine italienische Gastronomin in italienischer Sprache ausgedruckt und ihr vorgelegt. Sie sei in schallendes Gelächter ausgebrochen und hatte staunend gefragt, ob das wirklich auch in Italien gelte. Tatsächlich ist dem so.

Insgesamt ist das Team zuständig für 8.172 Betriebe, Anzahl steigend. Dazu gehören neben Gastronomiebetrieben und Geschäften, die Lebensmittel verkaufen, auch Frisörsalons, Tattoo-, Nagel- und Kosmetikstudios und Läden mit Tabakprodukten. „Wir sind für die Kontrolle von allem zuständig, mit dem man längere Zeit Haut- oder Schleimhautkontakt hat.“ Das betrifft ebenfalls Produkte, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, wie z.B. Teller und Tassen. Das Team hat den Bezirk in einzelne Zuständigkeitsregionen unterteilt, sodass jede*r einen Kernbereich hat, in dem er*sie kontrolliert. Christopher Mücke ist für den westlichen Teil Kreuzbergs vom Gleisdreieckpark bis in den Bergmannkiez hinein zuständig. Rund 1.000 Betriebe liegen in seinem Bereich.

Gelato-Theke

Kommunikation in den Betrieben als Herausforderung

Dazu gehören auch Herstellerbetriebe oder Markhallen. Auch bei Märkten und Straßenfesten sind die Lebensmittelkontrolleur*innen im Einsatz. Beim Karneval der Kulturen kontrollierten die Kolleg*innen die Stände und mussten einige aus hygienischen Gründen schließen. „An einem der Stände mussten wir Eis im Wert von rund 1.000 Euro wegschmeißen, weil jemand am Vorabend den Strom des Tiefkühlgeräts gezogen hatte und das Eis komplett aufgetaut war. Die Standbetreiber wollten es am nächsten Morgen einfach wieder einfrieren. Natürlich ist für sie ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden, aber das geht einfach nicht.“

Die Wege zu den Betrieben, die er kontrolliert, legt der Lebensmittelkontrolleur, genau wie seine Kolleg*innen, grundsätzlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Ausgerüstet ist er dabei immer mit einem kleinen Rollkoffer, unter anderem mit Laptop, Kittel, Thermometer, Kühltasche für Proben und einem handlichen Thermodrucker, um vor Ort das Protokoll auszudrucken. Welche Verdachtsproben Christoper Mücke nimmt, kann er nach seinem Fachwissen selbst entscheiden. Er nimmt ungefähr 40 Proben pro Jahr. Das kann ein Stück vom Dönerfleisch sein, eine selbstgemachte Salatsoße oder ein Vape Stick vom Späti. „Wir können uns da ganz frei bewegen und nehmen das mit, was uns rechtlich bedenklich vorkommt.“ Die Proben bringen die Kolleg*innen selbst zum Landeslabor Berlin-Brandenburg in Adlershof. Um Wege zu reduzieren, stimmt sich das Team untereinander ab, wer an welchem Tag dorthin fährt und auch die Proben der anderen Kontrolleur*innen mitnimmt. In den Sommermonaten nimmt das Team vermehrt Speiseeisproben. Um diese gefroren nach Adlershof bringen zu können, werden sie in einem Auto des Ordnungsamtes, das zu diesem Zweck mit einer Tiefkühltruhe ausgestattet wird, transportiert.

In der Regel ist Christopher Mücke bei seinen Kontrollen allein unterwegs. Wenn es sich abzeichnet, dass eine Kontrolle nicht ganz einfach wird, weil der Betrieb schon bekannt ist, gehen die Kolleg*innen auch zu zweit. „In der Regel wissen wir nicht, was uns begegnet, wenn wir losgehen und wir wissen vorher nicht, wie die Leute drauf sind, die wir im Betrieb antreffen.“
Ein großes Problem in der Kommunikation mit den Betrieben, die Christopher Mücke kontrolliert, seien die fehlenden Deutschkenntnisse der Betreiber*innen und Mitarbeiter*innen. „Manchmal müssen wir uns mit Händen und Füßen verständigen.“ Eine weitere Herausforderung sei, dass die Lebensmittelkontrolleur*innen in den Betrieben kaum noch Fachkräfte antreffen. „Jeder kann sich eine Kochjacke anziehen und loslegen mit einem Imbiss.“ Darauf sind die Kolleg*innen inzwischen eingestellt. „Die Frage ist immer, wie man reingeht – mit welcher Einstellung. Ich gehe in jede neue Kontrolle immer erstmal nett, freundlich und vorurteilsfrei.“

eklige Restaurauntküche

So sollte es nicht aussehen.

Immer weniger Fachkräfte in der Gastronomie

Vor Ort im Betrieb überprüfen die Lebensmittelkontrolleur*innen auch die Eigenkontrollunterlagen wie Reinigungspläne und die Dokumentation der Temperaturüberprüfung. Leider lägen diese meistens nicht vor. „Die wenigsten Betriebe haben diese eigene Kontrolle, wenn wir das erste Mal in den Betrieb kommen – höchstens noch in Hotelküchen.“ Auch das sei darauf zurückzuführen, dass kaum Fachkräfte in der Gastronomie arbeiteten. Für diejenigen, die wie Christopher Mücke und seine Kolleg*innen eine Ausbildung in einem Lebensmittelhandwerk gemacht habe, seien diese Eigenkontrollunterlagen selbstverständlich. Den Mitarbeiter*innen in den Kreuzberger Betrieben, die er kontrolliert, müsse er diese Praxis erst erklären. Das liege auch daran, dass kaum noch Betriebe ausbilden, weder Köch*innen, noch Bäcker*innen oder Konditor*innen.

