Hospitationsbericht aus dem Straßen- und Grünflächenamt

Ideengenerierung zur Gestaltung einer Schulzone

Im Rahmen der Hospitanz bei der Ideengenerierung einer Schulzone

Bericht von Dr. Julia Jarass und Hanna Rhein

In der Zeit vom 15. April bis zum 26. April 2024 hatten wir, Dr. Julia Jarass, Mobilitätsforscherin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) im Institut für Verkehrsforschung, und Hanna Rhein, Expertin für Städtische Mobilität bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), im Bereich Verkehr & Luftreinhaltung, das Privileg, im Rahmen eines transdisziplinären Austauschs als Hospitantinnen im Straßen- und Grünflächenamt Friedrichshain-Kreuzberg im Fachbereich Öffentlicher Raum mitzuwirken. Wir möchten hier von unseren Eindrücken und wichtigsten Learnings berichten.

Vorab möchten wir kurz erklären, warum wir den zweiwöchigen Austausch gemacht haben: Verwaltungen erscheinen oft wie Black Boxes und schwer zugänglich. Auch für erfahrene Fachleute stellt sich immer wieder die Frage, wie bestimmte Entscheidungen getroffen werden und warum Prozesse teilweise lange dauern. Gleichzeitig sind Verwaltungen für die Umsetzung der Mobilitätswende unglaublich wichtig und nehmen eine entscheidende Rolle ein, bei der Frage, wie unsere Städte künftig aussehen sollen. Wenn wir wollen, dass die Mobilitätswende beschleunigt wird, kommen wir nicht umhin, einen genaueren Blick auf die administrativen Prozesse zu werfen.
Die Zeit bei der Verwaltung ermöglichte uns einen tieferen Einblick in die Funktionsweise und die Dynamik hinter den Entscheidungsprozessen. Es war eine großartige Gelegenheit für einen transdisziplinären Austausch, den wir jedem nur empfehlen können, da er nicht nur das Verständnis füreinander fördert, sondern auch neue Perspektiven eröffnet.

Projektmitarbeit und Erfahrungsaustausch am Straßen- und Grünflächenamt

Während unserer Hospitation haben wir hauptsächlich an einem Projekt mitgearbeitet und konnten dabei viel über die Prozesse im Bezirk lernen, die sich sicherlich auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Konkret ging es beim Straßen- und Grünflächenamt um die Gestaltung von Schulzonen, wobei wir unsere Erfahrungen und Expertise aus NGO und Forschung einbringen konnten. Bei einer “Schulzone“ wird die Straße vor der Schule umgestaltet. Die Idee ist, dass Kinder dadurch sicher zur Schule gelangen können und gleichzeitig mehr Aufenthaltsqualität vor den Schulen entsteht, sodass die Schüler*innen sich dort frei bewegen, die Flächen mitgestalten und für sich nutzen können. Dieser Prozess begann lange vor unserer Zeit mit einer systematischen Erfassung aller Schulen im Rahmen einer räumlich-quantitativen Untersuchung, gefolgt von einer qualitativen Analyse der Gegebenheiten vor Ort und einer anschließenden Priorisierung. Die Schulzonen sind auch Teil des Konzepts Xhain beruhigt sich.

Gemeinsam mit dem Team des Bezirks haben wir überlegt, wie das Konzept und der Verwaltungsakt beschleunigt und verbessert werden können, wie Schulzonen gestaltet werden sollten oder wie ein gutes Beteiligungsverfahren hier aussieht, alles möglichst kostengünstig. Hier konnten Erfahrungen aus eigener Forschung (z.B. Sensorkids, EXPERI) zu Beteiligungsmethoden vulnerabler Gruppen und Akzeptanz von Umgestaltungen im öffentlichen Raum und Projekten (Pop-up Republik, Pop-up Mobilitätswende) zur schnellen Umsetzung und Evaluierung von Mobilitätswende-Maßnahmen, die keine Tiefbaumaßnahmen erfordern und sich auch mit Teileinziehungen beschäftigen, eingebracht werden.

