Candy Hartmann ist seit 2006 Mitarbeiterin im Quartiersmanagement und fand den Einstieg in den Job direkt nach ihrem Geografie-Studium an der Humboldt-Universität. 2010 übernahm sie die Leitung.
Wafaa Khattab ist gebürtige Berlinerin mit palästinensischen Wurzeln und in Kreuzberg 36 aufgewachsen. Sie hat selbst lange Jahre am Platz gewohnt. Als Quereinsteigerin kam sie 2012 zum Quartiersmanagement und ist für die Bürger*innenbeteiligung und den Aktionsfonds zuständig. „Meine Hauptaufgabe ist die partizipative Arbeit mit den Communitys.“ Die Aufgabe des Quartiersmanagements sei es, gemeinsam mit den Menschen vor Ort die Herausforderungen im Kiez anzugehen. „Wir verstehen uns als Moderatorinnen der Kiezentwicklung. Denn die funktioniert nur mit den Menschen hier.“ Senior*innen beispielsweise bräuchten dabei eine andere Ansprache als Familien. Daher gibt es viele verschiedene niedrigschwellige Angebote und Formate. Die Menschen sollen sich einfach vor Ort für ihre Nachbarschaft einsetzen können.
Das Quartier ist von Armut geprägt. Viele der Wohnungen sind überbelegt, weil sich Familien einen Umzug in größere Wohnungen nicht leisten können. Das führe unter anderem zu vielfältigen Problemen mit der Infrastruktur. Selbst die Müllräume seien für die hohe Anzahl an Mieter*innen nicht ausgelegt, die in inzwischen am Platz leben. Gleichzeitig fehlt im Kiez die Kaufkraft. Viele Geschäfte und Gastronomiebetriebe haben in den letzten Jahren geschlossen. Der Supermarkt, die Drogerie, der Blumenladen und die Kneipe – alles hat dichtgemacht. Daraus ergibt sich viel Leerstand in den Ladengeschäften, was auf Besucher*innen und Passant*innen des Platzes keinen guten Eindruck macht. Eine große Hoffnung liegt auf dem türkischen Lebensmittelmarkt, der im Oktober eröffnet hat, aber auch auf dem Ende der Sanierung im Gewerbebestand der HOWOGE.
Dennoch lebten die meisten Familien sehr gern am Platz. Wafaa Khattab: „Die meisten fühlen sich privilegiert, hier mitten in der Stadt zu leben.“ Während diejenigen, die auffielen, meistens die Anwohner*innen sind, die durch das Raster gefallen sind, seien diese natürlich in der Minderheit. „Wir sind eine vielfältige Nachbarschaft. Es gibt auch viele Erfolgsgeschichten.“ Eine solche ist für Wafaa Khattab beispielsweise die arabischstämmige Familie, deren Söhne alle bei der Polizei angefangen haben.
Zu den Formaten, die das QM anbietet, gehören beispielsweise Thementische für türkisch- und arabischstämmige Frauen, die Wafaa Khattab problemlos ohne Übersetzungshilfe betreuen kann, da sie beide Sprachen spricht. Im Schnitt kommen zwölf bis 15 Frauen. Das Durchschnittsalter liegt bei 40. „Wir sind älter geworden.“ Durch diese Thementische ist der Film „Durch unsere Augen“ entstanden, den die Frauen gemeinsam über ihr Leben am Mehringplatz gedreht haben. Candy Hartmann: „Das Besondere ist, dass die Frauen im Prozess des Filmmachens viel Selbstvertrauen gewonnen haben und sich selbst befähigt gefühlt haben.“ Die Frauen gäben im Film sehr persönliche Einblicke in ihren Alltag und seien sehr stolz auf ihr Werk. Zu den Protagonistinnen zählen eine Uber-Fahrerin, eine Stadtteilmutter und Hausfrauen, die im Quartier wohnen. Wafaa Khattab: „Im Film stellen die Frauen wichtige Fragen an die Gesellschaft und zeigen klar: Wir sind da und verdienen mehr Aufmerksamkeit.“
Sommerliches Freiluftkino am Platz
Der Film wurde mit Unterstützung des HAU produziert und im September im Freiluftkino am Platz gezeigt, das ebenfalls ein Projekt des Quartiersmanagements ist. Bereits im dritten Jahr wurde im Sommer über fünf verschiedene Filme gezeigt. Das Open-Air-Kino ist ein kostenloses Angebot. Das Besondere sei, dass die Filmemacher*innen ins Freiluftkino kämen und sich mit den Menschen vor Ort austauschten. So verbinde das Kino den Mehringplatz mit dem Rest Berlins. Ein Stammgast im Programm ist Tobias Krell, besser bekannt als Checker Tobi, der in diesem Jahr Ende August seinen zweiten Spielfilm „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ präsentierte. Im Anschluss beantwortete der Reporter alle Kinderfragen (“War der Sturm echt?” – “Wie lange habt ihr den Film gedreht?” – “Ist Marina wirklich deine beste Freundin?”) und erfüllte alle Fotowünsche seines jungen Publikums. „Für die Kinder vom Platz ist das etwas ganz Besonderes, dass ihr Star bei ihnen in der Nachbarschaft vorbeischaut – und sie mit ihm sprechen können“, erklärt Wafaa Khattab. Ein Kind war so fasziniert, Checker Tobi vor sich zu haben, dass es gefragt habe, ob es in anfassen dürfe, weil es gar nicht fassen konnte, den echten Tobias Krell zu treffen.