„Anfangs hat es mich wirklich schockiert, was ich in den Küchen der Betriebe gesehen habe. Im Laufe der Zeit stumpfe man aber ein bisschen ab.“ Einige Missstände in der Umsetzung des Lebensmittelrechts lägen aber auch einfach an den baulichen Gegebenheiten der Berliner Altbauten, die als Lebensmittelbetrieb schlicht nicht geeignet sind und trotzdem als solche vermietet werden würden. Diese Betriebe im Nachhinein dann an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen, ist meist, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand möglich.
Die Lebensmittelkontrolleur*innen weisen bei ihren Kontrollen auf die Missstände in den Betrieben hin und protokollieren diese. Anschließend müssen die Betreiber*innen diese innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen. Im Anschluss kommen die Kolleg*innen ggf. zur Nachkontrolle. Nicht immer werde das, was im Protokoll zur Nachbesserung notiert wurde, umgesetzt. Manchmal seien es Sprachbarrieren. „Viele lesen aber auch einfach das Protokoll gar nicht.“ Werden die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht nicht behoben, verhängen Christopher Mücke und seine Kolleg*innen Bußgelder.

Häufig werden die simpelsten Vorgaben nicht erfüllt. Unter den Top 3 seien da auf jeden Fall fehlende Seife und Papierhandtücher am Handwaschbecken für das Personal oder fehlende Fachkenntnisse zum Umgang mit Lebensmitteln beim Personal, aber auch fehlende Überprüfungen der Kühleinrichtungen.

In extremen Fällen werden Betriebe umgehend geschlossen, beispielsweise, wenn bei einer Kontrolle festgestellt wird, dass es vor Ort kein fließendes warmes Wasser gibt oder der Reinigungszustand dramatisch ist.
Was häufig vorkommt, ist, dass Christopher Mücke anordnet, dass Lebensmittel entsorgt werden müssen. Dies kann beispielsweise. erforderlich sein, wenn leicht verderbliche Lebensmittel wie z.B. Hackepeter oder Fisch bei zu hohen Temperaturen oder Lebensmittel unter unhygienischen Bedingungen aufbewahrt werden. So wurden bei einer Kontrolle frische Fische, welche bei zu hohen Temperaturen sowie im Vorraum der Betriebstoilette „gelagert“ wurden, entsorgt.
Generell sei es aber so, dass es bei Lebensmittelkontrollen in Kreuzberg niemals langweilig werde. Kritik an potenzieller Lebensmittelverschwendung komme immer mal wieder auf. „Aber unsere Aufgabe ist es nun mal das Lebensmittelrecht umzusetzen. Damit schützen wir alle, vor allem aber die vulnerablen Gruppen wie Kinder, Ältere oder Schwangere, für die es wirklich gefährlich werden kann, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden.“

Restaurant - Essen am Tisch

Hinweise von anderen Fachbereichen und Behörden

Eine weitere Aufgabe der Lebensmittelkontrolleur*innen sind Produktrückrufe und Lebensmittelwarnungen. Christopher Mücke kontrolliert dann beispielsweise vor Ort in den Supermärkten, ob die Information dort angekommen ist und die Mitarbeiter das Produkt aus den Regalen genommen und eine Information für die Kunden ausgehängt haben. Dies kann manchmal auch telefonisch abgearbeitet werden bzw. ruft er dort wo es Kundenlisten gibt, auch die Kund*innen direkt an. Bei einem Rückruf eines Baumkuchens, der von innen verschimmelt war, hatte er eine ältere Dame am Apparat. „Sie war völlig verzweifelt, weil es Monate her war, dass sie den Baumkuchen gekauft hatte. Sie hatte ihn verschenkt und große Sorge, dass er bereit aufgegessen worden sein könnte.
Das Team geht auch Bürgerbeschwerden nach. 58 Beschwerden haben die Lebensmittelaufsicht in diesem Jahr bis Juni bereits erreicht. Meist melden sich Menschen, die außer Haus gegessen haben, weil ihnen danach übel war. „Viele beschweren sich allerdings eher bei Google als bei uns.“

Aber auch von Kolleg*innen innerhalb und außerhalb des Ordnungsamtes kommen Hinweise zu Christopher Mücke und seinen Kolleg*innen. Beispielsweise war neulich ein Team des Außendienstes des Ordnungsamtes in Sachen Sondernutzung in der Gastronomie unterwegs, um zu überprüfen, ob die Schankvorgärten im öffentlichen Straßenland so aufgebaut sind, wie sie genehmigt wurden. „Dabei haben die Kollegen festgestellt, dass es in einem Gastronomiebetrieb ziemlich eklig aussah. Also bin ich dort hingegangen, um es mir anzuschauen.“
Auch die Polizei oder der Zoll, die zu Schwarzarbeitskontrollen in der Gastronomie unterwegs sind, geben der Lebensmittelaufsicht Hinweise, wenn ihnen etwas auffällt.

Christoper Mücke wohnt im Wedding, wo er gern auswärts essen geht, blendet dann aber die dienstlichen Belange aus. „Vor meiner eigenen Haustür würde ich nicht gern kontrollieren.“ Eine Trennung sei da schon besser.