Projektmitarbeit und Erfahrungsaustausch am Straßen- und Grünflächenamt

Die Idee der Schulzonen wird auch in anderen Bezirken bearbeitet, auf diese Erfahrung wurde zurückgegriffen und es besteht ein Austausch auf Arbeitsebene. Es war erfreulich zu sehen, dass bereits etablierte Vorgehensweisen aus anderen Bezirken genutzt werden und die Zusammenarbeit gut funktioniert.
Die Mitarbeit an diesem Projekt war für uns eine sehr bereichernde Erfahrung. Es wurde ein strukturierter Prozess mit möglichst geringer Komplexität für die Schulzonen entwickelt. Das Ziel war klar definiert, durch regelmäßige Teamtreffen konnten wir flexibel und kontinuierlich neue Ideen entwickeln und umsetzen, um dorthin zu gelangen. Unter Einbeziehung eines effektiven Wissensmanagements wurde in diesem Projekt nicht nur agil, sondern auch systematisch gearbeitet.
Durch die Dokumentation des Prozesses und die klare Strukturierung ist für jeden nachvollziehbar, wann welche Person mit welcher Funktion involviert ist. Dies ermöglicht nicht nur eine einfache Wiederholbarkeit des Prozesses, sondern auch dessen Umsetzung (mit minimalen Anpassungen) in anderen Berliner Verwaltungen.
Neben den Aspekten der Prozessoptimierung bereicherten innovative Methoden der Partizipation und Stadtplanung wie Tactical Urbanism unsere Überlegungen für die Schulzone. So flossen auch frische und bunte Ideen und Inspirationen aus Mailand in unsere Diskussionen ein.

Trotz minimaler Ressourcen und komplexer Strukturen zeigt das Team des Fachbereichs Öffentlicher Raum, dass agiles Arbeiten in der Verwaltung möglich ist. Das Schulzonenprojekt ist für uns ein positives Beispiel dafür, wie innovative Ansätze und engagierte Teamarbeit in der Verwaltung erfolgreich umgesetzt werden können.

Mit dem Rad zur Besichtigung des Werkhofs für die Organisation der Realbeteiligung für eine Schulzone

Ein weiterer schöner Aspekt unserer Erfahrung war die Möglichkeit, an Vor-Ort-Terminen teilzunehmen und aktiv an der Gestaltung der Stadt mitzuwirken.

Es war ein großartiges Gefühl, “Ownership” für den Bezirk zu haben, also das Gefühl für die Gestaltung des öffentlichen Raums mit verantwortlich zu sein, was ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist. Das haben wir im Team in besonderem Maße erfahren, da hier sehr viel Motivation und Gestaltungswille zu spüren war. Die vielen unterschiedlichen Akteure unter einen Hut zu bekommen, ist jedoch nicht immer einfach. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse und Interessen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, um Erwartungen zu managen und gleichzeitig die Beteiligung und Mitgestaltung zu fördern.

Gespräch mit Eltern und Lehrern einer Schule an einem Aktionstag

Insgesamt möchten wir betonen, dass während unseres Austauschs die Offenheit für Neues und der Wille zur Zusammenarbeit bei allen spürbar war. Wirklich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirks haben uns offen und herzlich empfangen und zeigten ein starkes Engagement für die gemeinsame Sache, auch wenn sie sich der Optimierungspotenziale im Bezirkshandeln bewusst waren. Es war eine wertvolle Erfahrung, an einem Ort zu sein, an dem so viel Wissen und Kompetenz gebündelt sind und an dem jeder seinen Beitrag zur Zukunft der Städte leistet.

Abschließend möchten wir uns bei allen Mitarbeitern des Bezirks, besonders aber bei dem Team des Fachbereichs Öffentlicher Raum, für ihre Offenheit und ihr Interesse bedanken. Es war eine wertvolle Erfahrung, die uns neue Einblicke und Erkenntnisse verschafft hat, welche wir in unsere tägliche Arbeit einfließen lassen können. Diesen transdisziplinären Austausch künftig häufiger zwischen Akteuren zu ermöglichen, die eng zusammenarbeiten, aber doch eine andere Unternehmenskultur und Handlungslogik haben, ist unglaublich wertvoll. Daher möchten wir auch unseren Arbeitgebern danken, dass sie es uns ermöglicht haben, diese transdisziplinäre Erfahrung zu machen.