Den Jugendlichen Verantwortung geben

Ristic

„Wir sind nicht so leicht zu finden“, erklärt Željko Ristić bei der telefonischen Vereinbarung des Gesprächs. Tatsächlich sitzt das Projekt „Im Namen der Straße“ im Souterrain eines Altbaus in der Ritterstraße etwas versteckt. In den Kellerräumen mit niedrigen Decken und kleinen Fenstern befindet sich vorn Aufenthaltsraum mit Sofaecke und einen Computerarbeitsplatz, ein Raum zum Computerspielen, ein Schnittarbeitsplatz und ein kleines Tonstudio. Seit zwei Jahren hat das Projekt hier seinen Sitz. „Den Jugendlichen gefällt es hier in den Räumen.“

Željko Ristić ist in Neukölln geboren und in Moabit aufgewachsen. Über 32 Jahre lang war er als Fußballtrainer im Jugendbereich aktiv. So sammelte der gelernte Kommunikationselektroniker in seiner Freizeit und im Ehrenamt Erfahrungen in der Jugendarbeit. Er begann bei einem Moabiter Kiezsportverein und wechselte später zu Hertha BSC. „Bei beiden Vereinen gab es Kinder aus schwierigen Verhältnissen, sodass meine Tätigkeit weit über das Trainieren hinausging.“ Über diese Erfahrung kam hierüber vor 20 Jahren zu Outreach. Berufsbegleitend machte er dort eine Ausbildung zum Erzieher. „Meine damalige Freundin hat mich dazu gedrängt. Aber inzwischen ist es meine Berufung.“ Anschließend arbeitete er in verschiedenen Projekten des Trägers – erst in Friedrichshain und dann in Kreuzberg.

Mit Mitteln der kiezorientierten Gewaltprävention der Landeskommission Berlin setzt das Bezirksamt mit dem Träger Outreach das Projekt um. Die mobile Jugendarbeit hat Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren als Kernzielgruppe. Das Projekt arbeitet seit acht Jahren in Kreuzberg, mit dem Halleschen Tor als Schwerpunkt. „Wir sind kein klassischer Jugendclub.“

Straßenfußball

Ansatz der Selbstverwaltung

Die Idee ist in Pandemiezeiten entstanden. „Damals waren die Jugendeinrichtungen alle geschlossen. Für die Jugendlichen gab es quasi keine Angebote.“ So begann ein Teenager damit, illegale Fußballturniere zu organisieren. Dadurch kam das Team von Outreach auf die Idee, sportliche Angebote in der mobilen Jugendarbeit anzubieten. Der Ansatz ist, dass sie Jugendlichen selbst und Turniere organisieren. „Es geht darum, den Jugendlichen die Verantwortung zu geben. Natürlich helfen und unterstützen wir, aber eigentlich sind sie frei.“ Bereits im zweiten Jahr gab es nun auch ein Fußballturnier für Frauen. Nicht nur draußen wird gespielt – auch drinnen am Computer. Gerade am Wochenende haben 40 Mädchen in den Räumlichkeiten in der Ritterstraße gemeinsam FIFA gespielt. „Das lief unheimlich gut. Aber es hat auch zwei Jahre Aktivierung gedauert, bis so viele Mädchen zusammengekommen sind.“

Ausgehend vom Thema Fußball haben sich dann über die Jahre weitere Projekte entwickelt, wie etwa das Tonstudio. „Auch das war eine Idee der Jugendlichen – und auch das verwalten sie eigenständig.“ Vier jugendliche Manager*innen verantworten das Studio und seine Nutzung. Dass auch eine Frau als Managerin dabei ist, sei besonders cool. Das Tonstudio sei extrem gefragt.

Für den Ansatz der Selbstverwaltung sind wir bekannt und Vorbilder.“ Viele Jugendliche aus den Projekten, möchten selbst Mini-Jobs bei Outreach übernehmen. Neue Projekte und Ideen teasern die Kolleg*innen an und schauen, ob und wie sie funktionieren. Da die Initiative häufig von der Gruppe aus käme, liefen die neuen Ideen in der Regel gut an. „Wir sind wie ein Start-Up für kleine Projekte. Wir greifen deren Ideen auf und machen daraus ein Projekt.“ Innerhalb der Projekte entdeckten die Jugendlichen häufig eigene Potenziale, auch diejenigen ohne Schulabschluss. „Wenn wir diese sehen, bestärken wir sie darin.“ Ziel sei es, die Begabungen sichtbar zu machen. „Wir sehen die Jugendlichen wohlwollender als andere sie sehen. Denn wir geben ihnen Verantwortung und sehen, dass sie diese übernehmen können.“ Neben der Arbeit mit Gruppen in den einzelnen Projekten, gibt es auch Einzelfallberatungen.

Gleichzeitig kämen aus den Gruppen heraus selbst manchmal auch überraschende Vorschläge. „Neulich wollten die plötzlich Campen, richtiges Survivalzeug. Damit hätten wir nicht gerechnet.“ „Manchmal wollen die Jugendlichen hier auch einfach nur in Ruhe netflixen. Dann gibt das Team ihnen auch hierfür den nötigen Raum.

Spielplatz Cetin-Mert-Park

Spielplatzprojekt, Kampfsporttraining und Laufgruppen

Auch auf einem Spielplatz in Kreuzberg ist das Team unterwegs. Einmal die Woche kommen Honorarkräfte mit einem Lastenrad, das mit Spielgeräten bestückt ist, in den Çetin-Mert-Park an der Skalitzer Straße. Die Zielgruppe sind hier, abweichend von den anderen Projekten, Kleinkinder und deren Familien. Das Angebot werde extrem gut angenommen. „Es bräuchte viel mehr solcher Spielplatzprojekte.“

Für muslimische Frauen bietet das Projekt ein Kampfsporttraining an. Allein unter Frauen trainieren sie in einer Remise in Mitte Muay Thai. Die Aktivierung muslimischer Frauen sein sei schwierig, insbesondere bei bedeckten Frauen. Wichtig seien für diese Arbeit geschützte Räume und reine Frauengruppen. Immer wieder kämen jedoch auch Initiativen aus der Zielgruppe selbst heraus. Eine der jungen Frauen wollte gern Sport machen, hatte für sich in der näheren Umgebung aber kein passendes Angebot gefunden und kam auf die Idee, eine Laufgruppe für Mädchen und Frauen zu gründen.

Auch eine Laufgruppe für Jungen hat sich gefunden. Sie heißt „Die Läufer“, was Fachjargon für die Ticker in der Drogenszene sei. „Mit so was kann man polarisieren und Aufmerksamkeit schaffen.“ Für die Ausstattung hat Željko Ristić Kontakt zu Nike aufgenommen, die den Laufgruppen Sportschuhe vom Marathon zur Verfügung stellen. Genau wie die anderen Projekte finden auch die Laufgruppen selbstorganisiert statt.

Mischpult

Zur Veranstaltung "Block Art" kommen rund 600 Jugendliche

Eine große Veranstaltung, die die Jugendlichen jedes Jahr organisieren, ist die „Block Art“ – bei der es neben Fußball und künstlerischen Beitragen auch viel Streetfood gibt. Rund 600 Jugendliche waren im Sommer dabei. Hierfür werden die Mütter der Jugendlichen eingebunden, die die Speisen zubereiten. So habe man auch eine Komponente der Familienarbeit. Die Eltern lernen die Projekte und deren Mitarbeiter*innen kennen und wissen, wo und mit wem ihre Kinder ihre Freizeit verbringen. Hinzu kommen kleinere Events, wie eine Kleidertauschparty. „Hierfür holen wir uns dann Leute ran, die von den jeweiligen Themen Ahnung haben.“ So fänden sich auch neue Multiplikator*innen.

Das Team rund um Željko Ristić besteht aus acht Festangestellten und einigen Honorarkräften sowie Praktikant*innen. Die Mitarbeiter*innen sind Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und Pädagog*innen. Teilweise machen Jugendliche, die über die Jugendarbeit zu Outreach gefunden haben, selbst berufsbegleitend eine Ausbildung hier. Der Jugendliche, der zur Corona-Zeiten die illegalen Fußballspiele organisiert hatte, zum Beispiel, wird selbst Erzieher.